+ Auf Thema antworten
Seite 1 von 4 1 2 3 4 LetzteLetzte
Zeige Ergebnis 1 bis 10 von 34

Thema: Platos Thesen zur Demokratie -Vorbild oder Irrweg?

  1. #1
    Preuße aus Vernunft Benutzerbild von Stechlin
    Registriert seit
    16.03.2006
    Ort
    Mark Brandenburg
    Beiträge
    27.351

    Standard Platos Thesen zur Demokratie -Vorbild oder Irrweg?

    Platos Kritik an der Demokratie

    „Ich kenne keinen sicheren Weg zum Erfolg,
    aber einen sicheren Weg zum Misserfolg:
    Es allen Recht machen zu wollen.“

    Plato

    Die real existierende Demokratie scheint der Sieger der Geschichte zu sein, gehört sie doch zu den unantastbaren Dogmen der Moderne. Jedoch sind die Widersprüche derselben zu offensichtlich, den Siegerkranz voreilig zu verleihen.

    Platos Werk "Der Staat" geht im achten Buch mit der Demokratie hart ins Gericht. Und obgleich jene Gedanken vor über zweitausend Jahren niedergeschrieben wurden, ist ihr Zeugnis von überraschender Aktualität. Platos Thesen geben, wie ich finde, viele Antworten auf die Fragen, die sich aus den Widersprüchen der real existierenden Demokratie ergeben. Die Alternativen Platos mögen streitbar sein, aber ihren Sinn zu widerlegen, hieße, seine Analyse zu verwerfen.

    Plato in einem autoritären Staat das Ideal einer Gesellschaftsform, die sich vor allem dadurch auszeichnen sollte, bei "denkbar geringster Veränderlichkeit und einem Höchstmaß an statischer Vollkommenheit dem himmlischen Vorbild am nächsten zu kommen." (B. Russel: Philosophie des Abendlandes, Kapitel 13). Vorbild für nicht wenige Griechen, so auch für Plato, war Sparta, das sich vor allem durch seine Stabilität auszeichnete. Die Spartanische Verfassung erhielt sich jahrhundertelang ohne Veränderungen, was dem platonischen Ideal von Ordnung und Vollkommenheit sehr nahe kam. Wie überhaupt Sparta Platos Vorstellungen von einem gerechten Staat sehr beeinflusst hat.

    Für Plato kam nur eine aristokratische Staatsform in Frage, in der ein guter Staatsmann nur werden konnte, der die moralische Disziplin besaß, das Gute zu erkennen, und das konnten für ihn nur die Philosophen sein. Platos berühmte Maxime, in der die Könige Philosophen und die Philosophen Könige werden müssten, schlägt sich in diesem Gedanken nieder.

    Dieser Regent könnte nur aufgrund einer sorgfältigen Erziehung herangebildet werden, denn die Muße war für Plato eine unerlässliche Vorbedingung für die Weisheit, einen Staat zu lenken. Jemand, der für seinen Unterhalt arbeiten müsse, kann laut Plato nicht die nötige Weisheit erlangen, da er ja mit Arbeit beschäftigt sei.Platos Staat war deshalb in drei Klassen aufgeteilt, welche die Dreigeteiltheit der menschlichen Seele widerspiegelte:

    Vernunft – Elitewächter
    Tapferkeit – Soldaten
    Begierden – die Vielen

    Für Plato war die Weisheit die Kenntnis des Guten, und kein Mensch sündige absichtlich -ein zutiefst humanistisch-christliches Weltbild. Daraus folgerte Plato, dass, wer da weiß, was gut sei, nur rechtes tut. Das Gute sei immer im Interesse des Allgemeinen, und nur das habe im Vordergrund zu stehen.

    Die Kritik


    In der Demokratie kommt es laut Plato vor allem deshalb zu großen Schwierigkeiten, weil wechselseitig sich widerstreitende Sonderinteressen nur zu Kompromissen führten, die in ihrer Konsequenz eine Verquickung von Individualinteressen und dem allgemeinen Interesse zur Folge habe. Die Ursachen dafür sieht Plato in den Dingen, die in der real existierenden Demokratie heilige und unantastbare Dogmen sind.

