Malaria und Suizid – Warum die USA den Krieg in Vietnam verloren haben Sueddeutsche Zeitung, 29.09.2002 [Links nur für registrierte Nutzer]
Anscheinend waren die Panik und die schlechte Moral, an denen die US-Truppen in Vietnam litten, weder durch den undurchdringbaren Dschungel oder die zähen Vietkong-Kämpfer, noch durch den Krieg an sich oder die weit verbreitete Drogensucht unter den GIs der Grund dafür, dass die Amis den Krieg am Ende verloren. Anscheinend spielt ein permanent und prophylaktisch von allen Soldaten eingenommenes Medikament eine nicht unwesentliche Rolle. In Panik begangene Massaker wie das in Mylai können durch ein Medikament begünstigt worden sein, dass heute viele Tropen-Touristen schlucken; es wird eine "prophylaktische Einnahme" empfohlen. Die Sueddeutsche Zeitung schrieb hierzu:
"Nebenwirkung Selbstmord
Auf Madagaskar erlebte der junge Holländer weit mehr, als er ertragen konnte. Es begann damit, dass er glaubte, sich Malaria eingefangen zu haben, und deshalb zwei Tabletten Lariam schluckte.Doch was sich dann in ihm abspielte, war mehr als Abenteuertrip. Gequält von Angstzuständen und Wahnvorstellungen schrieb der 33-Jährige drei Tage später einen Abschiedsbrief an seine Frau – und schnitt sich dann mit einem Taschenmesser die Kehle durch. Das ist einer der schrecklichsten Berichte, die Ärzte dem Pharma-Informationsdienst Arznei-Telegramm zum Malariamittel Lariam übermittelt haben. Alle Meldungen belegen, dass Tabletten mit dem Wirkstoff Mefloquin Unruhe, panische Angst, Verwirrtheit und Depressionen auslösen können (1).
Das weiß auch der Hersteller: Schließlich hat die Firma Roche diese Risiken in ihrer deutschen Fachinformation für Ärzte und Apotheker aufgelistet.Auch von „Halluzinationen, Aggression und psychotischen oder paranoiden Reaktionen“ ist dort die Rede. Im Archiv hütet der Pharmakonzern sogar Berichte von acht Selbstmorden, die in Zusammenhang mit dem Malariamittel verübt wurden. Warnhinweise: „keine“. Dennoch steht in der Fachinformation unter dem Punkt Warnhinweise: „keine“. „Eine ursächliche Beziehung“ zwischen Suiziden und der Arznei „konnte nicht nachgewiesen werden“, so die lapidare Begründung. In den USA ist die Firma neuerdings offener. Dort schreibt Roche seit Juli unter der Rubrik Warnhinweise nicht nur, dass „einige Fälle von suizidalen Halluzinationen und Selbstmord berichtet“ wurden. Der Konzern empfiehlt auch, Lariam bei Angst, Unruhe und Verwirrtheit wieder abzusetzen, weil diese „als Vorläufer für schwerere Ereignisse betrachtet werden können“. Per Brief will Roche die Ärzte in den USA sogar auf die veränderte Produktinformation hinweisen.
(...) Soldaten töteten ihre Ehefrauen
Vier Soldaten töteten im Sommer in Fort Bragg ihre Ehefrauen, zwei der Männer begingen daraufhin Selbstmord. Ob dies unter dem Einfluss von Lariam geschah, ist derzeit noch offen. Drei der Männer waren aber zuvor in Afghanistan stationiert, wo US-Soldaten wie auch in anderen Malariagebieten der Welt grundsätzlich Lariam zur Prophylaxe erhalten. Schon jetzt befürchten Kritiker, dass bei den Untersuchungen der Vorfälle nicht viel herauskommen wird. Denn wenn dem Malariamittel eine Rolle bei den Morden und Selbstmorden nachgewiesen wird, fällt das auf die US Army zurück.
Schließlich hat sie den Wirkstoff selbst entdeckt – als sie zur Zeit des Vietnamkriegs mit großem Aufwand nach einem Malariamittel suchte. Erst 1985 hat der Konzern Hoffmann-La Roche die Lizenz für Mefloquin erworben und die Substanz als Lariam vermarktet.