Ich kann mir nicht vorstellen, dass es bei den ganz rechten Anti- und den den halbrechten Pro-Israelhysterikern wirklich um Israel geht, obwohl sich beide Seiten ihrer wirklichen Motive wahrscheinlich (und wie üblich) gar nicht (mehr) bewusst sind, zumal da auch (wie üblich) gewisse Aspekte der Gruppendynamik zum Tragen kommen.
Es geht nicht um Israel, sondern um die Ablehnung bzw. Zustimmung zum bestehenden System in Deutschland. Die israelfeindlichen Antisem... Antizionisten (haha!) sind auch Systemgegner, die Israelfreunde nicht. Ginge es wirklich um Israel, gäbe es viel mehr "Grenzgänger", welche die beiden Einstellungen anders als die Mehrheit kombinieren.
Spätestens seit der Kanonisierung Herrn v. Weizsäckers zum Heiligen der Republik und der Erhebung seiner Rede zum 8.Mai zum quasi göttlichen Wort hat die Unterstützung Israels und das Gedenken an den HC mehr oder weniger den Rang einer ungeschriebenen zweiten Präambel des GG. Nicht dass ich gegen die Unterstützung Israels im Prinzip etwas einzuwenden hätte, aber sowohl die langfristig schwer haltbare Begründung als auch die sakralen Weihen, mit denen dieses Entscheidung eingehüllt wird, sind eher Symptome einer gewissen Gestörtheit unserer Republik als dass sie ein wirklich rationales außenpolitische Kalkül dahinter erkennen ließen.
Und was tun nun die Systemgegner? Sie greifen natürlich den "Staatskult" an. In ihrer Verbohrtheit rennen sie gewissermaßen dort gegen die Festung an, wo sie am stärksten ausgebaut ist, anstatt sich in der jüngeren Vergangenheit umzuschauen, wie man Maginotlinien überwindet. Lassen wir sie weiter anrennen, sich am §130 eine blutige Nase holen und über Weltverschwörungen fabulieren.
Israel ist nicht das Zentrum des Bösen, die verheerenden Entscheidungen der deutschen Politik in den letzten Jahrzehnten sind nicht in Tel Aviv oder Jerusalem, sondern in Bonn, Berlin und Brüssel ersonnen worden und die Probleme der Palästinenser sollten uns sowieso eine feuchten Kehricht scheren. Andererseits wird in Israel nicht das Schicksal des Abendlandes entschieden und sind seine Interessen nicht der moralische Leitststern unseres Handelns. Israel kann und wird sich selbst helfen. Es ist mittlerweile eher Europa, das der Hilfe bedarf.