    Da wäre als erstes die Freiheit zu nennen, und dazu gehört untrennbar die Redefreiheit. Jeder kann tun, was er will -natürlich im Rahmen der Gesetze, die jedoch, demokratisch veranlagt, diese absolute Freiheit garantiert. Eine solche Verfassung bedingt eine große Mannigfaltigkeit, die Plato, eingedenk seiner Vorstellung von Stabilität und Vollkommenheit, natürlich ein Dorn im Auge sein mussten. Zurecht, wie ich meine, denn eine solche Verfassung verleitet zur Beliebigkeit: "Dank der Freiheit, die in ihr (also der Verfassung) herrscht, enthält sie alle Arten von Verfassungen. Und wer eine gerechte Stadt gründen will..., der braucht anscheinend nur in eine Demokratie zu gehen und sich dort, wie in einem Trödlerladen mit Verfassungen, das Modell auszusuchen, das ihm zusagt; hat er dann seine Wahl getroffen, so kann er seine Stadt einrichten." (Plato: Der Staat, VIII. Buch, Kapitel 11).
    Plato leitet aus dieser Beliebigkeit die Gefahr einer Tyrannis ab, wenn ein jedes Interesse, welche, wie wir vorhin schon festgestellt haben, nicht notwendig am allgemeinen orientiert sein muss, in ihr seinen Niederschlag findet.

    Für Plato bestand die Gerechtigkeit unter anderem darin, dass ein jeder seinen Beruf ausfüllt. Auch hier war für Plato die Freiheit ein Hindernis auf dem Weg zu einem gerechten Staat: "Dass aber so gar kein Zwang besteht..., in dieser Stadt ein Amt zu übernehmen, auch wenn du noch so geschickt dazu bist; dass dich auch niemand zwingt zu gehorchen, wenn du nicht willst; dass du nicht in den Krieg ziehen musst, wenn Krieg geführt wird; dass du nicht Frieden halten brauchst, wenn die anderen ihn halten..., wenn dir ein Gesetzt verbietet, ein Amt zu bekleiden oder Richter zu sein, nichtsdestoweniger ein Amt bekleiden oder Recht sprechen kannst, wenn du Lust dazu hast -ist ein solches Leben für den Augenblick nicht göttlich und wonnevoll?", fragt Plato und polemisiert seine Verfassungskritik dahingehend, dass sie mehr Ungerechtigkeit produziere denn Gerechtigkeit: "Und ist die Milde, mit der man gegen einzelne Verurteilte verfährt, nicht allerliebst? Oder hast du noch nie gesehen, wie unter einer solchen Verfassung Männer, die man zum Tode oder zur Verbannung verurteilt hatte, trotzdem dableiben und mitten in der Stadt umhergehen und wie Helden daherstolzieren, als ob sich kein Mensch um sie kümmere und sie beobachte?"(ebenda).

    Plato sieht zu Recht die Gefahr, dass die Schmeichler, die Demagogen und die Selbstgerechten sich aufgrund ihres Einflusses, ihres Geldes oder ihres Redetalentes zur Macht emporschwingen, ohne über jene für Plato notwendigen Charaktereigenschaften zu verfügen, die für einen Weisen als Regenten oder Wächter, wie er sie nannte, Voraussetzung sind. Die Freiheit, seinen Neigungen und nicht seiner Bestimmung und seinem Talent zu folgen, ist für Plato ein weiteres großes Übel, welches Garant dafür ist, dass aus der Demokratie notwendig die Tyrannis sich entwickeln muss -wir erinnern uns der Tyrannei der Dreißig, die hinreichend diesem Gedankenmuster Platos folgten. Mag sein, dass man diesen Umstand nicht auf unsere heutige Zeit übertragen kann, jedoch fußt Platos Kritik auf eine historische Basis, die auch heute in einigen Aspekten ihren Ausdruck findet.

    Kommen wir noch einmal auf die Ackermänner und Platos Gesetzeskritik zurück. Er befürchtete damals schon zu Recht -antike als auch aktuelle Beispiele belegen es- eine Verwässerung der Gesetze, bzw. ihre Korrumpierbarkeit, wenn eine bestimmte Schicht von Oligarchen sich mittels ihres Reichtums von ihnen freikaufen kann. Plato schlussfolgert daraus zwingend: "Mit welcher Großartigkeit tritt diese Verfassung alles das mit Füßen und macht sich nichts daraus, von was für einer Betätigung her einer zu den Staatsgeschäften kommt, sondern hält ihn schon in Ehren, wenn er nur behauptet, er sei dem Volke wohlgesinnt." (ebenda). Kurz zusammengefasst lautet die Kritik, dass hier die Gesinnung entscheidend sei und nicht die Qualifikation. Und diese Gesinnung ist die Gesinnung der Schmeichler, die ihrerseits zwar gar keine besitzen, bzw. ihre wahre Gesinnung mit dem Mantel des Edlen zu tarnen wissen.

