Man liest nicht genug Deutsch in Brüssel

dpa

"Der Konflikt zwischen Berlin und Brüssel über die Bedeutung der deutschen Sprache in Europa hat sich verschärft. Jeder dritte Europäer kennt Deutsch als Mutter- oder als Fremdsprache – aber nur jeder fünfte Französisch. Die EU ignoriert den Umstand aber.
Während deutsche Politiker immer stärker darauf drängen, alle wichtigen EU-Dokumente ins Deutsche zu übersetzen, hat die EU-Kommission in diesen Tagen mit Zurückhaltung reagiert. Sie verweist auf höhere Kosten und die Gleichbehandlung der Sprachen. „Bei der Frage, wie wir dieser Nachfrage gerecht werden können, müssen wir immer die Gleichbehandlung aller Sprachen im Sinne der Verordnung aus dem Jahr 1958 im Auge behalten“, sagte der für Mehrsprachigkeit zuständige EU-Kommissar Leonard Orban in Berlin.
Deutsche Politiker berufen sich dagegen auf das sogenannte Sprachenregime der EU. Danach haben sich die Mitgliedsstaaten neben Englisch und Französisch auch auf Deutsch als Arbeitssprache geeinigt. Die Praxis sieht anders aus. Abgeordnete und Minister beklagen, dass wichtige Dokumente wie Fortschrittsberichte zur Erweiterung, Kulturberichte und verschiedene Internetauftritte nicht ins Deutsche übersetzt werden. „Einige Dokumente habe ich schon zurückgeschickt“, sagte Bundestagspräsident Norbert Lammert. Der Vorsitzende des Europa-Ausschusses im Bundestag, Matthias Wissmann (CDU), hat Brüssel jetzt aufgefordert, die deutsche Sprache endlich gleichberechtigt zu behandeln: „Durch die jetzige Praxis werden deutsche Bürger bei der Beschäftigung mit europapolitischen Themen behindert, gleichzeitig wird dem Deutschen Bundestag die Bewertung europapolitischer Vorgänge erschwert.“
Die EU-Kommission betont, die Anforderungen an die Übersetzungsdienste seien nach der Erweiterung der Union um 12 neue Mitglieder stark gewachsen. „Mit der Erweiterung der EU auf 27 Mitgliedsstaaten ist die Zahl der offiziellen Amtssprachen auf 23 angestiegen“, sagte Orban. Er erwartet deutlich steigende Kosten, wenn die Nachfrage nach Übersetzungen aus Deutschland, Italien, Spanien und anderen Ländern im vollen Umfang befriedigt werden soll. „Solange es möglich ist, für eine Handvoll Maltesisch- oder Gälisch-Sprecher einen entsprechenden Übersetzungsapparat vorzuhalten, kann es ja wohl nicht unangemessen sein, dies auch für die meistgesprochene Sprache in der EU zu tun“, empörte sich die CDU-Haushaltsexpertin im Europäischen Parlament, Inge Gräßle.
Jeder fünfte EU-Einwohner ist heute deutscher Muttersprachler. Jeder dritte Europäer spricht Deutsch als Mutter- oder als Fremdsprache. Zum Vergleich: Nur 23 Prozent der EU-Bevölkerung sprechen französisch.
Die EU-Kommission will den Streit nun entschärfen. „Wir brauchen pragmatische Lösungen und müssen Vorstellungskraft und Kreativität beweisen“, erklärte Kommissar Orban. Im Klartext: Wer mehr Übersetzungen will, muss mehr zahlen. Dabei sind die Übersetzungskosten beträchtlich. Laut Europäischem Rechnungshof liegt der Durchschnittspreis pro Seite bei 166 Euro. Allein im Jahr 2005 übersetzten 2660 Dolmetscher insgesamt 2,9 Millionen Seiten. "

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Könnte man das Problem vermeiden, indem Deutschland die Kosten für die gewünschten Übersetzungen übernimmt? Oder sollte das vom deutschen Finanzbeitrag an Brüssel ohnehin abgedeckt sein?