Gefängnis statt Stadion

Fußball-EM als Muster für fragwürdige Grundrechtseinschränkungen

Wenn heute in Lissabon die Fußball-Europameisterschaft (EM) beginnt, können dort nicht alle dabei sein, die sich eigentlich auf den Weg nach Portugal machen wollten. Wer in einer bestimmten Datei aufgeführt ist, muß damit rechnen, daß ihm sein Recht auf Reisefreiheit entzogen wird. Wenn er doch versucht, in den Südwesten der iberischen Halbinsel zu reisen, droht ihm schon in Deutschland oder spätestens dort ein unfreiwilliger Gefängnisaufenthalt. Dies kündigte jedenfalls Bayerns Innenminister Günther Beckstein (CSU) in einer Pressemitteilung vom 10. Juni 2004 an.

Dabei darf sich der konservative Hardliner vermutlich allgemeinen Beifalls sicher sein, denn die von ihm angekündigten Grundrechtseingriffe richten sich gegen so genannte Hooligans. Diese gewalttätigen Fußballfans haben in der Vergangenheit bereits viel Unheil angerichtet und beispielsweise bei der Weltmeisterschaft 1998 in Frankreich in krimineller Weise Schlägereien angezettelt und völlig Unbeteiligte schwerstens verletzt. Häufig gehören die Hooligans politisch der neofaschistischen Szene an. Niemand wird etwas dagegen haben, wenn die Polizei gegen diesen aggressiven Personenkreis wirksam einschreitet.

Aber bei dieser oberflächlichen Betrachtung wird leicht übersehen, daß die Maßnahmen gegen Hooligans ein Muster bilden, das auch in anderen Fällen, vor allem gegen politisch Mißliebige, angewandt werden kann. Daher besteht sehr wohl Anlaß, dies kritisch zu hinterfragen.

Laut Becksteins Ankündigung sind in Bayern rund 300 »gewaltbereite Fußballanhänger« bekannt und in der Datei »Gewalttäter Sport« registriert. Im typischen Behördendeutsch heißt es weiter: »Bei Vorliegen entsprechender polizeilicher Erkenntnisse müssen sie mit einem Ausreiseverbot in Form einer paßbeschränkenden Maßnahme durch die jeweils zuständige Paß- und Personalausweisbehörde rechnen.« In Verbindung mit Reiseabsichten nach Portugal seien bisher gegen dreißig Personen Meldeauflagen und Reiseverbote erlassen worden. Jeder Verstoß gegen eine Meldeauflage wird mit einem Zwangsgeld in Höhe von 250 Euro geahndet. Vor allem aber kann dann sofort auch »Unterbindungsgewahrsam« bis zu zwei Wochen Dauer angeordnet werden. Das heißt, auch wer sich noch gar nicht an Gewalttätigkeiten beteiligt hat, landet »vorbeugend« im Gefängnis. Erst recht gilt dies bei einem Verstoß gegen das Reiseverbot. Wer dieses mißachtet und doch nach Portugal reist, macht sich schon alleine deshalb strafbar und muß wiederum mit Inhaftierung rechnen.

Um all dies durchzusetzen, wird die Polizei laut Beckstein die mögliche Anreise intensiv überwachen und die Fahrtstrecken permanent kontrollieren. Schließlich sei ein ständiger Austausch von Erkenntnissen zwischen den portugiesischen Polizeibehörden, der Zentralen Informationsstelle beim Landeskriminalamt in Düsseldorf und den bayerischen Polizeidienststellen sichergestellt.

Ohne tatsächliche Hooligans in Schutz nehmen zu wollen und ohne sie auf eine Stufe mit politisch Aktiven zu stellen, fällt doch auf, daß solche Maßnahmen als Muster für die Unterdrückung beispielsweise von Globalisierungskritikern dienen können und schon gedient haben. Immer stellen sich die Fragen: Wie kommt jemand in die entsprechende Datei? Wie erfährt man davon? Welchen Rechtsschutz gibt es gegen den Eintrag? Unter welchen Voraussetzungen wird der Eintrag wieder gelöscht?