    Für Plato war die Vernunft das alleinige Mittel, Gerechtigkeit herzustellen. Der Vernunft jedoch gegenüber stellte er die Neigung. Als Basis aller Neigungen offenbaren sich uns die Begierden, die laut Plato nicht per se schlecht waren. Deshalb teilte er sie in zwei Bereiche: in Notwendige und nicht Notwendige.

    Die Notwendigen waren für Plato jene, die den Menschen zuvorderst Nutzen bringen sollten, wenn wir sie befriedigen. Unsere Natur zwingt uns dazu, selbigen nachzustreben. Die Grenze zwischen notwendigen und nicht notwendigen Begierden ist schwer zu erkennen, und nur der dazu in der Lage, der von Jugend an darum bemüht ist, jene Begierden abzulegen, die, das Gute zu erstreben vorgeben, meist sogar das Gegenteil bewirken. Plato fragt: "Hätten wir nicht recht, wenn wir alle diese für nicht notwendig erklärten?" (ebenda).

    Zu den notwendigen Begierden zählt Plato die Gesundheit, Brot und Fleisch, also die Befriedigung mit Nahrung. Wie schmal der Grad zwischen Notwendigem und nicht Notwendigem ist, macht Plato mit folgenden Gedanken deutlich: "Die (Begierde) nach Fleisch ist dagegen nur insofern notwendig, als sie unserem Wohlbefinden diene.(...) Wie aber steht es mit der Begierde, die sich über das hinaus auf feinere Speisen richtet und die man durch strenge Zucht von Jugend an und durch gute Erziehung den meisten abgewöhnen kann; die dem Leib schädlich sind, aber auch der Seele in ihrem Streben nach Besinnung und Besonnenheit schaden -diese würde doch sicher mit Recht als nicht notwendig bezeichnet?" (ebenda). Hier offenbart sich ein weiterer wichtiger Kritikpunkt Platos an der Demokratie. Für Plato beinhaltete das rastlose Streben nach Freiheit die Gefahr der Unersättlichkeit, die letztendlich zu Unfreiheit für diejenigen führt, die weder über die Mittel noch über den Einfluss verfügen, an der allgemeinen Freiheit zu partizipieren. Auch hier steht am Ende einer solchen Entwicklung die Tyrannis.

    Aristoteles schlussfolgerte in seiner „Nikomachischen Ethik“: "Denn um der Lust willen tun wir das Schlechte, und wegen des Schmerzes versäumen wir das Gute. Also müssen wir von Jugend dazu angehalten werden, wie Plato sagt, dass wir Freude und Schmerz empfinden, wo wir sollen." Für Aristoteles folgt daraus die Lehre: "...das Schlechte ist dem Unbegrenzten zugeordnet..., und das Gute dem Begrenzten." (Aristoteles: Die Nikomachische Ethik, Zweites Buch). Sparta lässt auch hier grüßen, doch gibt es viele Beispiele, die zeigen, welche Folgen es für unsere postmoderne Demokratie hat, diesen wichtigen Grundsatz außer acht zu lassen, und wohin unbegrenzte Freiheit der Befriedigung von Begierden zwangsläufig führen muss.

    Als rechtes Maß kann die Verschwendung nicht dienen, und diese von Plato als auch die von Aristoteles genannten Begierden führen zwangsläufig dazu.

    In der Demokratie jedoch, so Plato, führe eine gerechte Lebensweise zu Spott und Hohn, und die Bedeutungen von Tugenden werden in ihr zum Gegenteil verkehrt: "Scham, die sie Einfalt nennen...., die Besonnenheit, die sie als Unmännlich bezeichnen, treten sie mit Füßen und jagen sie davon; das Maßhalten und die geschmackvolle Beschränkung im Aufwand aber stellen sie als Spießigkeit und Knausrigkeit hin und weisen sie über die Grenze, unter dem Beistand von vielen und unnützen Begierden." (Plato: Der Staat, VIII. Buch, Kapitel 13).

