Im Rahmen einer internen Diskussion über den zynischen Umgang mit Tabu-Memen kam bei mir die Frage hoch: Darf es nicht zu dekonstruierende Tabus in einer Welt geben, die ansonsten alle Werte dekonstruiert und die Dekonstruktion selbst für ein wertvolles Instrument hält?
Als Tabu-Meme wurden Kindesmisshandlung und Holocaust genannt.
Betrachten wir letzteres Mem mal genauer.
Dan [Links nur für registrierte Nutzer] bringt die Tabuisierung des Holocaust-Mems ganz gut auf den Punkt:
"So ist zu erwarten, dass eine auf Gleichheit und Gleichwertigkeit aller Opfergedächtnisse pochende, unterschiedslose Vermenschheitlichung von Leiderfahrung zu einem Schwund historischer Urteilskraft führen, gar eine Erosion von Grundbegriffen der Vernunft nach sich ziehen werde. [...]
Angesichts des Phänomens überbordender Gleichzeitigkeit ungleichzeitiger Gedächtnisse einem Imperativ historischer Urteilskraft zu folgen ist ein ebenso schwieriges wie herausforderndes UnterfangenSo reicht für den tiefgläubigen Menschen einer sakral durchdrungenen Kultur wie der islamischen – aber nicht nur für sie – die hohe und höchste Bedeutung des Holocaust für den säkularen westlichen Menschen deshalb an ein Sakrileg heran, weil dieses Ereignis der ihm zugesprochenen Absolutheit wegen aus Sicht der Tiefgläubigen gleichsam an die Stelle Gottes tritt. So wie die Aufklärung an die Stelle Gottes getreten war, so hat nunmehr deren Negation diesen höchsten aller Ränge eingenommen."
Nach Diner hat erst die Aufklärung Gott abgelöst und das Holocaust-Mem sodann die Aufklärung von der Säule des "Absoluten" verdrängt.
Darf es in einer rationalen Welt etwas Absolutes geben, das nicht hinterfragt und dekonstruiert werden darf?
"Eine besondere Rolle spielt die Praxis der [Links nur für registrierte Nutzer] in sozialwissenschaftlichen Theorien, die sich mit Identitäten oder Identifizierungen beschäftigen, wie zum Beispiel [...] in Kulturtheorien, hier werden stabile Wesenheiten und Identitäten insbesondere in machtkritischem Fokus auf ihre Ermöglichungsbedingungen zurückgeführt und politische Alternativen vorgeschlagen"
Warum sollte es unzulässig sein das Holocaust-[Links nur für registrierte Nutzer] in seiner gängigen Form machtkritisch auf seine Ermöglichungsbedingungen zurückzuführen und politische Alternativen zu diesem vorzuschlagen?