Der Herzog sah über den Wald und grinste.
»Es funktioniert«, sagte er. »Überall murrt man gegen die
Hexen. Wie hast du das fertiggebracht, Narr?«
»Meiner Treu, mit Witzen. Und mit Gerüchten. Die Leute
waren ohnehin mehr oder weniger bereit, daran zu glauben.
Alle respektieren die Hexen, aber kaum jemand mag sie.«
Freitagnachmittag, dachte er. Ich muß Blumen pflücken und
mich besonders gut anziehen. Das Wams mit den silbernen
Glocken, ja. Erwartungsvolle Aufregung vibrierte in ihm.
»Ich bin sehr zufrieden«, verkündete Lord Felmet. »Wenn
es so weitergeht, verdienst du dir den Ritterstand.«
Der Narr dachte sofort an Scherz Nummer 302 -- das
Stichwort bohrte sich ins Herz eines gequälten Humors.
»Fürwahr, Onkel«, begann er und achtete nicht darauf, daß der
Herzog eine Grimasse schnitt, »wenn der Ritterstand (Ritter
stand) eine Auszeichnung ist, so darf er nie ruhen und sich
hinlegen. Andererseits: Meiner Treu, wenn ein Narr zum
Ritter wird, was geschieht dann mit...«
»Ja, ja, schon gut«, zischte Lord Felmet. Er fühlte sich
schon viel besser. An diesem Abend war sein Haferschleim
nicht versalzen gewesen, und das Schloß erschien angenehm
leer. Es raunten keine Stimmen mehr, die ihm
Unverständliches zuflüsterten.
Er nahm auf dem Thron Platz. Zum erstenmal hatte er es
dort bequem.
Die Herzogin saß neben ihm und beobachtete den Narren,
das Kinn auf die Hand gestützt. Ihr Blick besorgte ihn. Er
wußte, woran er mit Seiner Lordschaft war: Bei ihm brauchte
man nur zu warten, bis in seinem Wahnsinn die fröhliche
Phase begann. Aber Lady Felmet entsetzte ihn.
»Offenbar sind Worte außerordentlich mächtig«, sagte sie. ,
»Wahrlich, Lady.«
»Du hast dich sicher eingehend damit befaßt.«
Der Narr nickte. Die Macht des Wortes hatte ihm geholfen,
alle Schrecken der Gilde zu überstehen. Zauberer und Hexen
benutzten Worte als Werkzeuge, um bestimmte Dinge zu
erreichen, aber der Narr glaubte, daß Worte selbst Dinge
waren.
»Man kann damit die Welt verändern«, sagte er.
Lady Felmet kniff die Augen zusammen.
»Das hast du schon einmal behauptet. Ich bin noch immer
nicht davon überzeugt. Starke Männer verändern die Welt.«
Sie zögerte kurz. »Starke Männer und ihre Taten. Worte sind
nur wie Marzipan auf einem Kuchen. Du glaubst natürlich,
daß Worte wichtig sind. Du bist schwach und hast nichts
anderes.«
»Ihre Ladyschaft irrt sich.«
Die dicke Hand der Herzogin trommelte ungeduldig auf die
Armlehne ihres Throns.
»Du solltest besser in der Lage sein, diese Bemerkung zu
rechtfertigen.«
»Lady, der Herzog möchte den Wald abholzen lassen, nicht
wahr?«
»Die Bäume reden über mich«, hauchte Lord Felmet.
»Beim Reiten höre ich sie flüstern. Sie erzählen Lügen über
mich!«
Der Narr begegnete dem Blick der Herzogin.
»Aber diese Politik stößt auf fanatischen Widerstand«,
fügte der Hofnarr hinzu.
»Was?«
»Die Leute mögen so etwas nicht.«
Lady Felmet explodierte regelrecht. »Welche Rolle spielt
das schon?« erwiderte sie schrill. »Wir herrschen! Die Bürger
müssen unsere Anweisungen befolgen, wenn sie nicht
erbarmungslos hingerichtet werden wollen!«
Der Narr hüpfte umher und gestikulierte beschwichtigend.
»Dann gehen uns irgendwann die Untertanen aus,
Teuerste«, murmelte der Herzog.
»So etwas ist überhaupt nicht nötig, nein, nein!« brachte
der Narr verzweifelt hervor. »Auf drastische Maßnahmen
dieser Art könnt ihr verzichten. Es genügt, wenn ihr...« Er
legte eine kurze Pause ein, und seine Lippen bewegten sich
lautlos. »Ihr beginnt mit einem wohlüberlegten und
ehrgeizigen Plan, um die landwirtschaftliche Industrie zu
entwickeln, mittelfristig neue Arbeitsplätze in Sägemühlen zu
schaffen, weiteres Land zu erschließen und dem Räuberwesen
die soziale Basis zu entziehen.«
Der Herzog blinzelte verwirrt. »Und wie stelle ich das an?«
fragte er.
»Indem du die Wälder abholzen läßt.«
»Aber du hast doch gesagt...«
»Sei still. Felmet!« knurrte die Herzogin. Sie bedachte den
Narren mit einem nachdenklichen und durchdringenden Blick.
Nach einer Weile erkundigte sie sich: »Welche Erklärung
bietet man an, wenn man die Häuser unsympathischer Leute
zerstören möchte?«
1R »Urbane Sanierung«, sagte der Narr.
»Ich dachte daran, sie zu verbrennen.«
»Hygienische urbane Sanierung«, meinte der Narr sofort.
»Außerdem erwäge ich die Möglichkeit, auf bestimmten
Äckern und Feldern Salz auszustreuen.«
»Meiner Treu, ich nehme an, das ist hygienische urbane
Sanierung mit einem Programm für ambientale Verbesserung.
Es wäre vielleicht eine gute Idee, auch einige Bäume zu
pflanzen.«
»Keine Bäume mehr!« platzte es aus Felmet heraus.
»Oh, sei unbesorgt! Sie gehen ohnehin ein. Wegen des
Salzes. Wichtig ist nur, daß du sie gepflanzt hast.«
»Aber ich will auch die Steuern erhöhen ...«
»Fürwahr, Onkel...«
»Ich bin nicht dein Onkel.«
»Tante?« fragte der Narr zaghaft.
»Nein.«
»Fürwahr... äh, wahrlich ... Du mußt dein ehrgeiziges
Programm für die Entwicklung des Landes finanzieren.«
»Wie?« Der Herzog verlor erneut den Faden.
»Er meint, das Abholzen des Waldes kostet Geld«, erklärte
die Herzogin. Sie musterte den Narren und lächelte. Zum
erstenmal spürte er einen solchen Blick auf sich ruhen; für
gewöhnlich sah Ihre Ladyschaft so auf ihn herab, als sei er
eine schäbige kleine Kakerlake. Es gab noch immer etwas
Käferhaftes in ihren Augen, aber jetzt teilten die Pupillen mit:
Guter kleiner Käfer;
du hast einen interessanten Trick gelernt.