    Und an folgender Stelle hören wir ganz eindeutig George Orwell an die Tür klopfen, wenn Plato dem Neusprech gleich die irreführende Bedeutung der Sprache skizziert, was zu Demagogie führt, einem Grundübel der Demokratie: "...Übermut und und Willkür, Verschwendung und Schamlosigkeit im Glanz ihrer Fackeln, bekränzt und in großer Prozession... Sie preisen sie und geben ihnen beschönigende Namen, nennen den Übermut gute Erziehung,, die Willkür Freiheit, die Verschwendung Großzügigkeit und die Schamlosigkeit Tapferkeit.". Auch hier offenbart sich, dass die politische Beliebigkeit, ein Wesensmerkmal der Demokratie, das Nicht notwendige und das Notwendige auf eine Stufe stellt: "So lebt er also Tag für Tag..., und zeigt sich willfährig jeder Begierde, die ihm gerade beifällt." (ebenda).

    Die Demokratie muss für Plato eine an den menschlichen Fehlern scheiternde Illusion bleiben, wenn die Unersättlichkeit in ihr als "höchstes Gut gilt", weil eben sie die Demokratie zerstört. Und für Plato ist Freiheit gleichbedeutend mit Unersättlichkeit. Und die Tyrannis ist die Folge der Demokratie: "...dass diese Verfassung darin unersättlich und gegen alles andere gleichgültig ist, das wandelt sie um und bringt sie so weit, dass sie der Tyrannis bedarf....Ich denke mir, wenn eine demokratische Stadt nach Freiheit dürstet, aber böse Weinschenken an ihrer Spitze bekommt und sich über den Durst am ungemischten Wein der Freiheit berauscht, dann wird sie ihre Regierenden bestrafen, wenn diese nicht ganz nachgiebig sind und ihr in reichem Maße Freiheit gewähren, indem sie sie als verbrecherisch und oligarchisch beschuldigt." (Plato: Der Staat, VIII. Buch, Kapitel 14).

    Doch neben der Maßlosigkeit gesellt sich wie einem Zwilling gleich auch die Zügellosigkeit, wenn Plato feststellt, dass der Vater sich daran gewöhnt "dem Knaben gleich zu werden, und fürchtet sich vor seinen Söhnen. Der Sohn aber stellt sich dem Vater gleich und empfindet weder Achtung noch Furcht vor seinen Eltern; denn er will eben frei sein...Der Lehrer fürchtet unter diesen Verhältnissen seine Schüler und schmeichelt ihnen; die Schüler aber haben keinen Respekt vor ihren Lehrern und ebenso wenig vor ihren Erziehern." (ebenda).

    Uns stellt sich die Frage, ob diese Erscheinungen nicht alle auf die real existierende Demokratie zutreffen? Generationenkonflikt und Jugendwahn auf der einen und Bildungsverfall, und damit einhergehend Verlotterung der Sitten und Gewalt, auf der anderen Seite? Der Generationenkonflikt scheint ebenso keineswegs eine Erscheinung der Postmoderne zu sein, wenn Plato prophetisch feststellt: "Die Alten aber lassen sich zu den Jungen herab und treiben lauter Scherze und Späße mit ihnen und gebärden sich wie Jünglinge, um ja nicht den Anschein zu erwecken, als seien sie griesgrämig oder herrisch." (ebenda).

    Plato schlussfolgerte daraus, dass diese "demokratischen Erscheinungen" die Seele des Bürgers empfindlich dafür macht, dass sie jeglichen Zwang zur Vernunft für unerträglich hält, was dazu führt, dass sie sich am Ende nicht mehr um die Gesetze kümmert, weder um die geschriebenen noch, was vielleicht noch schlimmer wiegt, um die ungeschriebenen; und das ganze nur, um keinen Herren mehr über sich zu haben. Hier sieht Plato den "schönen und jugendlich kecken Anfang" der Tyrannis: "Übergroße Freiheit schlägt offenbar in nichts anderes um als in übergroße Knechtschaft, sowohl für den Einzelnen als auch für die Stadt...Die Tyrannis [geht] aus keiner anderen Verfassung hervor als aus der Demokratie, aus der höchsten Freiheit also..., die größte und härteste Knechtschaft." (Plato: Der Staat, VIII. Buch, Kapitel 15).

