Die SPD hat im Wahlkampf von Hessen aggressiv gegen die Aussagen von Roland Koch (CDU) zum Thema Jugendgewalt reagiert. Dabei wurden auch zahlreiche Stimmen laut, denen es bei näherer Betrachtung an Glaubwürdigkeit fehlt - wenn man nicht sogar von Täuschung sprechen muss. Hier einige Beispiele:
1. Beispiel: Härte nur bei Deutschen?
Der indischstämmige Sebastian Edathy (SPD) wandte sich gegen Vorstöße aus der Union nach einer Verschärfung des Jugendstrafrechts. Er betonte: «Das geltende Recht ist ausreichend und gibt den Richtern die Möglichkeit, angemessen differenzierte Entscheidungen treffen zu können.» Im Mittelpunkt des Jugendstrafrechts stehe der Erziehungsgedanke.
Roland Koch ging er hart an: Dem Ministerpräsidenten gehe es nicht um die Lösung von Problemen, sondern um «Stimmungsmache». «Die Kampagne, die Herr Koch gestartet hat, ist an politischer Verkommenheit kaum zu überbieten.» [...] ([Links nur für registrierte Nutzer])
Dabei forderte Edathy vor nicht allzulanger Zeit selbst Verschärfungen im Strafrecht:
"Im Interview - Schluss mit Bewährung"
"Ich denke, dass es an der Zeit ist, darüber nachzudenken, rechtsextrem motivierte Gewalttaten härter zu bestrafen. [...] Dies könnte beispielsweise bedeuten, dass die Bestrafung einer rechtsextremistischen Gewalttat grundsätzlich nicht zu Bewährung ausgesetzt werden darf." ([Links nur für registrierte Nutzer])
Änderungen am Strafgesetzbuch könnten deshalb "zur Abschreckung sinnvoll sein und ein klares Signal setzen". ([Links nur für registrierte Nutzer])
"Schluss mit Bewährung"? "Abschreckung?" Von "Erziehungsgedanken" und "differenzierten Entscheidungen der Richter" ist da keine Spur mehr. Dabei hat der Kriminologe Pfeiffer, sein Parteikollege, selbst konstatiert: Gewalttätige Migranten und Rechtsextreme seien [Links nur für registrierte Nutzer].
2. Beispiel: "Kriminelle Ausländer" - Schröder darf reden, Koch nicht?
Gehard Schröder warf Roland Koch [Links nur für registrierte Nutzer] vor. Er vermutete zudem, dass es ihm "nur um das Schüren von Ängsten ging". Wer so agiere, sollte aufhören, über Integration zu reden.
Doch Schröder selbst war einige Wochen vor der Wahl in Hamburg 1997 überhaupt nicht zimperlich, weder zum Thema Ausländerkriminalität noch in Bezug auf harte Strafen:
"Wir dürfen nicht mehr so zaghaft sein bei ertappten ausländischen Straftätern. Wer unser Gastrecht missbraucht, für den gibt es nur eins: raus, und zwar schnell! [...] Verbrechensbekämpfung kann man nicht Sozialarbeitern überlassen. Wir haben lange über die Ursachen von Kriminalität diskutiert und zuwenig über deren Bekämpfung."
[Links nur für registrierte Nutzer]
3. Beispiel: Sieht die SPD beim Migrationshintergrund nun hin oder nicht?
Hamburger SPD-Fraktionschef Neumann erweckte in einer Stellungnahme den Eindruck, dass sich die SPD um Straftaten von Migranten gekümmert habe und sich des Problems bewusst sei:
Der Innensenator will offensichtlich darüber hinwegtäuschen, dass er sich in Hamburg um das Thema Straftaten und Zuwanderungshintergrund nicht ausreichend gekümmert hat“, sagte Neumann. [...] Neumann sagte, es sei bekannt, dass ein großer Teil der Jugendgewalt auf das Konto von Tätern mit Zuwanderungshintergrund geht.