Bei der Anreise zu den Protestaktionen anläßlich des Weltwirtschaftsgipfels in Genua wurde beispielsweise ein Student vor Basel vom Bundesgrenzschutz aus dem Zug geholt. »Ihre Reise ist hier zu Ende!«, wurde ihm erklärt. Der absurde Grund: Der Student war früher wegen Teilnahme an einer Gegendemonstration gegen einen NPD-Aufmarsch zu 300 DM Geldbuße verurteilt worden, die er längst bezahlt hatte. Seither befand er sich ohne sein Wissen in der Datei LIMO, als »Links-orientierter Gewalttäter«. Wer in eine solche Datei gerät, ist praktisch der Willkür ausgeliefert und wird in seiner Reisefreiheit – sogar innerhalb der EU – gehindert. Die Ausübung demokratischer Rechte wie der Teilnahme an einer Demonstration im Ausland wird dem Betroffenen verwehrt, ohne daß er rechtzeitig gerichtlichen Rechtsschutz dagegen erlangen kann.

Dies ist auch ein Thema im Zusammenhang mit der derzeitigen Terrorismushysterie. Zur Bekämpfung des »islamistischen Terrors« gibt es beim Bundeskriminalamt eine zwischen Bund und Ländern abgestimmte »Gefährder-Datei«, in der inzwischen fast dreihundert Personen aufgeführt sind. Für die Einstufung als »Gefährder« reicht die Annahme, daß der Betreffende »politisch motivierte Straftaten von erheblicher Bedeutung« begehen werde. Die Folgen einer Speicherung können erheblich sein und über Meldeauflagen und Reiseverbote weit hinausgehen. Mit dem Zuwanderungsgesetz soll bekanntlich die rasche Abschiebung von verdächtigen »Top-Gefährdern«, wie sie der CDU-Innenexperte Wolfgang Bosbach bezeichnet, eingeführt werden. Dabei werden solche Dateien eine wichtige Rolle spielen.

Ebenfalls an Becksteins Maßnahmen erinnert der von SPD, Grünen und CDU/CSU bereits verabredete Vorschlag, im Zuwanderungsgesetz Meldeauflagen und Residenzpflichten für Personen mit »Terrorismusbezug« einzuführen. Der Verstoß gegen die Meldepflicht oder das Verlassen des eigenen Stadt-oder Landkreises führt dann allein schon zu Gefängnisstrafen.

Schließlich ist auch die Idee einer »Warndatei« nicht vom Tisch, sondern nur auf ein späteres Gesetzgebungsverfahren verschoben. In diese Datei kommt, wer eine Einladung eines Ausländers nach Deutschland ausspricht, damit er oder sie ein Einreisevisum bekommt. In der Datei bleibt man, wenn der Eingeladene in Deutschland Asylantrag stellt.

So wird in Deutschland derzeit ein Netz von Dateien aufgebaut, in die man ohne eigenes Zutun und Wissen eingetragen werden kann mit negativen Folgen für die eigene Grundrechtsausübung.
Quelle:[Links nur für registrierte Nutzer]

Diese Ausreiseverbote entbehren jeglichen rechtstaatlichen grundprinzipien.
In diesem fall muss es doch klappen das mann sich gemeinsam, ob Rechts, Links, Mitte, Unpolitisch oder Fussballfan oder Autonomer zusammen auflehnt. Es werden Grundrechte eingeschränkt und es wird akzeptiert, denn unsere Herren Politiker kommen mit dem Argument "Hooligans" oder "Terrorgefahr" und das Bürgertum kuscht und willigt ein, wenn sich jetzt nix tut wird alles nur schlimmer. Ich jedenfalls habe nicht vor mir das gefallen zu lassen.