Zitat von
Bärwolf
Ich kann mich da meinen Vorrednern nur anschließen. Ich wohnte damals mit meinen Eltern am Stadtrand in Bremen/Neue-Vahr, eine der ersten Neubausiedlungen (sog. Trabantenstadt), dort wohnten auch sehr viele Borgward-Arbeiter. Da herrrschte ein bunter Mix aus Menschen unterschiedlichster Schichten (war durch sozialdemokratische Wohnlenkung so als Zukunftsmodell gewollt und ging natürlich voll in die Hose, war aber natürlich gut gemeint). Neben Borgwardleuten auch sehr viele Klöckner-Arbeiter, der Rest Lehrer, Studienräte, Schulleiter, kleine Beamte, Angestellte, etc. Mein vater war angehender Studienrat und ein Mitbegründer dieses sozialdemokratischen Paradieses. Das Ganze ging vielleicht zwei Jahre gut. Dann zogen Vertriebene, die vorher in Bundeswehrkasernen untergebracht waren zu hauf in diese Siedlung ein, überwiegend aus Ostpreußen und Schlesien, herzensgute Menschen, aber mit eben ganz eigner kultureller Prägung, die eher bäuerlich war. Da gab es dann die Ziege auf dem Balkon der Neubauwohnung und die Hühner im Keller oder dem Dachboden, der eigentlich auch als Wäscheraum gedacht war.
Jedenfalls gelang es ihnen das schöne sozialdemokratische Modell vom neuen Menschen, der sich seiner auf dem Reißbrett ausgedachten Architektur freudig unterwirft, in kürzester Zeit zunichte zu machen.
Da ich als Kind von Anfang an in dieser Umgebung mich nicht wohl fühlte, war ich instinktiv auf der Seite der Vertriebenen, mit ihren scheinbar skurillen Sitten. Sie brachten da einfach das Gewürz Menschlichkeit hinein. Die Borgward- und Klöcknerarbeiter hatten damit nicht so ihre Probleme, aber die Lehrer, Studienräte, Schulleiter und Beamte machten sich nach und nach vom "Acker" und erwarben nun Reihenhäuser, wo man wieder mehr unter sich war.
Als Borgward dicht machte, zogen auch viele Arbeiter von dort fort. Zuvor hatte der olle Borgward ab Mittags bei seinen Arbeitern gesessen und mit ihnen gemeinsam Karten gespielt, es gab nichts mehr zu tun, aber er wollte auch niemanden entlassen. Lange hat er es nicht durchgehalten. Leider.