Zitat von
Alevi_Playa
(iz)Robert Misk hat heute in der taz ausgesprochen, was viele Muslime denken: "Die neuen Xenophoben haben die "Ausländer" durch den "Islam" ersetzt, was zu Modernisierungstendenzen in der Argumentationslinie führte." Mit anderen Worten, die gute alte deutsche Ausländerfeindlichkeit (seit 2001 ja verschwunden!) versteckt sich heute geschickt im Mäntelchen der Islamkritik. Das alte Erkennungsmerkmal aller Ideologen und jeder auf Negativität beruhenden "Gegen"-Ideologie ist dabei gleich geblieben: radikale Subjektivität. Im Falle der Muslime beobachten wir den Versuch, den Konsens der Muslime und die Akzeptanz der Rechtsordnung durch die Muslime immer wieder anhand exzentrischer Einzelbeispiele in Frage zu stellen. Die Logik der Berufskritiker "wir sind gut, weil sie böse sind" ist so einfach wie die Lage auf Dauer gefährlicher wird. Heute frägt der Spiegel den BND-Chef noch vorsichtig und schüchtern, "ob ein Guantanamo auf Helgoland denkbar wäre" - was aber geschieht nach der nächsten rhetorischen Eskalationsstufe? Hier wird das alte, abgründige Problem jeder Dialektik bedeutsam: man nimmt auf Dauer die Eigenschaften selbst an, gegen die man sich angeblich definiert! Neue "Pranger"-Websites und ein privatisierter Verfassungsschutz, finanziell auffallend gut ausgerüstet und fern jedes journalistischen Ethos, stehen schon bereit, das gesellschaftliche Klima weiter negativ zu verändern. Bleibt also nur positiv zu vermerken, dass eine Debatte der ganzen Gesellschaft über die Intention und Wirkung der extremen Islamkritik beginnt. Europa, im Zeitalter des globalen Kapitalismus, muss ohne das Schüren von Feindschaft positiv definieren können, was "Freiheit, Demokratie und Menschenrechte" ausmachen, sonst liegt der Verdacht nahe, dass die Islamdebatte von einer Erosion dieser Begriffe ablenken will. Ist die Nähe von Kritik und Kapital reiner Zufall?
Die Titelstrecke des Spiegel, ein einziger Panikanfall ("Haben wir schon die Scharia hier?"), ist ohnehin nur das Symptom für eine Tendenz im Geistesleben: Die Angstlust vor dem gefährlichen Moslem grassiert. (...) Auch mancher einstige Linksliberale klingt da gelegentlich, als wäre er heute in der NPD. Längst gibt es im Internet eine eingeschworene Gemeinschaft der Kämpfer gegen die "Islamisierung". Da wird vor "Eurabia" gewarnt, markig nach dem starken Staat gerufen ("der Islam gehört verboten"), werden "Risiken und Nebenwirkungen des Mohammedanertums" debattiert, ist von "Hinterhofbetern" und "Migrationsmüll" die Rede. All das stammt nicht aus obskuren Internetforen betrunkener Skinheads aus der Provinz, sondern aus Kommentaren im populären Weblog "Politically Incorrect", das an Spitzentagen 25.000 Besucher verzeichnet. Dass es sich bei den PI-Machern nicht um Dumpfnazis aus der Eckkneipe handelt, sieht man nur an der programmatischen Kopfzeile: "Pro-amerikanisch - Pro-israelisch - Gegen die Islamisierung Europas".
Wie Misik darstellt, haben Leute, die man ansonsten mit Neonazis leicht verwechseln könnte, „die Ausländer“ lediglich durch „den Islam“ ersetzt.
Das öffnet Spielraum für die schrillsten Allianzen. Rassistische Ausländerfeinde, christliche Fundamentalisten und meschuggene rechte Juden finden sich plötzlich in einem natürlich-unnatürlichen Bündnis wieder. Der Radaupolemiker Henryk M. Broder (...) traf sich bei seiner jüngsten Wien-Tour mit dem Christenajatollah Andreas Laun. Der fordert, "christliche Einwanderer ins Land zu holen", weil sonst "die Moslems aus Europa ein durch und durch islamisches Land machen". Heinz-Christian Strache, als Führer der rechtspopulistischen FPÖ der radikale Erbe von Jörg Haider, bediente sich bei der Präsentation seines Antiislam-Vereins "SOS Abendland" wiederum bei Broders Publizistiknetzwerk "Achse des Guten".
So wächst zusammen, was zusammengehört.
"In Großbritannien werden die Sparschweine aus den Banken geräumt, weil sie die religiösen Gefühle der Muslime verletzen könnten, die im Schwein ein unreines Tier sehen", zitierte Strache aus einer der "Achse"-Enthüllungen und hob an: "Was ist eigentlich los in Europa, im freien Westen?" Blöd nur, dass die Sache frei erfunden war. Die britische Halifax-Bank, um die es ging, stellte dazu fest, "dass wir keine Sparschweine aus unseren Filialen verbannt haben - wir haben sie schon seit Jahren nicht verwendet".
Die groteske Lüge mit den von „Dhimmis“ aus Banken verbannten Sparschweinen legte Henryk Broder vor wenigen Stunden erst in SWR-„Quergefragt“ wieder vor. Er weiß vermutlich längst, was für einen Blödsinn er da erzählt - aber die meisten Zuschauer, auf die Broders Hetze abzielt, wissen es nicht. Und auch die Journalisten, die Broder immer wieder blauäugig einladen, sparen sich offenbar nur allzu gern die Mühe, seine krausen Angstphantasien auch nur minimal gegenzurecherchieren.
Selbst in George Bushs Amerika, will man, wie ich auch schon in diesem Blog berichtete, „von solchen zwielichtigen Freunden nichts wissen“ erklärt Misik und spekuliert, diese Information dürfte für den „politischen Narrensaum“ einem Schock gleichkommen. Ich glaube, dass dies vielen aus dieser Narrenschar komplett egal ist. Vielmehr bin ich überzeugt davon, dass sie sich aus exakt denselben Gründen Israel und die USA als Schutzpatrone suchen, aus denen sie auch nicht in braunen Uniformen „SIEG HEIL!“ brüllend durch die Straßen stampfen: damit ihnen zumindest nicht jeder im ersten Augenblick ansieht, um welch Geistes Kinder es sich bei ihnen handelt.
Aber auch das trifft offensichtlich nicht auf jeden zu: Bei “Politically Incorrect“ nämlich freut man sich schon wie Bolle darüber, auch nur in der taz erwähnt worden zu sein. Motto: „Scheißegal, wenn alle erkennen, wie wir drauf sind! Hauptsache, uns nimmt überhaupt mal jemand wahr.“ Auch mit dieser verzweifelten Sehnsucht unterscheiden sich PI-Kommentatoren von Skinheads, die ihre Mollies in Ausländerwohnungen schleudern, nicht. „Hauptsache, ich bin ganz groß im Fernsehen! Soll ich noch mal werfen, RTL?“
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Tja da finden sich wahrscheinlich die meisten wieder. Eigentlich könnte man dieses Forum hier schließen, da die meisten sowieso als einzige Wissensquelle PI konsultieren. Eine fatale Selektivität die sich auf die Psyche und Intelligenz auswirkt wie man sehr oft erkennen kann. Eine schon krankhaft anmutende Psychose die wahrscheinlich bei vielen leider nicht mehr geheilt werden kann und in eine Fantasiewelt führt