Doch an anderer Stelle ist man höchst erstaunt: In Polizeikreisen sorgt das Engagement der SPD bei diesem Thema übrigens für Verwunderung: So erinnert ein Beamter daran, dass es zu rot-grünen Regierungszeiten untersagt war, bei Meldungen über einen Vorfall zu erwähnen, ob der Tatverdächtige Ausländer gewesen sei. „Erlaubt waren nur die Begriffe Mann, Frau oder Deutscher. Wir durften über Funk nicht einmal das Wort Südländer benutzen“, erinnert ein Polizist.
[Links nur für registrierte Nutzer]
4. Beispiel: Jugendgewalt mal besorgniserregend, mal nicht?
Christian Pfeiffer, Kriminologe beim Forschungsinstitut KFN (sonst fundierte Studien zum Thema Gewaltkriminalität bei Jugendlichen und Migranten), aber auch SPD-Parteimitglied stieg in das Thema Jugendgewalt in der Sendung von [Links nur für registrierte Nutzer] am 06.01. so ein:
"Jugendliche Tötungsdelikte haben um 41% abgenommen, Raubtaten um fast 30%. Die Körperverletzungsdelikte, gut, die haben zugenommen, aber auch deswegen, weil immer mehr angezeigt wird! Jugendkriminalität geht seit 10 Jahren zurück, auch die der Heranwachsenden."
Am 14. Januar lancierte er Zahlen über die Jugendkriminalität seit 1999 in der [Links nur für registrierte Nutzer]. Er pickte sich ein bestimmtes Delikt heraus (natürlich die Körperverletzungen), von den Taten wiederum eine Untergruppe (14-18jährige) und konstatierte 66% mehr Delikte. Für den Rest sorgten die schlagzeilenhungrigen Medien, die mit Titeln wie "66% mehr Gewalt in Hessen" oder "Hessen Gewalthochburg" seine Worte aufgriffen, auch SPD-Vertreter griffen diese Schlagzeilen auf.
Doch dabei ging völlig unter:
1. Hessen ist bei der Jugendgewalt auf Platz 7, nicht Platz 1. Den stärksten Anstieg hatte nicht Hessen, sondern [Links nur für registrierte Nutzer]. In Bremen regiert ein SPD-Bürgermeister.
2. Bundesweit diagnostizierte Pfeiffer einen Anstieg von über 10%. Also die entgegengesetzte Aussage zum Statement bei Anne Will.
3. Das LKA Hessen [Links nur für registrierte Nutzer] Pfeiffer, ebenso wie der Landespolizeipräsident. Statt 66% errechnete das LKA 41%.
4. Und noch etwas ging unter, denn im Artikel der Süddeutschen hieß es außerdem laut Pfeiffer: "Kochs Regierung lasse sich nur bedingt für den Anstieg verantwortlich machen. So gebe es besonders viele Aussiedler in Hessen, die durch viele Gewalttaten auffielen."
Und schwupps, erklärt sich auch die Rate von 90% der Deutschen, die für den Anstieg verantwortlich sein sollen. Denn alle Aussiedler erhalten den deutschen Pass, das erklärte Pfeiffer wiederum nicht. Auch verschwieg er, dass "eine Regionalanalyse niedersächsischer Landkreise deutlich gemacht" habe, "daß wir den höchsten Anstieg der Tatverdächtigenzahlen von jungen Deutschen dort verzeichnen können, wo es die stärkste Einwanderung von deutschen Aussiedlern aus den früheren Ländern der Sowjetunion und aus Rumänien gegeben hat." Zitat aus seiner eigenen Studie ([Links nur für registrierte Nutzer] (Seite 41))
5. Beispiel: Jugendgewalt bei Migranten mal kulturell beeinflusst, mal nicht?
Bei Anne Will ging es auch um die Ursachen von jugendliche Ausländerkriminalität: Ebenfalls waren für Pfeiffer die sozialen Verhältnisse ausschlaggebend, dann noch die Familie; Religion, kultureller Hintergrund und ethnische Herkunft sind es nicht, berichtet die [Links nur für registrierte Nutzer].