    Fazit


    Die Schlussfolgerung aus Platos Demokratiekritik bleibt schwierig. Jedoch ist keinesfalls von der Hand zu weisen, dass die von Plato benannten Übel, wie das Abdriften in Zügellosigkeit, Immoralität, Willkür, Anarchie und Gesetzlosigkeit Erscheinungen sind, die der real existierenden Demokratie schwer zu schaffen machen, auch wenn über allem der scheinbare Mantel des Guten und Schönen liegt. Vielleicht nicht so sehr in den Ländern der real existierenden Demokratie offenbaren sich diese von Plato schon beschriebenen Widersprüchlichkeiten, und wenn, dann abseits der Prachtstraßen und Villenviertel. Vielmehr zeigen sich die Folgen der Maßlosigkeit und der Unersättlichkeit in der ohne Sinn und Verstand vorgenommenen Ausbeutung der natürlichen Ressourcen, der Abwertung des Menschen zum buchhalterischen Humankapital, die gnadenlose Verwertung des Menschen als seelenlose und bedürfnislose Arbeitskraft, der religiösen Verherrlichung des imaginären Marktes, und alles nur, um wenigen ein Leben in Überfluss und Schamlosigkeit zu ermöglichen, während der übergroße Rest in bitterer Armut leben muss. Die globalen Folgen der Demokratie, und mit ihr einhergehend der unerschütterliche und dogmatische Glaube an den immerwährenden Fortschritt und grenzenlosen Wohlstand, konnte Plato noch nicht erahnen, weshalb seine Schlussfolgerungen bezüglich des Werdeganges einer Demokratie unvollständig bzw. missdeutend bleiben müssen. Plato deutete das Ende der Demokratie als Tyrannis, also mit einer Herrschaft des Einzelnen. Tatsächlich ist es so, dass unsere heutige Tyrannis sich nicht in einem Einzelnen an der Spitze der Macht manifestiert, sondern in der Diktatur der Ökonomie, die von Mächten gelenkt wird, die unabhängig von Parlamenten und Gesetzen schalten und walten: die Börse und der Markt.


    Hätte Plato die Ursachen unserer heutigen Entwicklung nicht anders benannt als jene, die er der antiken Tyrannis zuschrieb?

    Mit besten Grüßen,
    NITUP.
    "Wir sind nicht in die Welt gekommen, um glücklich zu sein,
    sondern um unsere Pflicht zu tun."

    Otto von Bismarck. Schmied des Deutschen Reiches

  2. #2
    sieht auf euch herab Benutzerbild von -jmw-
    Registriert seit
    18.06.2006
    Ort
    Freiluftanstalt
    Beiträge
    61.240

    Standard AW: Platos Thesen zur Demokratie -Vorbild oder Irrweg?

    Einige interessante Punkte.
    Ist mir aber zu lang, um eine Replik zu schreiben ( ), daher nur soviel:

    Platons Demokratieverständnis ist ein antikes;

    und sein Staatsmodell hängt an ontologischen und epistemologischen Voraussetzungen, die wir nicht teilen müssen oder anders auffassen können.
    Aktueller Kalenderspruch: We have to choose between the freedom of a few professional politicians to talk and the freedom of the people to live.
    (Oswald Mosley, Fascism: 100 Questions)

  3. #3
    Entarthet Benutzerbild von EinDachs
    Registriert seit
    12.06.2006
    Ort
    Neuschwabenland, Eishöhle Ost, Hitlerallee 23
    Beiträge
    12.975

    Standard AW: Platos Thesen zur Demokratie -Vorbild oder Irrweg?

    Man sollte an der Stelle auch noch einwenden, dass Demokratie im antiken Sinne einzig und allein eine direkte, beinahe basisdemokratische Demokratie meint, keine repräsentative, deren Hauptziel ja letztlich ist, dass Demagogen und Tyrannis eben wenig Einfluss haben. Dafür gibts, ein großer Unterschied zu antiken Demokratieformen, so Einrichtungen wie Gewaltenteilungen, garantierte Rechte für den Einzelnen, u.ä. Er spricht also eigentlich von etwas doch sehr anderem, als heute aktuell ist.

