"Die USA sind die beste Demokratie,
die man sich für Geld leisten kann."

Greg Palast

Was bedeutet Glaubwürdigkeit? Eine Antwort wäre, daß derjenige Glaubwürdigkeit besitzt, der nur die Moral und Ethik von anderen einfordert, welche er auch für sich selbst zum Standard gemacht hat. Einen Heroindealer würde ja auch niemand zum Drogenberater erklären wollen.

Seit 1977 veröffentlicht das US-Außenministerium jährlich seinen "Menschenrechtsreport", so auch wieder am 6. März dieses Jahres. Eine an sich sehr löbliche Sache, bringen doch die USA damit ihre Sorgen um die Menschenrechte zum Ausdruck. Wie im jeden Jahr sind in diesem Bericht wieder all jene "Schurkenstaaten" aufgezählt, die in Sachen Menschenrechte nicht die Standards erreichten, welche die USA gerne sähen. Von Brasilien über Kuba, Venezuela, Rußland, China, Indien bis hin zu Bolivien bekommt jeder wieder sein Fett weg - nur nicht der Berichterstatter selbst; und der hätte es bitter nötig.

Der Protest gegen diese Heuchelei und Instrumentalisierung der Menschenrechte beschränkte sich in der Vergangenheit meist auf harmlose Apelle an die USA, die meist im Strom der Zeit verschwanden. Auch in diesem Jahr legten wieder die im Bericht angesprochenen Länder Protest gegen die Doppelstandards in Sachen Menschenrechte ein.

China dagegen veröffentlicht seit einigen Jahren selbst einen Bericht über die Menschenrechtslage in den Vereinigten Staaten von Amerika, da man sich diese Heuchelei nicht länger gefallen lassen will. Das chinesische Informationsbüro des Staatsrates veröffentlichte gestern diesen Bericht, der die USA als "höchste Moralinstanz" und Weltgendarm der Scheinheiligkeit und Doppelmoral überführt.
Obwohl die USA selbst schwerste Verstöße gegen die Menschenrechte sowohl im eigenen Land als auch im Irak oder Afghanistan vorweisen, habe sich - so liest man es im chinesischen Bericht - "das US-Außenministerium erneut als Menschenrechtspolizei aufgespielt" und "mit dem Finger auf über 190 Länder gezeigt, einschließlich China." Von ähnlichen Verstößen der USA dagegen kein Wort. Weiter heißt es: "Um den Völkern der Welt ein besseres Verständnis über die Lage in den USA zu vermitteln und um die Menschenrechte zu fördern, hat sich die Volksrepublik China entschlossen, diesen Bericht anzufertigen."

Im chinesischen Menschenrechtsbericht werden eine Reihe schwerer Verstöße gegen die Menschenrechte als auch gegen diverse UNO-Konventionen seitens der USA zur Sprache gebracht, so z.B. die zunehmende Ausspitzelung der Privatsphäre der US-Bürger durch 16 (!) US-Geheimdienste, die mangelnde Demokratie im US-amerikanischen Alltag, Kinderarbeit, Rassismus, Mißhandlungen in zivilen US-Gefängnissen und die Diskriminierung der US-amerikanischen Frauen am Arbeitsplatz. Ebenfalls angeprangert werden im chinesischen Bericht das Herrenmenschenauftreten der US-Besatzer in Irak, die den massenhaften Tod irakischer Zivilisten bei sogenannten Sicherheitsoperationen billigend in Kauf nehmen.
Wichtig sind in diesem Zusammenhang die Quellen, auf welche sich das Informationsbüro des chinesischen Staatsrates bezog: Berichte von diversen Menschenrechtsorganisationen, Medienartikel und nicht zuletzt Statistiken der US-Regierung.

Von elemantarer Wichtigkeit ist der Abschnitt des Berichtes, der sich mit der Demokratie in den USA an sich beschäftigt, da hier einige höchst interessante und nicht zu widerlegende Fakten geäußert werden. Die USA selbst sehen sich, so heißt es weiter im Bericht, "als Leuchtfeuer der Demokratie". Die Wirklichkeit dagegen sieht vollkommen anders aus, und könnte konträrer zur US-Propaganda nicht sein. Hier bezog man sich auf eine äußerst aufschlußreiche Veröffentlichung des US-amerikanischen "Center for Responsive Politics" vom 29. Oktober 2006: Bei den Kongresswahlen im Jahre 2004 hatten nur jene Kandidaten eine Chance gewählt zu werden, die vorher mindestens eine Million Dollar an Wahlkampfspenden gesammelt hatten. Ein Sitz im US-Senat kostet im Schnitt sieben Million Dollar. Der Wahlkampf 2006 verschlang die unglaubliche Summe von 2,4 Milliarden Dollar. Das veranlaßte den Schriftsteller Greg Palast zu folgender Aussage, welche die Problematik auf den Punkt bringt: "Die USA sind die beste Demokratie, die man sich für Geld kaufen kann."

Der Bericht enthält auch "schockierende Ungerechtigkeiten" über das US-Justizsystem. Menschen, in der Regel Arme, Schwarze oder Hispanier, werden ohne ein faires Verfahren oder gar ohne ein rechtskräftiges Urteil aus ihren Häusern geholt und ins Gefängnis geworfen. Dort erwartet sie nicht selten Folter und Mißhandlungen, die laut UNO-Berichterstatter Manfred Nowak in US-Gefängnissen weit verbreitet sind. Viele dieser "Folterkader" fanden sich in Abu-Grahib oder Guantanamo wieder, um ihr "erlerntes Handwerk" auch dort an den "Mann" zu bringen.

Abschließend fordert der Bericht des chinesischen Staatsrates die US-Regierung auf, "ihre eigenen Menschenrechtsprobleme einzugestehen und damit aufzuhören, sich unter dem Vorwand der Menschenrechte in die inneren Angelegenheiten anderer Länder einzumischen."


Wer einen Heroindealer zum Drogenberater macht, erweist der Drogenprävention einen Bärendienst; wer die Menschenrechte für seine eigenen politischen Ambitionen mißbraucht, wird gleiches erleben - von der moralischen Verwerflichkeit und der Paralysierung der Menschenrechte mal ganz zu schweigen. Der chinesische Bericht sollte Flichtlektüre für all jene sein, die sich vom Bild der ach so um Freedom and Democracy bemühten USA immer noch blenden lassen.

In meinem Beitrag geht es mitnichten darum, Menschenrechtsprobleme in anderen Ländern mit denen der USA aufzurechnen. Aber wenn sich eine Weltmacht hinstellt und mit dem Finger auf andere zeigt, obwohl sie selbst im Morast der Heuchelei und Doppelmoral versinkt, dann ist das weder im Sinne der Menschenrechte noch Glaubwürdig.

Quelle: junge Welt vom 09.03.2007



Alles Gute, das nicht auf moralisch-gute Gesinnung gepfropft ist,
ist nichts als lauter Schein und schimmerndes Elend.


Immanuel Kant