Wenn Tugba über ihre Zukunft spricht, dann fallen Worte wie "Selbständigkeit", "KfW-Kredit" und "Rückzahlungs-Modalitäten".
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Die beiden leben in einer Familie, in der Gleichberechtigung und Toleranz selbstverständlich sind, Frauen selbstverständlich Zugang zu Bildung und Erziehung haben, am Arbeitsleben teilnehmen und ihre Entscheidungen selbst treffen. Es sind die Werte der modernen Türkei, wie sie auch in den großen Städten, in Istanbul, Ankara, Izmir oder Antalya gelebt werden.
In den Provinzen im Osten und Südosten Anatoliens ist man davon noch Lichtjahre entfernt.
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2397 Opfer hat die Organisation in den vergangenen vier Jahren betreut, und deren Geschichten lesen sich wie Gruselmärchen aus einer anderen Zeit. Da ist die 27-Jährige, deren Mann sie über lange Zeit immer wieder zwang, mit seinen Freunden und seinen Brüdern zu schlafen.
Oder die 21-Jährige, die mit blauen Flecken übersät und mit Narben ins Hilfezentrum kam. Ihr Vater und ihre Stiefmutter hatten ihr unter anderem mit einem Hammer die Nase gebrochen, der ältere Bruder sie missbraucht.
Oder die 21-Jährige, die von ihrem Freund schwanger wurde und versuchte, dies vor ihrer Familie zu verheimlichen. Als der Plan misslang, drohte die Familie, sie umzubringen.
[B][COLOR="red"]Was ist es, was diese Frauen in Gefahr bringt? "Kultur und Traditionen haben Grenzen entstehen lassen, die die Gleichberechtigung verhindern und den Frauen die niedrigere Rolle zuweisen"
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Die Mitarbeiter von Ka-mer kämpfen aber nicht nur gegen die traditionellen Frauenbilder in Südostund Ostanatolien. Ihre Adressaten sitzen in der gesamten Türkei. "Gewalt gegen Frauen und Ehrenmorde werden von den Menschen fast als banal empfunden", sagt Akkoc.
Immer noch herrsche eine "Ja-aber-Kultur", wenn es um Gewalt gegen Frauen gehe: Ja, aber sie hat nicht das getan, was sie tun sollte. Ja, aber sie ist so dickköpfig. Ja, aber eine Frau muss ihren Platz kennen. Ja, aber sie mussten sie töten, weil die Nachbarn sie dazu gedrängt haben. "Diese passive Toleranz von Gewalt ist in unserer Gesellschaft so weit verbreitet und sitzt so tief", sagt Akkoc, "dass unser Engagement lange dauern und sehr schwierig sein wird."
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