Nun, da man nicht nur Berichte, sondern auch Fernsehbilder von in Georgien marodierenden Gangstern in russischen Uniformen sehen kann und die Informationen über das Geschehen der vergangene Woche sich verdichten, ist es Zeit für eine vorläufige Bewertung.
Habe ich in den letzten Tagen Russland zwar bezichtigt, den Konflikt geschürt und dann überreagiert zu haben, aber im konkreten Fall des Eingreifens im Recht zu sein, sehe ich das jetzt anders. Russland hat von Anfang an gelogen und falsch gespielt, aber letztlich dafür gesorgt, dass das Kalkül des Herrn Saakaschwili aufgegangen ist.
Nehmen wir die Zerstörung Zchinwalis. Diese Stadt soll also in nicht einmal einem Tag von georgischer Artillerie fast völlig zerstört worden sein. Wir wundern und über die ungeheure Feuerkraft, welche die georgische Armee am 8.8 gehabt haben, danach aber vom Erdboden verschluckt worden sein muss.
In den Straßen der Stadt sehen wir zerstörte georgische Panzer. Es ist ganz offensichtlich, dass die russische Luftwaffe hier eine entscheidende Rolle gespielt haben muss. Ob die Russen Präzisionswaffen besitzen oder nicht, in Georgien haben sie jedenfall keine eingesetzt, wie die zerstörten Wohnblocks in Gori oder die Treffer auf das in deutschem Besitz befindliche Zementwerk in Kaspi zeigen.
Es bleibt nur der Schluss zu, dass nicht die glorreiche georgische Artillerie, sondern die russische Luftwaffe Zchinwali so zugerichtet hat. Übrigens ist dies auch schon in unabhängigen russischen Medien zu lesen.
Wir hören jetzt auch von vertriebenen Georgiern, dass die russische Luftwaffe nicht nur Zchinwali, sondern auch georgische Dörfer in Südossetien eingeäschert hat.
Noch am Abend des 8.8 verkündete der Ex-Ringer und "Präsident" Südossetiens, es habe in der Stadt 1400 Tote gegeben. Auch hier wundern wir uns, nämlich über die erstaunliche Effizienz der südossetischen "Behörden", inmitten der umkämpften Stadt schon nach einem Tag die Zahl der Toten so genau festlegen zu können, wo doch in anderen Ländern etwa nach schweren Erdbeben die Zahl der Opfer frühestens nach zwei Wochen feststeht.
Außerdem ist es erstaunlich, dass der georgische Angriff auf eine Kleinstadt an einem Tag so viele Opfer gefordert haben soll wie der ganze Libanonkrieg.
Und wo sind die Leichen? Und wo sind die Tausenden von Verletzten, die es bei so vielen Toten hätte geben müssen? Wo sind die Bilder von der Suche nach den Verschütteten? Bisher hat uns die russische Propagande im wesentlichen nur Bilder von klagenden alten Frauen, von einigen wenigen Leichen in den Straßen und einigen Verletzten im Krankenhaus von Zchinwali liefern können.
1400 oder gar 2000 Tote sind eine abstruse Propagandabehauptung. Sie ist nichts anderes als das bekannte "Haltet den Dieb!", um die Vollendung der ethnischen Säuberung Südossetiens und Abchasiens zu kaschieren.
Wo zeigte sich die angebliche Hochrüstung der georgischen Armee und wo waren die Horden von Amerikanern, Israelis oder Söldner, die angeblich in Georgien logieren sollen, um das arme, friedliche Russland und seine Schützlinge brutal zu überfallen? Spinnereien von zwanghaft russophilen Verschwörungstheoretikern!
Aber Russland setzt noch einen drauf. Die Truppen vor Ort kümmern sich nicht um den Waffenstillstand, fahren in präpotenter Manier in Georgien herum und machen ihren Präsidenten lächerlich, dessen Wort offenbar südlich des Kaukausus nicht gilt.
In Abchasien, das mit den Ereignissen in Südossetien eigentlich gar nichts zu tun hat, lässt Russland den dortigen Waffenstillstand brechen und die ethnische Säuberung des Landes vollenden. Hier wird nicht einmal der Anschein von Legalität gewahrt.
Schlimmer noch: Nun lässt es den Abschaum der Region sich über große Teile Georgiens ergießen, oft alkoholisierte südossetische, abchasische und sogar tschetschenische Banditen, die sich beim Marodieren und Plündern sogar filmen lassen.
Russland ist im Unrecht. Es hat in den Tagen zuvor provoziert, es hat gelogen und dann einen vorbereitenen Angriff gestartet.
Warum ist Saakaschwili in diese Falle gelaufen? Das ist er nicht. Es ist umgekehrt.
Was hat Russland gewonnen?
Es hat Georgien besiegt, was angesichts der Größenverhältnisse nicht wirklich überrascht.
Es hat ein paar Tausend Georgier vertrieben und kontrolliert jetzt ein paar 100 km² mehr oder weniger wertlosen Territoriums mehr.
Es hat gezeigt, dass es vozieht, politische Probleme mit militärischen Mitteln zu lösen. Dummerweise wollen die Adressaten dieser Demonstration jetzt aber gar nicht auf die Knie fallen. Nicht einmal Georgien selbst!
Russland ist in der Sackgasse.
Georgien dagegen hat die einzige Chance ergriffen, die es in diesem Konflikt hatte, nämlich ihn zu internationalisieren.
Es war klar, dass Russland nicht an einer Lösung der Streitfragen interessiert war und ist. Für Georgien sind Abchasien und Südossetien aber unüberwindliche Hindernisse auf dem Weg in die EU und in die NATO, sorgten die unklaren Grenzen durch Schmuggel und organisierte Kriminalität für eine ständige Destabilisierung des Landes und bremste das Problem wegen der generellen Unsicherheit die wirtschaftliche Entwicklung durch westliche Investitionen.
Genau dies war ja auch das Ziel der Russen.
Nun sind aber die Fronten geklärt. Es gibt keine Georgier in diesen Gebieten mehr und sie werden offiziell als besetzt betrachtet. Sie können jetzt abgeschnürt und damit ihrer wirtschaftlichen Grundlage beraubt werden.
Viel wichtiger noch: Die Russen haben genau das herbeigeführt, was sie eigentlich verhindern wollten, nämlich eine bedeutende amerikanische Präsenz in Georgien, die über ein paar Ausbilder hinausgeht. Die verlorenen Waffen werden wahrscheinlich durch modernes westliches Gerät ersetzt werden.
Wo ist also der Gewinn für Russland?