„Nicht nur die Zahlen sind wichtig, sondern die beabsichtigte Wirkung und der Mechanismus“ meinte Prof. Dr. Gerd Bosbach, Spezialist für Statistikmissbrauch. Am 25. November machte er in der VHS Köln an Beispielen deutlich, wie die Bürgerinnen und Bürger durch Statistik oft bewusst verschaukelt werden. Kein Wunder: Dahinter stehen konkrete Interessen.
Im Vatikan lebt sich’s gefährlich
„Was ist die gefährlichste Stadt?“, beginnt Bosbach seinen Vortrag. Es sei nicht New York oder Rio, sondern der Vatikanstaat. Und warum? Weil es dort viele Besucher gibt und entsprechend viel geklaut wird. Der Vatikan-Staat hat bei vergleichsweise geringer Bevölkerung deshalb die meisten Zivil- und Strafverfahren pro Einwohner. Das Beispiel mit dem Vatikanstaat ist lustig, dieses Prinzip auf Deutschland bezogen wiederum nicht. Die in und durch Deutschland reisenden Ausländer, die Straftaten begehen, würden auch bei uns in die Ausländerkriminalität eingerechnet, um sie dann aber auf die Wohnbevölkerung umzurechnen. Dadurch entstünde das falsche Bild von hoher Ausländerkriminalität. Und jeder weiß, dass sich manche Politiker dies zu Nutze machen und damit vor allem der rechten Gesinnung eine Steilvorlage für Hetzkampagnen bieten.
Meist sind Bosbachs Beispiele lustig. Eine Meldung in einer Ausgabe der taz über die Frauenquote eines FDP-Verbandes lautete: „Wir haben den Anteil unserer weiblichen Abgeordneten um 50 Prozent erhöht“. Der Hintergrund: Zuerst waren es vier Frauen, dann sechs. So leicht können absolute und relative Zahlen eben verwirren.
Die Lüge von der Geburtenrate
Statistisches Schindluder wurde auch vom Berlin-Institut für Demografische Forschung betrieben. Das hatte nämlich vor einigen Jahren verkündet, dass jede deutsche Frau 1,36 Kinder bekäme und Deutschland damit seit 30 Jahren weltweit den niedrigsten Wert hätte. Diese Statistiklüge wurde von der Journaille selbst noch verkündet, als sie längst aufgeflogen war. Sogar ein Staatssekretär des Arbeitsministeriums wäre danach noch damit hausieren gegangen, erklärt Bosbach. Doch tatsächlich lag in dieser Zeit Deutschland im Europa der 25 auf Platz 15, selbst in Europa gab es also noch 10 Länder, in denen die Geburtenrate niedriger lag. Die Zahl war also frei erfunden. „Man wollte wohl wieder ein bisschen Panik machen“, so Bosbach, „vielleicht um demnächst die Rente mit 70 einzuführen.“ Auch der Kölner Stadt-Anzeiger übernahm diese Meldung am 18.3.2006, die dort ungefähr ein Drittel der ersten Seite einnahm.
Kommt drauf an, was man sieht: Steigen oder sinken sie?
Prof. Dr. Bosbach hatte damals das Statistische Bundespresseamt aufgefordert, Stellung zu dieser Falschmeldung zu beziehen, und sie wurde danach auch zurück genommen. Doch in den Medien kam die Korrektur nicht an, mit Ausnahme einer Sendung des NDR-Kulturradios um 23.17 Uhr. Trotzdem verkündete der Arbeitgeber-Think-Tank „Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft“ sogar noch am 25. September 2008: „Wir zeichnen uns bekanntlich durch eine der niedrigsten Geburtenraten auf der Welt aus und erfreuen uns zugleich permanent steigender Lebenserwartung.“ Da wollte auch der Kölner Stadt-Anzeiger am 7. Oktober 2008 nicht hintenanstehen und ließ seinen Artikelhelden von Seite 1 prahlen, er kämpfe gegen die „weltweit niedrigste Geburtenrate“. Was Bosbach erbost, ist, dass diese Falschinformationen offenbar unauslöschbar in den Köpfen vieler Menschen hängen bleiben und er zitiert deshalb einen Spruch des Philosophen Voltaire: „Je häufiger eine Dummheit wiederholt wird, desto mehr bekommt sie den Anschein von Klugheit.“
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