Halil Gülbeyaz: „Mustafa Kemal Atatürk. Vom Staatsgründer zum Mythos“. Parthas-Verlag, Berlin 2003, 255 Seiten, 28 Euro, ISBN 3-932529-49-9
Wer war Mustafa Kemal Atatürk, in dessen Namen innen- wie außenpolitisch bis heute türkische Politik betrieben wird? Als junger nationalistischer Militär war er maßgeblich beteiligt, die Türkei in ihren heutigen Grenzen zu schaffen. Als Politiker betrieb er später eine Öffnung zur westlichen Welt, sorgte für die Abschaffung des Sultanats und die Gründung der Republik mit einer klaren Trennung von Staat und Religion. Er führte die lateinische Schrift ein, revolutionierte die Kleiderordnung und gab den Frauen das Wahlrecht. Er gewährte zahlreichen Flüchtlingen des faschistischen Europas Exil und modernisierte mit ihrer Hilfe das Schul- und Universitätswesen sowie das Gesundheitswesen. Gleichwohl verfolgte er Oppositionelle und ethnische Minderheiten im eigenen Land skrupellos. Bis heute führt das türkische Militär in den kurdischen Gebieten einen Krieg gegen die eigene Bevölkerung.
Halil Gülbeyaz, 1962 in Iskenderun (Türkei) geboren, seit 1979 in der BRD, hat jetzt eine Biographie dieses umstrittenen Politikers vorgelegt. Er recherchierte an Originalschauplätzen und wertete dort Archive und Bibliotheken aus. Zahlreiche türkische Quellen werden damit erstmals dem deutschen Publikum erschlossen. „Gülbeyaz erzählt farbig und faktenreich,“ urteilt Gustav Seibt in der Süddeutschen Zeitung, „
doch ohne hinreichende Hintergründe. Der Leser folgt einigermaßen atemlos einer Chronik, die den erstaunlichen Aufstieg Mustafa Kemals, seine militärischen Leistungen und seine Reformen zuweilen sogar von Tag zu Tag vergegenwärtigt -
und hat doch die ganze Zeit das Gefühl, gar nicht recht zu verstehen, was vorgeht. Denn Gülbeyaz gibt kein Bild der osmanisch-türkischen Welt, ... aber auch Kemals eigene Motive bleiben im Sturm der Ereignisse undeutlich. (..) Gülbeyaz gut geschriebenes Buch verdient Leser,
die allerdings mindestens ein weiteres Handbuch daneben legen sollten.“