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Thema: War der 1. Weltkrieg für Deutschland 1918 noch zu gewinnen?

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  1. #38
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    Standard AW: War der 1. Weltkrieg für Deutschland 1918 noch zu gewinnen?

    Zitat Zitat von NimmerSatt Beitrag anzeigen
    Ein Freund von mir sprach vor kurzem an, daß Deutschland im 1. Weltkrieg unnötigerweise kapituliert hat, da es durch die Eroberungen im Osten Zugriff auf große Reserven an Menschen und Rohstoffen hatte.
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    Die verbliebenen russichen Truppen waren meist im Bürgerkrieg und Rußland hatte mit dem Frieden von Brest-Litowsk den Krieg für verloren gegeben. Deutschlands einzigen erwähnenswerten Feinde waren nun nur noch die USA, das UK und Frankreich an der Westfront. Deutschland hatte den Zweifrontenkrieg überwunden.

    Die britschen Schätzungen für das Potenzial das Deutschland um diese Zeit hatte sind nach wiki wie folgt:
    Falls der Krieg noch andauern würde, so der englische Generalstab im Mai 1918 </wiki/1918>, sei Deutschland schon 1919 </wiki/1919> in der Lage, aus den besetzten vormals russischen Gebieten zwei Millionen Wehr- und Arbeitsfähige zu rekrutieren, womit ein Sieg Deutschlands an der Westfront sehr wahrscheinlich werden würde.

    Dagegen steht, daß selbst welche der besten deutschen Generäle wie von Hindenburg und von Ludendorff sich für eine Kapitulation aussprachen. Diese beiden müßten doch gewußt haben, wie die Situation für Deutschland steht.

    Haben sich die Briten verschätzt und die Gebiete in Osteuropa überschätzt oder haben sich die Deutschen verschätzt und den Fehler begangen nicht weiter zu kämpfen?
    Erstens, ein Siegfrieden nach dem Scheitern der dt. Großoffensive von 1918 war tatsächlich militärisch nicht mehr möglich.

    Zweitens, das Ausbleiben eines dt. Siegfriedens mußte nicht gleichbedeutend mit einem alliierten Sieg sein, denn ein militärisches Patt war in der Zeit der mörderischen Stellungskriege ebenso möglich.

    Drittens, die Generäle Hindenburg und Ludendorff forderten nicht die Kapitulation, sondern die Aufnahme von Gesprächen für einen ehrenhaften Frieden. Als die Waffenstillstandsbedingungen bekannt wurden, war die OHL für die Fortsetzung des Kampfes. Ludendorff wurde daraufhin von der neuen "Reichsregeriung" um Max von Baden (der der Kaiser Wilhelm staatsstreichartig abgesetzt hat) kurzerhand entlassen und mußte fliehen. Hindenburg hielt es daraufhin für besser die Klappe zu halten und die reichsregierung zu unterstützen.

    Viertens, die britischen Militärs gingen bei ihrer Prognose nicht von einer dt. Revolution aus.



    Stricken wir die Geschichte an einer Stelle leicht um.

    Nach der Ankündigung Wilhelms II., das parlamentarische System im Deutschen Reich einzuführen, gelingt es ihm am 30. September den eher pflegeleichten konservativen und strikt anti-parlamentarischen Graf von Hertling zu überzeugen weiterhin Reichskanzler zu bleiben (an dem Tag trat von Hertling zurück und wurde von Max von Baden ersetzt).

    Auf Druck der Obersten Heeresleitung übermittelt Graf von Hertling ein Waffenstillstandsgesuch an den amerikanischen Präsidenten Woodrow Wilson auf Basis von dessen 14-Punkte-Programm.

    Nach Bekanntwerden der Waffenstillstandsbedingungen fordert die OHL die Fortsetzung des Kampfes. Wilhelm II. und Reichskanzler von Hertling stimmten zu. Ziel war nun die Alliierten durch eine an der Westfront defensive Kriegsführung ausbluten zu lassen und auf See den uneingeschränkten U-Bootkrieg zu intensivieren um GB auszuhungern. In Italien sollte die erfolgreichen Offensive weiter verstärkt werden, um das Land ebenfalls aus dem Krieg zu werfen.

    Es kam zu keinem weiteren Notenwechsel Richtung dt. Kapitulation. Der Krieg geht weiter. In der dt. Flottenadmiralität kam daher niemand auf die Idee die kaiserliche Flotte zur Ehrenrettung in eine riesige aber so gut wie aussichtslosen Schlacht dampfen zu lassen. Die Kieler Matrosen erhielten keine Gelegenheit einen Sturm der Meuterei über das Land zu entfachen. Sie blieben bei ihrem ereignislosen Trott.

    Die deutsche Armee räumte Frankreich und weite Teile Belgiens. Natürlich verwüstete man vorher den Großteil der Gebiete im Sinne der Taktik der verbrannten Erde. Die neue dt. Stellung verlief anhand der Flüsse Maas-Mosel. Dadurch wurde die Front sehr verkürzt, leichter verteidigbar, der Nachschub konnte schneller herangeschafft werden und Tankattacken waren beim Großteil der Front wegen den Flüssen aussichtslos. Die Westmächte rennen das ganze Jahr 1919 gegen die dt. Linien an und erleiden schwere Verluste ohne einen Durchbruch erringen zu können.

