Heute ist mir wieder bei einem aus Frust vom Linksliberalen zum Neocon gewordenen User folgendes Denkmuster gerade bei Konservativen aufgefallen:
Alles an Gegenwart und Moderne ist im Zweifelsfall schlecht und alle sind *** - die Erwerbslosen, die Einwanderer und die Moslems in besonderer Weise. Nur eines ist gut und wird im Zweifelsfall mit Zähnen und Klauen verteidigt:
Der Kapitalismus X( !
In unzähligen Strängen veranstaltet ihr ein lautes Geheul über Putzfrauen, die sich in Jamaika von hübschen jungen Männern mit Rastalocken poppen lassen, doch wenn es an die Dekadenz, ja Degeneration der upper class geht, ist plötzlich Schweigen im Walde. Oder es erscheinen sogar die Duckmäuser, die da alles rechtfertigen und schön reden. Die "Kapitalisten" dürfen sich ja von Rasta-Jungs vögeln lassen, die haben schließlich hart gearbeitet, gelle
Ein konservativer Diskurs, der Wandel generell skeptisch gegenübersteht ist so ... naja: es gab in der Geschichte sowohl Veränderungen zum Besseren als auch zum Schlechteren. Oder Veränderungen mit teils guten, teils schlechten Seiten. Ich selbst bin da manchmal "konservativ", manchmal "anti-konservativ", kommt immer darauf an, worum es geht. Konservativ, wenn den Leuten ein Wandel aufgeschwatzt oder aufgezwunden werden soll, den sie nicht brauchen, von dem nur eine Minderheit profitiert oder wo sie für ein jenseitiges oder zukünftigen Generationen vorbehaltenes Glück nur noch Leid zu erwarten haben. Anti-Konservativ, wenn Konservative repressive Herrschaft und weltfremde Menschenbilder mit Zähnen und Klauen verteidigen oder Ansichten über die Welt und die Menschen zum Besten geben, die barer Unsinn sind. In der "guten alten Zeit" haben sie da manchmal rechts, aber auch links Dinge zum besten gegeben, für die heute Schulkinder mit Recht als PISA-Deppen beschimpft werden.
Aber wie kommt es, dass gerade viele harte "Vollzeit-Konservative" ihren kritischen Blick auf den Wandel so völlig einbüßen, wenn es um den Kapitalismus geht. Der ist per se und mit einer destruktiven Radikalität ein System, das den Wandel erzeugt und des Wandels bedarf. Um seiner selbst willen, um als System weiter zu bestehen! "Der Kapitalismus braucht Krisen" - diesen Satz meines Professors sollten sich alle hinter die Ohren schreiben.
Das System ist so mächtig und so auf sich selbst bezogen, das ihm sowohl tradierte Werte der Konservativen als auch emanzipatorische Ideen der Linken völlig egal sind. Mal nutzt es die einem, mal die anderen. Mal verbündet sich der Mammon mit Krone und Pickelhaube, mal mit 68er-Latzhose und Turnschuhen. Selbstverständlich ausschließlich zum eigenen Wohl. Da wird der Kaiser als Sündenbock für den verlorenen 1. Weltkrieg in die Wüste geschickt und das Kapital finanziert lieber den Hitler. Ein Menschenalter später wird mit den Gesetzen des Peter Hartz Rot-Grün endgültig gegen die Wand gefahren - auch, weil es das Kapital so will. Nach dem Abgang von Schröder und Fischer erleben unsere Konservativen - Überraschung! Überraschung! Überraschung! - dass die Union all das Chaos und den Niedergang nicht zurückdrängt, sondern ihn noch fleißig fördert. Die Armen sollen ärmer werden, die Reichen reicher - wer hätte das gedacht := Sollte Deutschland nicht mit der Frau Merkel wieder stolz werden?
Fehlanzeige!