    Und was Platons eigenen Entwurf angeht, so muss ich sagen, geht er zu stark davon aus, dass die jeweiligen Seelentypen idealtypischerweise bei allen Menschen eindeutig in irgendeine Richtung überwiegen. Gerade dies, lässt sich ja in der Realität nicht im geringsten Beobachten.
    Nicht nur der Wächter und der Philosophenkönig wollen Anerkennung, sondern auch der einfache Bauer.
    Und wer weise ist, liegt nun mal eben zu sehr guten Teilen im Auge des Beurteilers und ist eben nicht letztinstanzlich, objektiv zu beurteilen.
    Zu guter Letzt muss man noch sagen, dass Platons Entwurf für eine moderne Gesellschaft mit komplexer Arbeitsteilung ohnehin denkbar ungeeignet ist. Die moderne Gesellschaft besteht einfach aus mehr als Herrscher, Wächtern und Bauern.
    Es kennzeichnet die Deutschen, dass bei ihnen die Frage »was ist deutsch?« niemals ausstirbt.
    Friedrich Nietzsche

  4. #4
    sieht auf euch herab Benutzerbild von -jmw-
    Registriert seit
    18.06.2006
    Ort
    Freiluftanstalt
    Beiträge
    61.240

    Standard AW: Platos Thesen zur Demokratie -Vorbild oder Irrweg?

    Ausserdem gibt's ja noch die Nomoi, insofern ist Platon da eh ein bissl zu relativieren.
    Aktueller Kalenderspruch: We have to choose between the freedom of a few professional politicians to talk and the freedom of the people to live.
    (Oswald Mosley, Fascism: 100 Questions)

  5. #5
    Entarthet Benutzerbild von EinDachs
    Registriert seit
    12.06.2006
    Ort
    Neuschwabenland, Eishöhle Ost, Hitlerallee 23
    Beiträge
    12.975

    Standard AW: Platos Thesen zur Demokratie -Vorbild oder Irrweg?

    Ja, die vergisst man immer. Aber stimmt, nicht mal Platon selbst hat die Sache so Ernst und rigid gesehen, wie viele seiner Interpretatoren.
    Es kennzeichnet die Deutschen, dass bei ihnen die Frage »was ist deutsch?« niemals ausstirbt.
    Friedrich Nietzsche

  6. #6
    Katholik Benutzerbild von -25Grad
    Registriert seit
    30.05.2008
    Beiträge
    1.706

    Standard AW: Platos Thesen zur Demokratie -Vorbild oder Irrweg?

    Zitat Zitat von EinDachs Beitrag anzeigen
    (...) Und wer weise ist, liegt nun mal eben zu sehr guten Teilen im Auge des Beurteilers und ist eben nicht letztinstanzlich, objektiv zu beurteilen.(...)
    Genau das würde Platon bestreiten. Für ihn liegt nicht im Auge des Betrachters, wer weise ist, sondern wer weise scheint. Platon geht nämlich - so wie ich ihn verstanden habe - davon aus, daß es eine mystische Schau des Guten/des Einen gibt, die einem erlaubt tatsächlich weise zu sein, weil man durch diese Schau den Maßstab erlangt, den die anderen, die diese Schau - von der Plotin sagt : sie sei stärker als Wissen - nicht gemacht haben auch nicht besitzen.
    Und das ist ja dann auch genau die Demokratiekritik, die NITUP hier gut erklärt : ohne das Gute haben wir keinen Maßstab und wenn eine Millionen Menschen ohne den rechten Maßstab abstimmen, dann ist weiterhin völlig ungewiß ob diese das Gute ,,treffen". Ohne das Gute ist für Platon alle Mühe vergebens. Darum bekommen auch nicht irgend welche Philosophen die Macht überantwortet, die dann in einem Philosophenrat über das Gute debattieren, sondern diejenigen, die dieser Schau zugeführt werden. Leider ist das Material darüber wie Platon sich die Hinführung zu dieser Schau vorstellte sehr spärlich, da er wohl davon ausging, daß man dies schriftlich niemandem wirklich näher bringen kann.
    Mir ist auch klar, daß der Vorwurf dieses Gute/Eine sei eine religiöse Einbildung gerade für die moderne Sichtweise naheliegt und ich kann dir auch nicht versichern, daß es gewiß möglich ist, aber so wie ich Platon begreife ging er ganz fundamental von der Möglichkeit dieser Schau aus.
    ,,Glauben Sie nicht , daß ich in Tröstungen schwimme. O nein : mein Trost hienieden ist, keinen Trost auf Erden zu haben. " - Therese von Lisieux

  7. #7
    sieht auf euch herab Benutzerbild von -jmw-
    Registriert seit
    18.06.2006
    Ort
    Freiluftanstalt
    Beiträge
    61.240

    Standard AW: Platos Thesen zur Demokratie -Vorbild oder Irrweg?