Auch hier muss man nur Pfeiffers Studien lesen, an denen er mitgearbeitet hat:
"Zudem findet sich bestätigt, dass die elterliche Anwendung von Gewalt, die Resultat kulturell geprägter Erziehungspraxen ist, das Risiko eigener Gewalttäterschaft erhöht."
[Links nur für registrierte Nutzer] (Seite 41/42)
"Ein beachtlicher Teil von [den Gewalttätern] ist stark durch ein traditionelles Männlichkeitskonzept geprägt, das sie in ihrer familiären und kulturellen Sozialisation erlernen und das ihre Gewaltbereitschaft deutlich erhöht. Die Forschungsergebnisse sehen wir damit als Ausdruck eines Kulturkonfliktes, der sich insbesondere für solche türkischen Familien ergibt, die sich nach der Einwanderung in Deutschland stark an diesen traditionellen Rollenmustern für Männer und Frauen orientieren."
[Links nur für registrierte Nutzer] (Seite 20/21)
6. Beispiel: Der Unterschied zwischen "Stellen" und "Bediensteten"
Roland Koch wurde von der SPD vorgeworfen, massiv bei den Polizistenstellen gestrichen zu haben. Aber die SPD zählt die Stellen, die in den [Links nur für registrierte Nutzer]. Doch die stimmen nicht mit der Anzahl der tatsächlich eingestellten und eingesetzten Polizisten überein. [Links nur für registrierte Nutzer] sind seit 1999 mehr [Links nur für registrierte Nutzer], weil die Stellen unter rotgrün längst nicht alle besetzt waren, so der hessische Innenminister.
7. Beispiel: Persönliche Angriffe unter die Gürtellinie
"Ich glaube, dass Roland Koch ja eigentlich von Herzen froh war, dass dieser schreckliche Vorfall in München in der U-Bahn passiert ist." So der Kommentar von Peter Struck. Eine Entschuldigung dafür lehnte er ab. Statt dessen an die CDU gerichtet "Die kann mich mal". Ob "Merkwürdiger Mensch", "Wahlkampfhetzer" oder dieser Kommentar von Struck - manche SPD-Vertreter greifen nicht in der Sache an, sondern die Person. Eine Provokation? Dann auf jeden Fall eine, die das Thema weiter anheizen dürfte. Auf jeden Fall hatte Roland Koch keine persönlichen Angriffe gestartet, als er sich zum Jugendthema äußerte.
Ob Sebastian Edathy, Ex-Kanzler Gerhard Schröder, Hamburger SPD-Fraktionschef Neumann, Peter Struck, Christian Pfeiffer oder Andrea Ypsilanti. Die Vertreter der SPD haben sich zu fragwürdigen Tricks hingerissen, um ihrem politischen Gegner Paroli zu bieten. Sie handeln oder handelten teilweise entweder entgegengesetzt zu dem, was sie im Wahlkampf predigen, teilweise handel(te)n sie genau so, wie sie es ihrem politischen Gegner vorwerfen. Bedenklich ist dabei vor allem, dass sich selbst wissenschaftlich orienterte und bisher seriöse auftretende Forscher massiv vor den Karren ihrer Partei haben spannen lassen.
Natürlich hat auch Roland Koch in Hessen nicht alles richtig gemacht, auch ist er in der Sache angreifbar. Doch das Kernmotiv für die Wut der SPD ist zweifellos die Festsetzung der zentralen Wahlkampf-Agenda durch Roland Koch. Wer dazu beiträgt, ein Thema über mindestens zwei Jahrzehnte als Tabu zu erklären, darf sich nicht beklagen, wenn es im Wahlkampf irgendwann das politische Rampenlicht erreicht.
Ob die Strategie der SPD am Ende mit Wählerstimmen belohnt wird, wird sich am 27. Januar zeigen.