Wann gab es schon mal sowas? Ein französischer Präsident fährt nach London und macht eine Liebeserklärung an Großbritannien. Noch vor kurzem stand im Zentrum der französischen Politik die Gegenmachbildung zur angelsächsischen Welt. Hauptwerkzeug hierzu war die EU und darin ein willfähriges Deutschland. Doch dann kam der Irak-Krieg und das Nein der Osteuropäer zur Gegenmachtbildung und ein Ja zum Bündnis mit den USA. Seit dem reifte im französischen Establishment die Erkenntnis, daß der gaullistische Versuch einer EU unter französischer Führung gescheitert ist. Wie die FAZ schrieb wird die Abkehr vom Gaullismus und damit auch von fast 60 Jahren französischer Europapolitik von der Mehrheit des französischen Establishments getragen. Folge hiervor war die Inthronierung eines anglophilen Immigranten, Nicolas Sarkozy, zum Präsidenten Frankreichs. Sarkozys neue Politik basiert also nicht nur auf seiner Persönlichkeit, sondern auf einer bewussten Entscheidung der französischen Bourgeoisie .
Und wie sieht nun die neue französische Politik aus? Der geopolitische Nachrichtendienst Stratfor beurteilt diese wie folgt: Anstatt die USA weltweit herauszufordern konzentriert sich Frankreich nun auf seine nähere Umgebung. Mit Nordafrika werden engere Bindungen angestrebt um das eigene Gewicht in Europa zu erhöhen. Werkzeug hierzu ist die Mittelmeerunion, die nach französischen Plänen nur die Mittelmeeranrainer unter den EU-Staaten als vollwertige Mitglieder haben wird, deren Rechnung aber die gesamte EU begleichen soll. Ferner wird ein engeres Bündnis mit Großbritannien angestrebt. Der Besuch von Sarkzoy in London hat zur offiziellen Gründung einer neuen Entente, der "Entente Amicable" geführt. Dieses Bündnis wird in der britischen Presse schon als "Entente Formidable" bezeichnet. In diesem Bündnis sollen die beiden UN Sicherheitsratsmitglieder ihre Politik, insbesondere ihre Nuklear, Militär- sowie ihre Politik in Internationalen Organisationen(!) koordinieren.
Als nächstes wird Sarkozy Warschau besuchen. Traditionelle französische Politik wäre es nun eine Zwischeneuropa-Union anzuregen, ähnlich der "Kleinen Entente" zwischen den Kriegen, um ein weiteres Instrument für die französische Aussenpolitik zu haben.
Diese Politik macht Frankreich nicht nur zu einem entscheidenden Player in Nordafrika und dem Nahen Osten, sondern auch zu einem Player mit einer eigenen Stimme in der Angelsächsischen Welt sowie in Osteuropa.
Der Preis dieser strategischen Entscheidung ist jedoch die Unterminierung der Deutsch-Französichen Achse und damit auch der EU. Frankreich als Mutterland des politischen Nationalismus wendet sich von seiner eigenen Kind - der EU - ab und öffnet das Tor zur Wiederkehr eines Europas, das vom Konzert der Mächte und nicht mehr von einem einzigen, gemeinsamen Bündnis geprägt sein wird.