Die wichtigsten Punkte der neuen EU-Verfassung
Mit der Einigung der EU-Staats- und Regierungschefs bei ihrem Gipfel in Brüssel hat die geplante europäische Verfassung eine entscheidende Hürde genommen. Am Freitag wurden letzte Streitfragen geklärt, die das Abstimmungsverfahren in der Europäischen Union und den Stabilitätspakt betrafen.
Der Einigung vorausgegangen waren jahrelange Vorbereitungen im EU-Konvent, ein gescheiterter Gipfel im Dezember und mühselige Verhandlungen. Der Text, der der erweiterten EU effizientere Entscheidungsverfahren und Strukturen geben soll, muss noch in allen 25 Staaten ratifiziert werden - angesichts von Volksabstimmungen in euroskeptischen Ländern eine hohe Hürde. Die wichtigsten und die kontroversen Inhalte:
EU-Ratspräsident: Statt von der bisher alle sechs Monate rotierenden Präsidentschaft wird die EU künftig zweieinhalb Jahre lang von einem Ratspräsidenten geführt und nach außen vertreten. Das Mandat kann erneuert werden.
Außenminister: Um die künftige gemeinsame Außenpolitik zu koordinieren und in der Welt zu vertreten, soll es einen EU-Außenminister geben. Bislang wurde die EU in solchen Fragen vom Trio aus der Ratspräsidentschaft, einem Außenkommissar und dem außenpolitischen Beauftragten vertreten. Partnern der EU war nicht immer klar, wer wofür zuständig ist.
EU-Kommission: Bei der Größe der künftigen EU-Kommission wird bis 2014 jedes Mitgliedsland einen Kommissar stellen können. Danach soll die Kommissionsstärke auf zwei Drittel der Mitgliedstaaten begrenzt werden, was bei einer EU der 27 Mitglieder 18 Kommissare bedeuten würde. Sie sollen im Rotationsprinzip wechseln, wobei die demografische und geografische Größe aller Mitgliedsstaaten berücksichtigt wird.
Mehrheitsentscheidungen: Um Entscheidung in Europa transparenter zu gestalten, wird ab November 2009 die doppelte Mehrheit eingeführt. Dann sollen die meisten EU-Ratsentscheidungen mit Zustimmung von mindestens 55 Prozent der Mitgliedsländer und mindestens 65 Prozent der EU-Bevölkerung fallen. Gegen eine Entscheidung kann Veto eingelegt werden, wenn mindestens vier Staaten dagegen sind. Bisland mussten viele Entscheidungen einstimmig gefält werden.
Erhöhte Quoren bei sensiblen Fragen: Bei zahlreichen Entscheidungen der Wirtschafts- und Währungspolitik und anderen Bereichen mit eingeschränkten Kommissionsbefugnissen wie Teilen der Innen- und Justizpolitik können Entscheidungen noch leichter blockiert werden. Jedem Beschluss müssen 72 Prozent der Staaten und 65 Prozent der Bevölkerung zustimmen. Diese Quoren sind deutlich höher als die Schwellen von 55 und 65 Prozent bei anderen Themen mit Vorschlagsrecht der Kommission.
EU-Parlament: Gestärkt wird die Kompetenz des Europaparlaments. Mehr Rechte erhält es in der Agrar-, Struktur-, Justiz- und Innenpolitik. Hier werden die Abgeordneten gleichberechtigte Mitgesetzgeber. Auch in Haushaltsfragen bekommt das Parlament umfassende Mitspracherechte. Als Entgegenkommen an kleinere EU-Staaten wird die Mindestzahl der Europaabgeordneten von derzeit drei pro Land auf später sechs erhöht. Große Länder müssen bei einem auf maximal 750 Abgeordnete begrenztem Parlament künftig Sitze abgeben. Für Deutschland sind das drei der gegenwärtig 99 Sitze. Die Zahl der Abgeordneten steigt von jetzt 732 Abgeordneten auf 750.
Stabilitätspakt:Deutschland setzte sich mit der Forderung durch, dass die EU-Kommission bei der Überwachung nationaler Haushaltsdefizite weniger Kompetenzen erhält als im Entwurf der Verfassung vorgesehen. Zwar darf sie künftig die Feststellung eines Defizits vorschlagen, in Bezug auf die daraus folgenden Maßnahmen kann sie jedoch lediglich eine Empfehlung aussprechen, die eine qualifizierte Mehrheit der EU-Mitglieder zurückweisen kann. Diese Frage sorgte bis zum Ende des Gipfels für heftiges Tauziehen vor allem mit den Niederlanden.
Gottesbezug: Polen und andere Länder scheiterten mit dem Versuch, einen Gottesbezug in der Präambel der Verfassung zu verankern. Stattdessen gibt es nur einen Bezug auf das "kulturelle, religiöse und humanistische Erbe Europas".
Nach der politischen Einigung von Brüssel muss der endgültige Vertragstext nun geschrieben und übersetzt werden, bevor er von den 25 Staats- und Regierungschefs der EU förmlich unterzeichnet werden kann. Danach muss die Verfassung für Europa, die künftig für über 450 Millionen Menschen gelten soll, in allen Mitgliedsländern ratifiziert werden. Dafür sind zwei Jahre vorgesehen. Ein Referendum wird es in Deutschland nicht geben.