    In Italien feierten die deutsch-österreichischen Truppen neue Siege. Im Frühjahr 1919 war ganz Venetien besetzt. Die Truppenmassen der Mittelmächte ergießen sich im Po-Tal Richtung Mailand und Florenz. Die italienische Armee ist in Auflösung begriffen. Im Sommer 1919 wird der italienische König gestürzt und eine Republik ausgerufen. Italien schließt im Juni einen Seperatfrieden und tritt Venetien an Österreich und die Dodekanes an das Osmanische Reich ab. Da Italien nun neutral ist, können die freigewordenen Truppen offensiv an der Balkanfront werden. Bis Wintereinbruch 1919 wird Griechenland zum Frieden gezwungen.

    Für GB war das Jahr 1919 besonders hart. Der uneingeschränkte U-Bootkrieg rieß immer schwerere wirtschaftliche und versorgungstechnische Lücken. Frachtschiffe und deren Ladung ließen sich immer schwerer ersetzen. Im Herbst 1919 fing der Hunger an. Besonders schwer traf es Irland. Im Winter kam es erneut zu einem großen irischen Aufstand neben dem latenten Guerriliakrieg der IRA. Allerdings viel schwerer als der Osteraufstand. Man forderte die langersehnte Unabhängigkeit. Auch um der deutschen Blockade zu entkommen. Die britische Reaktion ließ nicht auf sich warten. Mit erbarmungsloser Gewalt ging man gegen richtige und vermeindliche irische Aufstände vor. Demonstrationen wurden zusammengeschossen. Höhepunkt war das sog. "Massaker von Dublin" in der ein britisches Regiment in eine unbewaffnete Menschenmenge geschossen hat, welche unter dem Motto "Brot und Frieden für Irland" demonstrierte. Dabei gab es über 300 Tote.

    In den USA schlug der zweite irische Aufstand und die britische Reaktion große Wellen. Zumal die amerikanische Öffentlichkeit über die hohen Blutverluste an der Maas und den immer größeren Krediten wie Hilfslieferungen an die europäischen Partner immer weniger erfreut waren. Im Kongreß mußte sich der Idealist Wilson von einem irisch-stämmigen Abgeordneten sogar Fragen lassen, ob amerikanische Demokraten in europäischen Schützengräben verbluten müssen, damit britische Imperialisten hungernde Frauen und Kinder in Irland ermorden können. Darauf schwieg Präsident Wilson beschämt.

    Nach schweren Druck erklärte Wilson im Februar 1920 öffentlich, das man nicht für die Freiheit der Polen sowie der Völker Österreichs und des Osmanischen Reiches eintreten kann, aber gleichzeitig den Iren ihre Freiheit im Kugelhagel verwehre. Daher muß GB die Kämpfe in Irland sofort einstellen und dem Land die Unabhängigkeit geben. Ansonsten könne es das amerikanische Volk nicht mit seinem Gewissen vereinbaren weiterhin für die Sache der Entente zu kämpfen.

    GB war über die amerikanische Anmaßung pikiert und lehnte umgehend ab. Nach einem kurzen aber heftigen Notenaustausch schloß die USA im März mit den Mittelmächte einen Seperatfrieden auf Basis des Vorkriegszustands. Unter Vermittlung der USA kam es auch zu einem Frieden zwischen Japan und den Mittelmächten. Deutschland trat dabei alle seine Pazifik-Kolonien an Japan ab.

    An der Westfront kamen ohne die US-Truppen und US-Versorgung die alliierten Großangriffe zum erliegen. Hungernöte verbreiteten sich nun auch im englischen Kernland. Hunderttausende sterben. Streiks und Aufruhr verbreiten sich. Auch die schottische Unabhängigkeitsbewegung eröffnet den Kampf gegen die britischen Truppen. Im Mai 1920 tritt Lloyd George als Premier zurück. Sein Nachfolger beschließt Friedensverhandlungen mit den Mittelmächten einzuleiten. Frankreich folgt notgedrungen, weil man alleine nicht siegen aber verlieren konnte. Abgeordneten beider Lager treffen in Amsterdam zu Verhandlungen zusammen.

    Im Frieden von Amsterdam verlor Deutschland seine afrikanischen Kolonien an GB, Frankreich und Belgien. Das Deutsche Reich erhält dafür Luxemburg und die besetzten Gebiete der Maas-Mosel-Linie. Zudem werden die Verträge mit Russland, Rumänien, Bulgarien und Italien von der Entente anerkannt. Serbien wird die alleinige Kriegsschuld aufgebürdet und zwischen Österreich, Bulgarien und Albanien aufgeteilt. Osteuropa und der Balkan werden zum deutsch-österreichischen Einflußgebiet. Die Türkei erhält Arabien. Nach Abzug der Briten bricht der arabische Aufstand schnell zusammen.
    Geändert von Kaiser (11.01.2007 um 21:48 Uhr)
    Siegen heißt Leben

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