Carsten Frerk ist Chefredakteur des Humanistischen Pressedienstes (hpd.de). Er ist Autor mehrerer Bücher zu Kirchenfinanzen und Mitglied im Kuratorium der Giordano-Bruno-Stiftung. Neuestes Werk »Violettbuch Kirchenfinanzen. Wie der Stadt die Kirchen finanziert« (Alibri-Verlag, )
Sie haben soeben ein Buch über Kirchenfinanzen, ein »Violettbuch«, veröffentlicht. Wie finanziert der Staat denn die Kirchen, um gleich an Ihren Untertitel anzuknüpfen?
Das »Violettbuch« konzentriert sich auf genau diese Facette – nicht etwa auf das Vermögen oder die Wirtschaftsbetriebe der Kirche. Bei einem Streifzug durch die Republik habe ich mit meinen Recherchen rund 19 Milliarden Euro gefunden, die Bund, Länder und Gemeinden jedes Jahr an die Kirchen zahlen. Das Geld wird für unterschiedliche Zwecke und für verschiedene Rechtslagen gewährt.
Welche Religionsgemeinschaften haben Sie denn untersucht?
Es sind die beiden großen »Amtskirchen«. Die evangelischen Freikirchen legen keinen Wert auf eine Kooperation mit dem Staat. Und wie die muslimischen Organisationen finanziert werden sollen, ist derzeit noch weitgehend unklar.
Wieso braucht die Kirche staatliche Zahlungen. Sie hat doch die Kirchensteuer.
Vieles von dem, was die Kirchen betreiben, wird überwiegend und vielfach sogar fast ausschließlich durch Staatshilfe finanziert. Nehmen wir als Beispiele nur die Kindertagesstätten, die Erwachsenbildung, karitative Einrichtungen usw. In der Öffentlichkeit heißt es dann: Schaut euch doch an, wieviel Gutes die Kirchen tun! Obwohl sie es nicht selber finanzieren – das ist Etikettenschwindel.
Auch wenn Sie nicht direkt danach recherchiert haben – haben Sie eine Idee, wie groß das Vermögen der Kirchen ist?
(lacht). Das weiß in Deutschland keiner genau. Jeder, der eine Zahl nennt, hat im Grunde nicht mehr als seine mehr oder weniger private Schätzung. Meine liegt bei rund 460 Milliarden Euro, was ich auch ausführlich begründen kann.
Welche Strategien hat die Kirche denn, dem Steuerzahler das Geld aus der Tasche zu ziehen?
Sie beherrscht die unterschiedlichsten Herangehensweisen. In der Begabtenförderung z. B. kann man beobachten, daß sie sich in den Reigen der Parteien, Gewerkschaften und Wirtschaftsverbände einreiht. Wer erst einmal in einem solchen Verbund drin ist, der wird dann auch nicht ausgeschlossen, wenn es um die Verteilung der Fördermittel geht.
Eine anderes Beispiel: Die Kirche hat die Notfallseelsorge als ihren eigenen Bereich definiert – was Polizei und Feuerwehr bei Unglücksfällen auch gerne als Dienstleistung in Anspruch nehmen. Und schon haben die Kirchen das Argument zur Hand, sie seien damit Teil der Katastropheneinsatzpläne und müßten dafür staatlich finanziert werden.
Stehen sich in Europa eigentlich auch andere Kirchen so gut wie in der BRD?
Nein, das gibt es nur in Deutschland. Auch andere Länder kennen die Finanzierung von kirchlichen Dienstleistungen – aber es ist einmalig, daß Kirchen durch staatliches Inkasso jedes Jahr mehr als neun Milliarden Euro Kirchensteuer einnehmen, .
Und die sollten nicht reichen?
Für ihre ursprünglichen Kernausgaben wäre das genug. Vor 50 Jahren waren sie noch »Heilskirchen« – für Verkündigungen, Gottesdienste und den Klerus würde das Geld reichen. Sie haben sich mittlerweile aber zu »Sozialkirchen« entwickelt – und die erfordern weitaus mehr Mittel.
Bei Geld versteht der Klerus bekanntlich keinen Spaß. Haben Sie nach Veröffentlichung Ihres Buches schon einschlägige Beschimpfungen erhalten?
Das nicht. Aber wie ich kürzlich erfahren habe, hat die Katholische Bischofskonferenz eine »task force« gebildet, in der Mitarbeiter aus allen wichtigen Abteilungen vertreten sind. Die haben angeblich einen Katalog mit 30 Fragen und Antworten als Gegenargumente für die öffentliche Auseinandersetzung mit meinen Recherchen erarbeitet.
Da stelle ich mir doch die Frage, wovor die Bischofskonferenz eigentlich Angst hat, wenn sie gleich eine »task force« auf einen Einzelkämpfer wie mich ansetzt. Und daß die Kirchen in Gelddingen in der Tat keinen Spaß verstehen, haben mir verschiedene Besucher des Ökomenischen Kirchentages bestätigt: Über Theologie, Ökumene und Kindesmißbrauch konnte man mit Klerikern rauf und runter diskutieren – sobald das Gespräch jedoch aufs Geld kam, wurden die Mienen starr.
Der Autor stellt das »Violettbuch« am Montag, 7. Dezember, 19.00 Uhr in der Ladengalerie der jungen Welt vor