Nach katholischem Eheverständnis ist die Ehe ein von Gott gestifteter Bund und als solcher ein Bild für den Bund Gottes mit den Menschen. In der Ehe wird diese Liebe Gottes unmittelbar wirksam. Das gegenseitige „Übereignen“ der Ehegatten ist Zeichen für die unbedingte Liebe Gottes und damit Sakrament.
Die Endgültigkeit der Ehe wird heute fast als etwas Unzumutbares, als Beschränkung der Freiheit, gesehen. Übersehen wird dabei, daß durch die Unwiderruflichkeit der Bindung eine Dimension erreicht wird, die die Liebe in einer sonst nicht möglichen Weise zur Geltung bringt und ihre Tiefe und Schönheit offenbart, so Papst Benedikt XVI. (Antwort auf eine Frage nach Ehe und Familie bei der Begegnung des Papstes mit Priestern aus der Diözese Albano in Castelgandolfo, 31.8.2006).
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Das Prinzip der Unauflöslichkeit und seine Grenzen
Nun sind aber nach katholischem Verständnis keineswegs alle Ehen unauflöslich. Dies gilt vielmehr allein für die gültige und vollzogene sakramantale Ehe, die eine Ehe zwischen Getauften ist (can. 1141 des CIC = Codex Iuris Canonici = Codex des kanonischen Rechtes).
Zwar wird der Anspruch der Unauflöslichkeit auch für jede andere gültig geschlossene Ehe, etwa die sog. Naturehe zwischen Nichtgetauften, erhoben, das Recht setzt hier jedoch diesen Anspruch nicht durch, lässt für diese Fallgruppe vielmehr hier eine Auflösung der Ehe zu. So wird etwa eine Ehe zwischen zwei Ungetauften beendet, wenn ein Partner sich taufen lässt und eine neue (christliche) Ehe eingeht (sog. Privilegium Paulinum).
Aber auch an die nach außen hin gültig geschlossene Ehe zwischen Getauften, die Fallgruppe des can. 1141 CIC also, besteht eine Bindung nicht in jedem Fall, besteht hier jedoch die Möglichkeit, in einem gerichtlichen Verfahren nachzuweisen, dass mit der Eheschließung keine gültige Ehe zustande gekommen ist.
Dass dies keinen Widerspruch zur kirchlichen Ehelehre bedeutet, wird oft übersehen. Das Ideal der kirchlichen Ehe, das den rechtlichen Vorschriften zugrunde liegt, kann nur erreicht werden, wenn bestimmte Voraussetzungen dafür gegeben sind. Nachzuweisen, dass dies (trotz äußerer Eheschließung) nicht der Fall war, ist die Aufgabe der betroffenen Partei im Ehenichtigkeitsverfahren.
Die Ehe kommt nach kanonischem Recht durch übereinstimmende Willenserklärungen der Partner zustande (can. 1057 CIC, sog. Konsensprinzip). Der übereinstimmende Ehewille ist damit unverzichtbare Ursache für das Zustandekommen der Ehe. Der auf ein bestimmtes Eheideal – nämlich die Ehe, wie sie katholischem Verständnis entspricht – gerichtete Wille kann jedoch, aus den unterschiedlichsten Gründen, bei einem der Partner (ganz oder zum Teil) fehlen. In diesem Fall kommt eine gültige Ehe nicht zustande.
In der Situation der nichtigen Ehe fallen also äußere Erklärung und innere Willenshaltung auseinander. Ein Partner erklärt nach außen in Form der kirchlichen Trauung die Ehe, bejaht aber diese insgesamt oder eines ihrer sog. Wesenselemente, etwa die Unauflöslichkeit, innerlich nicht bzw. schließt diese für sich positiv aus.
Da es sich hierbei um eine innere Haltung handelt, ist natürlich die Frage der Beweisbarkeit entscheidend. Glaubwürdige und informierte Zeugen müssen die innere Willenshaltung bestätigen können. Zwei gleichlautende Urteile, die die Nichtigkeit der Ehe feststellen, berechtigen zur kirchlichen Wiederheirat.
Die Bedeutung der Liebe
Auf dieser Ebene kann auch die Liebe juristisch erfasst werden, kann ihr Fehlen doch das Motiv dafür sein, warum etwa die Unauflöslichkeit oder die Offenheit für Kinder, eines der Wesenselemente also, von einem der Partner in Bezug auf die konkrete Ehe nicht bejaht werden kann.
Das II. Vatikanische Konzil hat – gegenüber dem früheren, auf bestimmte Ehezwecke gerichteten Verständnis – die eheliche Liebe in den Vordergrund gestellt. Die Ehe wird dabei als eine umfassende Gemeinschaft des Lebens und der Liebe verstanden (can. 1055 § 1 CIC; Gaudium et Spes, 48). Für den Ehevertrag bedeutet dies eine Erweiterung seines Inhalts, was dann gleichermaßen den Kreis der möglichen Willensmängel und damit der möglichen Nichtigkeitsgründe erweitert.
Vergleich mit dem staatlichen Recht
Dem staatlichen Recht ist die Vorstellung eigen, Art. 6 GG, der den Schutz von Ehe und Familie zum Gegenstand hat, garantiere auch das Institut der Ehescheidung, da dieses ja Voraussetzung für eine Wiederheirat und damit für die Ausübung des von Art. 6 GG geschützten Rechts auf Heirat ist. Eine vergleichbare Vorstellung kennt auch das kanonische Eherecht. Es geht nämlich von einem Anspruch auf Nichtigerklärung einer nichtigen Ehe aus, weil ein Recht auf die Möglichkeit einer gültigen Ehe besteht. Der Unterschied zum staatlichen Recht liegt dabei natürlich darin, dass mit der Eheannulierung nur eine Feststellung bezüglich einer Situation getroffen wird, die von Anfang bestand (nämlich das Fehlen einer im Sinne des Kirchenrechts gültige Ehe). Die staatliche Scheidung stellt hingegen ein nachträgliches Ereignis, die nachträgliche Beendigung einer bestehenden Ehe dar.