Zitat von
Ekelbruehe
Ja, Medikamente werden in der öffentlichen Wahrnehmung nicht allzu ernst genommen, denn da fehlt so ein bisschen das 'Dreckige', wie bei Alkohol oder Heroin und wird dementsprechend nicht unbedingt als Droge angesehen, also der Konsument wird nicht auf die gleiche Stufe gestellt wie ein 'richtiger' Süchtiger.
Natürlich steckt dahinter oft die gleiche Ursache, aber Medikamentenabhängigkeit ist in unteren gesellschaftlichen Schichten eben nicht so das Suchtproblem #1.
Dem stimme ich absolut zu. Es sollte mehr in den öffentlichen Fokus gerückt werden, insbesondere da man von alarmierenden Zahlen des Zuwachses von Medikamentenverordnungen insbesondere im Bereich Psychopharmaka ausgehen kann. Nicht immer ist gewährleistet, dass dabei vorrangig zu den Medikationen gegriffen wird, die keiner Suchtproblematilk unterliegen. Häufig kommt es dabei auch zu Fehldosierungen...
Den schleichenden (konstanten) Weg in die Alkoholabhängigkeit halte ich, wenn es denn zur Alkoholabhängigkeit gekommen ist, für den ungünstigsten, was die Prognose angeht.
In solchen Fällen kann man von vielerlei verschärfenden Problemen ausgehen, hauptsächlich das soziale Umfeld ist in solchen Fällen häufig ein ständiger motivierender Begleiter, nicht abstinent zu leben.
Ähnlich sieht es aus bei Leuten, die ein theoretisch stabiles soziales Umfeld haben, aber durch langjährigen Alkoholmissbrauch dieses Umfeld zerstört haben, also der typische Absturz.
In beiden Fällen sehe ich keine Alternative außer komplette Alkoholkarenz.
Im Grunde genommen handelt es sich bei beiden Altenativen, um einen schleichenden Weg in die Sucht, da gerade bei der Alkoholabhängigkeit, wie grundsätzlich bei jeder Abhängigkeit, eine Problemeinsicht oder gar Verantwortlichkeit seitens der direkt Betroffenen vehement abgestritten und negiert wird.
Den Fall des aus Versehen abhängig gewordenen sporadischen Kneipenbesuchers, halte ich für nicht sehr häufig vorkommend, denn nur jahrelanger schwerer Alkoholmissbrauch kann dazu führen.
Das halte ich für ein Unterschätzen der Gefahr eines Abhängigwerdens. (siehe dazu meine Beiträge #97 u. #99 in diesem Strang)
Risikobetrachtung zum Thema Alkoholmissbrauch
Aus der Fachliteratur betreffend Abhängigkeitserkrankungen:
Merke
Die Gefahr der Entwicklung einer Leberzirrhose besteht schon bei einem täglichen Alkoholkonsum von 60 g bei Männern (z.B. eine Flasche Wein) und 20 g (z.B. 0,5 Liter Bier) bei Frauen.
Quelle:
Lieb et. al.: Intensivkurs Psychiatrie und Psychotherapie, Elsevier, 6. Aufl. 2008.
Wenn dann noch eine jahrelange Konditionierung entsprechender Reiz-Reaktionsmuster dazukommt, dann gibt es wohl in diesem Leben keine Umkehr mehr für die Betroffenen.
Heute gibt es doch schon einige Möglichkeiten mehr als früher, beispielsweise die gleichzeitige Einnahme sog. "Anti-Craving-Medikamente" gegen den Suchtdruck während einer gleichzeitigen Psychotherapie. Die Funktionabilität des Ganzen ist jedoch nach wie vor stark von der Einsicht, süchtig zu sein und der Einstellung der Betroffenen abhängig, wirklich von der Sucht loskommen zu wollen...
Ich bin kein Verfechter der Doktrin: Ein Mon Cheri ist ein Rückfall und ein Alkoholiker ist und bleibt ein Alkoholiker, aber in den meisten Fällen ist das wohl nicht abzustreiten, insbesondere wenn es diesen ominösen Suchtdruck gibt, der meiner Meinung nach antrainiert wurde und auch durch subtilste Reize ausgelöst werden kann, denn die Verflechtung einer langjährigen Konditionierung ist dann fester Bestandtteil des Verhaltens und auch der Persönlichkeit geworden oder anders gesagt: er ist stärker als die Persönlichkeit.
Also auch nach langjähriger Abstinenz (bei kurzfristiger sowieso) fällt ein 'Testtrinken' flach.
Der Suchtdruck ist eine Kombination aus psychischem und körperlichem Verlangen nach der jeweiligen Substanz, der zwar über einen längeren Zeitraum unbewusst angewöhnt wurde, aber nicht zwingend eines bewussten Antrainierens bedarf...
Naja, mir fällt es jetzt natürlich leicht mich zu distanzieren und den Zeigefinger rauszuholen, da es bei mir funktioniert, aber ich habe lang genug darüber nachgedacht und konnte ein Risiko ausschließen, will aber das Ganze nicht verharmlosen, was mir aber immer schwerer fällt.
Vielleicht solltest Du Dir ab und zu die miesen Zeiten der Abhängigkeit wieder ins Gedächtnis rufen und diese nachempfinden. Das sollte eigentlich eine weitere Verharmlosungstendenz verhindern.