Michael Schmidt-Salomon, Giordano-Bruno-Stiftung
Auch wenn viele Indizien gegen die Richtigkeit [des] Glaubens sprechen, so können [sich echte Gläubige] in der Not doch noch hinter einem letzten Einwand verschanzen, nämlich dem Argument, dass der Kritiker die Nichtexistenz des von ihnen geglaubten Gottes nicht stringent beweisen kann.
Aus Gründen der intellektuellen Redlichkeit muss man sogar zugeben, dass dieser Hinweis durchaus berechtigt ist. Aber: Wie sollte es auch anders sein? Es ist prinzipiell so, dass Nicht-Existenzen nicht bewiesen werden können! Man könnte behaupten, unser Universum sei in Wahrheit der Verdauungstrakt eines gigantischen, blaugestreiften und doch unsichtbaren Kobolds namens "Gaga Gugelfurz" - und niemand könnte die Nicht-Existenz dieses imaginären Wesens beweisen. Allerdings: Ein solcher Beweis wäre auch nicht notwendig! Warum? Weil nicht derjenige, der die Existenz des Gugelhurz oder des christlichen Gottes bestreitet, Beweise anbringen muss, sondern derjenige, der solch gewagte Thesen vertritt.
Dieses Argument entspricht dem Sparsamkeitsprinzip des wissenschaftlichen Denkens (auch bekannt als "Ockhams Rasiermesser"), das besagt, dass man zur Erklärung eines Phänomens nicht mehr unbewiesene Annahmen einführen sollte, als unbedingt erforderlich sind. Da dieses Prinzip zum Verständnis der Wissenschaft und auch zur Abgrenzung von Wissenschaft und Religion von fundamentaler Bedeutung ist, sei an diesem kleinen Beispiel demonstriert:
Vorausgesetzt sind zwei Fakten:
1. Es gab einen Wirbelsturm.
2. Ein Baum wurde entwurzelt.
Wissenschaftlich sinnvoll wäre es, die Entwurzelung des Baumes auf einen natürlich entstandenen Wirbelsturm zurückzuführen.
Prinzipiell denkbar wäre es aber auch, zu behaupten, Außerirdische hätten die Erde inspiziert, dabei sei ein technischer Defekt an einem UFO aufgetreten, die plötzlich versagende Antriebskraft habe einen Wirbelsturm ausgelöst und beim Herabfallen des Ufos sei der Baum beschädigt worden. Um das Fehlen für Indizien für den Ufoabsturz zu erklären, könnte man weiterhin behaupten, seien Spezialagenten der CIA gekommen und hätten alle Spuren des Ufos beseitigt, um das Geheimnis außerirdischen Lebens vor der Öffentlichkeit zu verbergen und weiter ungestört mit extraterrestrischer Technik experimentieren zu können.
(...)
Wenn wir "Ockhams Rasiermesser" auf religiöse Phänomene anwenden, erhalten wir für diese weit plausiblere Erklärungen als jene intellektuellen Zumutungen, die uns von religiöser Seite abverlangt werden. So ist beispielsweise die kirchlich beglaubigte Legende, dass 1917 in Fatima angeblich Zehntausende die Sonne "tanzen" sahen, plausibler auf eine sozialpsychologisch zu interpretierende Massenhysterie zurückzuführen als auf ein wirkliches Eingreifen der vermeintlichen "Mutter Gottes".
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