Die Neugier der Bürger ist groß. Zeitweise war der Zugang wegen Überlastung
blockiert. Doch ob das online-Outing im Internet wirklich hilft, die Vergangenheit
eines Überwachungsstaates aufzuarbeiten, ist umstritten.
In Polen macht das Institut des Nationalen Gedenkens (IPN), das die
Geheimdienstakten aus kommunistischer Zeit verwahrt, Auszüge aus Politiker-
Dossiers unabhängig davon zugänglich, ob die betreffenden Personen in
kommunistischen Zeiten Kollaborateure waren oder Opfer. Ausgeblendet bleiben
Informationen über das Privatleben, Gesundheit oder sexuelle Orientierung.
Auch Dossiers über die Kaczynski-Zwillinge, die heute als Staats- und
Regierungschef das Land führen, sind einzusehen. Sie spielten früher kleinere
Rollen in der antikommunistischen Opposition. Heute jedoch gehört die
Abrechnung mit der kommunistischen Vergangenheit - rund 18 Jahre nach der
demokratischen Wende in Osteuropa - zu ihren zentralen politischen Anliegen.
Ursprünglich sollten zu diesem Zweck auch hunderttausende von Polen per
Gesetz gezwungen werden zu erklären, ob sie Spitzel der kommunistischen
Geheimpolizei SB waren oder nicht. Polens Verfassungsgericht stoppte jedoch
diesen Teil des Gesetzesprojekts der polnischen Regierung.
Bulgarische Kollaborateure im Netz
Auch Bulgarien setzt auf Vergangenheitsbewältigung per Internet. Auf Grundlage
eines neuen Gesetzes werden online die Namen von ehemaligen Kollaborateuren
veröffentlicht, wenn sie heute eine Rolle im öffentlichen Leben spielen. Anfang
September stellte die Kommission für die Archive der Darzhavna Sigurnost bereits
die Namen von 141 Abgeordneten ins Internet, die zu kommunistischen Zeiten mit
der Geheimpolizei zusammengearbeitet hatten, darunter auch der Name des
heutigen Staatspräsidenten Georgi Parwonow.
Vorreiter im online-outen von Ex-Spitzeln war die tschechische Republik. Sie
veröffentlichte bereits im März 2003 auf Papier und im Internet eine vollständige
Liste zehntausender Mitarbeiter der früheren Statni Bezpecnost (StB). Die
Slowakei, die zu kommunistischen Zeiten einen gemeinsamen Staat mit
Tschechien bildete, folgte dem Beispiel. Ab 2004 veröffentlichte sie schrittweise
online die Liste aller ehemaligen Agenten und Spitzel.
Öffentliches Leben vergiftet
Viele Historiker warnen unterdessen davor, dass die jetzt in Osteuropas neuen
Demokratien kursierenden Listen nicht einfach die Wahrheit verkünden. So
erklärten die Geheimpolizisten nicht selten Menschen zu Informanten, die nur
abgehört worden waren. Unbestritten bleibt dabei allerdings, dass viele
Menschen mit den staatlichen Sicherheitsdiensten kollaborierten, ob unter Zwang
oder freiwillig. Und das vergiftet bis heute das öffentliche Leben in vielen dieser
Länder.
Schnipsel von Stasi-Unterlagen in der Birthler-Behörde
Deutschland hat sich gegen eine Internet-Veröffentlichung von Namenslisten
hauptamtlicher oder inoffizieller Mitarbeiter entschieden. Sie verhindere eine
Bewertung des Einzelfalls, wird bei der Stasi-Unterlagenbehörde betont. "Sie
berücksichtigt nicht den Grad der Verstrickung, die Motive, die Art der gelieferten
Informationen oder auch die Tatsache, dass Täter zu Überwachten und
Betroffene zu Tätern werden konnten", erklärt eine Sprecherin der Behörde.
Abrechnung mit Stasi-Vergangenheit
In Deutschland hat jedoch gleich nach der Wiedervereinigung 1990 eine
umfassende Überprüfung aller Beschäftigten des öffentlichen Dienstes auf Stasi
Vergangenheit stattgefunden. Die Archive der früheren Staatssicherheit öffneten
sich auch früher als in allen anderen ehemals kommunistischen Ländern für
Nachforschungen. Jeder Bürger kann alle Akten einsehen, in denen sein Name
auftaucht. Seit 1992 haben rund 1,6 Millionen Menschen einen oder mehrere
Anträge auf Akteneinsicht gestellt. Insgesamt gingen etwa 2,4 Millionen Anträge
auf persönliche Akteneinsicht bei der Stasi-Unterlagenbehörde ein. Hinzu kommen
18.500 Anträge von Forschern und Journalisten.
Einen Sonderweg unter den ehemals kommunistischen Ländern Mittel- und
Osteuropas hat Ungarn gewählt. Es entschied sich gegen jegliche Form der
Abrechnung. Die ehemaligen Mitarbeiter der Geheimpolizei gerieten nie in
Bedrängnis. Der frühere Premierminister Peter Medgyessy konnte sogar dann
noch im Amt bleiben, als seine Vergangenheit als Geheimdienst-Agent enthüllt
worden war.
Quelle:
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Auch unter Berücksichtigung der Gefahr unberechtigter Bezichtigungen
(hier könnte eine unabhängige Kontrollkörperschaft eingesetzt werden)
halte ich eine vereinfachte Einsicht in die Stasiakten via Weltnetz auch
hierzulande für wünschenswert. Viele Opfer der DDR-Verbrecher sehen
aus Gründen der Langwierigkeit und des Verwaltungsaufwands von einer
Öffnung ihrer Akte ab.
Es wird Zeit, daß Spitzel, Kollaborateure und diverse Wendehälse radikal
namentlich publik gemacht werden.
Dies würde die Gesellschaft keineswegs vergiften. Wie sollen Wahrheit und
Klärung vergiftend wirken?!