    Julius Evola spricht dabei übrigens von einem "überrationalen" Wissen, dass der "Eingeweihte" besitze (oder besäße? Bin irgendwie übermüdet...)

    Wie oben schon gesagt: Eine hochproblematische Voraussetzung!
    Geändert von -jmw- (17.04.2009 um 18:18 Uhr)
    Aktueller Kalenderspruch: We have to choose between the freedom of a few professional politicians to talk and the freedom of the people to live.
    (Oswald Mosley, Fascism: 100 Questions)

  8. #8
    Entarthet Benutzerbild von EinDachs
    Registriert seit
    12.06.2006
    Ort
    Neuschwabenland, Eishöhle Ost, Hitlerallee 23
    Beiträge
    12.975

    Standard AW: Platos Thesen zur Demokratie -Vorbild oder Irrweg?

    Zitat Zitat von -25Grad Beitrag anzeigen
    Genau das würde Platon bestreiten. Für ihn liegt nicht im Auge des Betrachters, wer weise ist, sondern wer weise scheint. Platon geht nämlich - so wie ich ihn verstanden habe - davon aus, daß es eine mystische Schau des Guten/des Einen gibt, die einem erlaubt tatsächlich weise zu sein, weil man durch diese Schau den Maßstab erlangt, den die anderen, die diese Schau - von der Plotin sagt : sie sei stärker als Wissen - nicht gemacht haben auch nicht besitzen.
    Das ist mir schon klar, dass Platon dem ziemlich deutlich wiedersprechen würde, aber eben darin würd ich sagen, ist Platon ja mittlerweile nicht mehr haltbar.
    Seine gesamte Ideenlehre wurde ja bereits von Aristoteles wieder verworfen und hat eben nach wie vor den Schwachpunkt, dass sie quasi-dogmatisch die Existenz einer idealtypischen Abstarktion vorraussetzt. Dies muss aber doxa (also Meinung) bleiben, ein letztlicher Nachweis ist dafür nicht möglich.

    Und das ist ja dann auch genau die Demokratiekritik, die NITUP hier gut erklärt : ohne das Gute haben wir keinen Maßstab und wenn eine Millionen Menschen ohne den rechten Maßstab abstimmen, dann ist weiterhin völlig ungewiß ob diese das Gute ,,treffen". Ohne das Gute ist für Platon alle Mühe vergebens. Darum bekommen auch nicht irgend welche Philosophen die Macht überantwortet, die dann in einem Philosophenrat über das Gute debattieren, sondern diejenigen, die dieser Schau zugeführt werden. Leider ist das Material darüber wie Platon sich die Hinführung zu dieser Schau vorstellte sehr spärlich, da er wohl davon ausging, daß man dies schriftlich niemandem wirklich näher bringen kann.
    Mir ist auch klar, daß der Vorwurf dieses Gute/Eine sei eine religiöse Einbildung gerade für die moderne Sichtweise naheliegt und ich kann dir auch nicht versichern, daß es gewiß möglich ist, aber so wie ich Platon begreife ging er ganz fundamental von der Möglichkeit dieser Schau aus.
    Wieder: Ja, von Platons Sicht aus, absoltu richtig argumentiert. Ich meine eben nur, dass Platons Sicht da falsch war (oder sagen wir: zu dogmatisch).
    Ich halts da viel mehr mit Nietzsche, der zurecht festgestellt hat, dass das Gute und Böse per se nicht exisitieren und eben einem gesamtgesellschaftlichen Diskurs entspringen. Das trifft sich auch viel eher mit der einfachen Beobachtung, dass in einer modernen Gesellschaft die Regeln, was "gut" ist und was nicht, ja ein wenig Plato zum Trotz eben nicht verschwinden, sondern nur eben verwirrend zahlreich und miteinander in Konkurrenz sind.
    Um "Gut" zu sein, sollte man am besten klimaschonend, energiesparend, solidarisch, konsumbelebend, vorurteilslos leben und dabei nur einheimisches Biofairtradeobst von glücklichen Bäumen essen. Ich seh einfach keinen Mangel an Massstäben, kann aber die Verwirrung ob der Vielzahl selbiger schon nachvollziehen.
    Es kennzeichnet die Deutschen, dass bei ihnen die Frage »was ist deutsch?« niemals ausstirbt.
    Friedrich Nietzsche

  9. #9
    Katholik Benutzerbild von -25Grad
    Registriert seit
    30.05.2008
    Beiträge
    1.706

    Standard AW: Platos Thesen zur Demokratie -Vorbild oder Irrweg?