Weil dem Kapital Tagelöhner lieber sind, wird der halbwegs bewährte Kanon von
- hochwertiger Bildung auf allen Stufen
- Ausbildung oder Studium für alle und kostenlos
- Arbeit und Erwerbstätigkeit
- Familie gründen (wie immer die aussieht )
zerschlagen, auch wenn daran IMHO Deutschland und die Deutschen kaputt gehen wird.
Weil die Ökonomie sich immer mehr von regionalen und nationalen Bindungen trennt und zu einem großen, weltweiten Wanderzirkus wird, müssen auch die Menschen mit ihr mit wandern. Den Erwerbsmöglichkeiten nach, die sie zu Hause auch "dank" des Kapitalismus nicht mehr haben. Unsere Salonkonservativen wundern sich dann, wenn seltsame Gestalten lieber Formulare ausfüllen als in Afrika oder Asien zu verhungern. Gemein was x( !?
Weil Bildung wieder zum Vorrecht der vom Kapital abhängigen Klassen wird, verkommen die öffentlichen Schulen.
Weil in all den Bereichen des Öffentlichen, welche die Gesellschaft ebenso aufrecht erhalten haben wie etwa die traditionelle Familie, "brutalstmöglich" gespart werden soll, geht es mit der Gesellschaft bergab.
Weil sich viele Menschen von Politik und Wirtschaft im Zeichen des "Turbokapitalismus" - der alles ist, nur nicht turbo - verarscht fühlen, identifizieren sie sich nicht mehr mit "Deutschland" und wandern aus (so möglich) oder gehen in die innere Emigration. Die Flucht in Traumwelten hatl - eine bessere Vergangenheit oder eine bessere Zukunft. Wobei diese Traumwelten trotz aller Gegensätzlichkeit eines gemeinsam haben dürften: den Kapitalismus dieser Welt gibt es da nicht.
Man verteidigt da als "Konservativer" oder auch Liberaler, der den Knall noch nicht gehört hat, ein System, wo die Milliardäre an der Spitze aus der Portokasse Projekte finanzieren könnten, für die sonst keiner das Geld hat. Nur tun es die Milliardäre nicht, sie kaufen lieber Firmen auf und lassen sich für den Nonsense auch noch von ihnen hörigen Journalisten feiern.
Weil die Privatsender "kostengünstig" arbeiten müssen, kommt da oft nur Dreck, dessen einziges Kriterium ist, dass er nichts kostet. Weil Kritik am System unerwünscht ist, reden da auch 99 Prozent der Journalisten und der Gäste in den Talkshows das Gleiche - ausgenommen der eine Alibi-Linke.
Weil unsere Konservativen nicht bereit sind, als wesentliche Ursache des Niedergangs zumindest auch den Kapitalimus und ein nicht autonomes, sondern ihm höriges Bürgertum zu sehen, suchen sie nach Sündenböcken. Weil sie Ursachen nicht ansprechen, soll an den Symptomen um so drastischer kuriert werden. Einwanderer deportieren? Erwerbslose in Arbeitslagern sperren? Auf Mekka Bomben schmeißen - who knows, soclhe Schwachköpfe wurden schon gesichtet. Zur Vermittlung von "Werten" wieder auf die Kirche zurück greifen? Wo der Pfarrer nach Gott Mammon allenfalls mit Wattebäuschen schmeißen darf. Todesstrafe? Leute wegen Bagatelldelikten einknasten, bis hier analog zu den USA eine Million hinter Gittern sitzen. Weil man die Korrelation zwischen Armut und Gewalt ja nicht wahr haben will.
Man braucht sich nur die Peinlichkeiten der US-amerikanischen Neocons so von Reagan bis Palin, die erbärmliche Degeneriertheit der upper class gerade in - für die Massen! - "konservativen" Systemen anzusehen, um zu begreifen, dass das nicht funktionieren wird. Mit "Zucht und Ordnung" an den Symptomen herum zu kurieren, wird nur noch mehr Leid und mehr Chaos verursachen. Der Fisch stinkt wie alle Fische von oben!