Trotz engmaschiger Abschirmung ist dem US- Präsidenten George W. Bush bei seiner Reise durch Lateinamerika das Problem der Armut nicht verborgen geblieben. Die Proteste der Armen und Benachteiligten, die Bush in Brasilien, Uruguay, Kolumbien, Guatemala und Mexiko begleiteten, waren unübersehbar. Die USA-nahen Eliten Lateinamerikas haben mit ihren Rezepten bisher nur wenig Erfolg gehabt, schlimmer noch: Die Reichen wurden reicher, die Armen ärmer. Und ob Bushs neues Bekenntnis zur Armutsbekämpfung eine Wende zum Besseren bringen könnte, wurde in Mexiko schon in Frage gestellt, bevor der US-Präsident wieder abgereist war. Ein grosses Ablenkungsmanöver, schrieb die Zeitung "Reforma" am Mittwoch.
Die Armut in Lateinamerika ist nach Meinung der meisten Analysten das Problem, zu dem der reiche Norden zu lange geschwiegen hat. Aus der Armut beziehungsweise der ungerechten Verteilung der Reichtums erwachsen der Reihe nach die übrigen Probleme: Kriminalität, Gewalt, Korruption, Diskriminierung der Minderheiten und die Macht der Banden und Drogenkartelle. Aus alldem resultiert die zunehmende Verzweiflung der Menschen, die ohne Arbeit in ihrer Heimat keine Zukunft haben und die es zur Flucht nach Norden ins "gelobte Land" treibt. Die Folge sind auch der wachsende Antiamerikanismus und neue linke Regierungen, die mit sozialistischen Ideen den Reichtum neu verteilen wollen.
Kriminalität und Drogenhandel
Mexiko hat - noch - keine linksorientierte Regierung. Der konservative Präsident Felipe Calderon bekriegt die organisierte Kriminalität und die Drogenkartelle mit Armee und Bundespolizei. Diese demonstrieren tagtäglich ihre Macht. Allein in der Zeit, die Bush und Calderon auf einer Hacienda in Yucatan verbrachten, wurden in Mexiko fünf Polizisten umgebracht. Wegen dieses Machtkampfes zwischen Staat und Kartellen forderte Calderon die USA auf, Mexiko mehr im Drogenkrieg zu unterstützen. Auch die Mexikaner wissen, dass dieser Krieg mit militärischer und polizeilicher Gewalt nicht zu gewinnen ist. Bush sicherte zu, er werde alles tun, um den Drogenkonsum in den USA zu reduzieren, also die Nachfrage nach Opium und Marihuana zu verringern.
In Lateinamerika ist der Drogenhandel ein Riesengeschäft, nicht nur für die Kartelle. Diese haben mit den vielen Dollars aus den USA die Staaten unterwandert, und viele Menschen verdanken diesem Geld ihr Auskommen: Fischer, die Drogen transportieren oder aus dem Meer fischen, um es an die Kuriere zurückzugeben. Bauern, die heimliche Landepisten für Drogenflugzeuge anlegen und die Pflanzen anbauen, und alle, die sich bestechen lassen, einschliesslich der Kirchen, die Drogengelder als Almosen annehmen, um damit Gutes zu tun.
Bush als Mörder beschimpft
Dass die Reise von Bush nichts bewirken würde, stand für die mexikanische linke Tageszeitung "La Jornada" von vorneherein fest. Bush ist eine Gefahr für Mexiko, schrieb sie in einem Kommentar. Er führt eine Regierung der Reichen und regiert mit den Reichen für die Interessen der Reichen. Und Mexiko wolle er als "elementare Quelle des Reichtums des Bush-Clans" sicherstellen. Kein Wunder, dass Demonstranten in Yucatan Bush hasserfüllt als Mörder beschimpfen.
Ganz böse Zungen gehen sogar davon aus, dass der Bush Clan vom Drogenhandel profitiere
Der kolumbianische Politologe Luis Echeverray analysierte die Bushreise: Danach muss jetzt ein "Angriff auf die Armut" erfolgen, aber mit Arbeit, mit freiem Handel, also ganz im Sinne seines Präsidenten Alvaro Uribe und Washingtons.
Ungebeten aber wirkungsvoll wurde die Reise Bushs aber vor allem von Venezuelas Präsident Hugo Chavez kritisiert. An jeder Station der Reise durch Lateinamerika - Argentinien, Bolivien, Nicaragua, Jamaika und Haiti - stets unweit von Bush, wurde er von seinen Anhängern für Slogans wie "Gringo go home" gefeiert. Zurück in Venezuela jubelte Chavez am Dienstag, er habe den "Reise-Wettkampf" gegen Bush gewonnen: Ihm (Chavez) hätten die Menschen zugejubelt, Bush dagegen hätten sie zum Teufel gewünscht.
Quelle N24 und dpa
Jürgen Meyer