    Zitat Zitat von -jmw- Beitrag anzeigen
    Julius Evola spricht dabei übrigens von einem "überrationalen" Wissen, dass der "Eingeweihte" besitze (oder besäße? Bin irgendwie übermüdet...)

    Wie oben schon gesagt: Eine hochproblematische Voraussetzung!
    In der Tat, hochproblematisch, aber trotzdem sehr interessant. Leider Gottes haben diejenigen, die sich zu dieser Schau aufmachten ( Meister Eckart, Plotin z.B. ) darauf verzichtet ihre Erkenntnisse allgemein verständlich niederzuschreiben, was den Nachvollzug des Ganzen äussert schwierig gestaltet...und daß man von der Schau nicht erfolgreich sprechen kann, versteht sich ja wohl auch von selbst ( denn wie sollte man eine solche ...mir fehlen jetzt schon die passenden Begriffe...Erfahrung mit dem/das, was Plotin jenseits des Seienden verortet, schon mit der menschlichen Sprache erfolgreich ausdrücken? ) - na, egal. Daß einem die Erkenntnis nicht auf dem Silbertablett serviert wird, ist vielleicht ja eine erste Hürde, die allerdings nicht zu verachten ist.
    ,,Glauben Sie nicht , daß ich in Tröstungen schwimme. O nein : mein Trost hienieden ist, keinen Trost auf Erden zu haben. " - Therese von Lisieux

  10. #10
    sieht auf euch herab Benutzerbild von -jmw-
    Registriert seit
    18.06.2006
    Ort
    Freiluftanstalt
    Beiträge
    61.240

    Standard AW: Platos Thesen zur Demokratie -Vorbild oder Irrweg?

    Was für mich heisst, einerseits, da diese Leute ja falsch liegen können oder lügen, wenn sie behaupten, sie wüssten, wie's sei, ihre Vorschläge nur sehr dosiert anzunehmen;

    und, andererseits dies, da sie ja richtig liegen können, dem, der will, die Möglichkeit zu lassen, sich danach zu richten.

    Und schon weiss ich wieder warum ich ein Liberaler bin.
    Schön...
    Aktueller Kalenderspruch: We have to choose between the freedom of a few professional politicians to talk and the freedom of the people to live.
    (Oswald Mosley, Fascism: 100 Questions)

+ Auf Thema antworten

Aktive Benutzer

Aktive Benutzer

Aktive Benutzer in diesem Thema: 1 (Registrierte Benutzer: 0, Gäste: 1)

Ähnliche Themen

  1. Der Spiegel erklärt die Demokratie zum Auslaufmodell, China als Vorbild
    Von Gawen im Forum Gesellschaft / Soziales / Arbeit / Bildung / Familie
    Antworten: 146
    Letzter Beitrag: 07.12.2008, 18:40
  2. Gottloses Westeuropa: Vorbild oder Einzelfall?
    Von marc im Forum Theologie und Religionen
    Antworten: 82
    Letzter Beitrag: 17.09.2008, 10:59
  3. brd - Demokratie oder Demokratur ?
    Von _Systemkritiker_ im Forum Deutschland
    Antworten: 25
    Letzter Beitrag: 25.07.2007, 11:44
  4. Der Irrweg unseres Lebens
    Von Klopperhorst im Forum Gesellschaftstheorien / Philosophie
    Antworten: 23
    Letzter Beitrag: 03.11.2006, 12:32
  5. Kommunismus oder Demokratie
    Von polo im Forum Gesellschaftstheorien / Philosophie
    Antworten: 62
    Letzter Beitrag: 16.12.2005, 13:49

Nutzer die den Thread gelesen haben : 0

Du hast keine Berechtigung, um die Liste der Namen zu sehen.

Forumregeln

  • Neue Themen erstellen: Nein
  • Themen beantworten: Nein
  • Anhänge hochladen: Nein
  • Beiträge bearbeiten: Nein
  •  
nach oben