Die Märchen der Hizbullah
Von Michael Borgstede, Tel Aviv
Stammgast bei Al Manar: Hizbullah-Chef Nasrallah
17. August 2006
Auf gewisse Weise erinnerte das Programm des Hizbullah-Fernsehsenders Al Manar während des jüngsten Nahost-Krieges an die deutschen Wochenschauen der Jahre 1944 und 1945. Allwöchentlich wurde damals angeblich der Feind zurückgedrängt, eingekesselt, und die gemeldete Zahl der erfolgreichen deutschen Gegenoffensiven ließ kaum vermuten, daß die Rote Armee bald vor Berlin stünde. Auf Al Manar ging es im vergangenen Monat ähnlich zu: Seit Ausbruch der Feindseligkeiten am 12. Juli verging kein Tag, an dem nicht geradezu unmöglich anmutende militärische Erfolge und Heldentaten verkündet wurden. Als kritischer Beobachter konnte man dabei das Lachen oft nicht unterdrücken.
Acht Panzer hätten die „Kämpfer unseres heldenhaften Widerstands“ in die Luft gesprengt, meldete der Sender eines Abends im Juli. Und dann flackerte eine am Computer gebastelte Videomontage miesester Computerspielqualität über den Bildschirm. Wenige Tage später präsentierte der Sender Filmmaterial, auf dem angeblich der Abschuß eines israelisches Kampfflugzeuges zu sehen sein soll. In Wirklichkeit hatten die Hizbullah-Reporter gefilmt, wie eine ihrer Zilzal-Raketen nach wenigen hundert Metern in der Luft explodierte.
Nebliges „Beweismaterial“
Nachrichtenstudio von Al Manar
Ein Höhepunkt aber war der Auftritt eines Hizbullah-Führers auf dem vergleichsweise seriösen arabischen Sender Al Dschazira. Man habe ein Boot der israelischen Marine angeschossen und zum Sinken gebracht, verkündete er stolz. Leider sei es so neblig gewesen, daß auf dem gefilmten „Beweismaterial“ nicht wirklich viel zu sehen sei. „Aber wir arbeiten daran, wir arbeiten sehr hart daran“, versprach der Hizbullah-Mann.
Rund um die Uhr zeigte Al Manar immer wieder grausam verstümmelte Opfer israelischer Luftangriffe, unterbrochen von Berichten über zahllose verletzte und getötete Soldaten der „zionistischen Besatzungsarmee“. Seltsamerweise schienen Hizbullah-Kämpfer in diesem Krieg unsterblich zu sein. Selbst die libanesischen Autoritäten sprachen immer nur von „getöteten Zivilisten“ - gegen Kriegsende sollen es „mehr als tausend“ gewesen sein. Mittlerweile hat die Hizbullah 68 tote Kämpfer eingeräumt, in Wahrheit dürfte die Zahl wohl um die fünfhundert liegen. Es ist durchaus möglich, daß 440 Kämpfer einfach als Zivilisten verbucht wurden.
Äußerst fragwürdige Zeugenaussagen
Hier wurden die Heldentaten der Hizbullah verkündet
Es ist eine Binsenweisheit, daß in Kriegszeiten viel und hemmungslos gelogen wird. Manches sollte offensichtlich sein und wird doch hemmungslos weiterverbreitet: Untermauert von äußerst fragwürdigen Zeugenaussagen, wurde da beispielsweise behauptet, der Angriff der Hizbullah auf eine israelische Militärpatrouille habe in Wahrheit auf libanesischem Staatsgebiet stattgefunden. Auch die Behauptung, Hizbullah-Kämpfer würden sich grundsätzlich nicht in Wohngebieten verschanzen, ist angesichts des reichhaltig vorhandenen Beweismaterials wohl in das Reich der Märchen zu verweisen. In anderen Fällen ist mehr Vorsicht geboten: denn selbstverständlich versucht jede Seite, die Propagandalügen des Gegners wiederum propagandistisch auszuschlachten.
Nicht hinter jeder Fehlinformation aber steckt vorsätzlich Irreführung. Hat Libanons Ministerpräsident Siniora bei seiner Rede vor den Außenministern der Arabischen Liga wirklich bewußt gelogen, als er mit tränenerstickter Stimme von einem „Massaker mit vierzig Toten“ im Dorf Houla berichtete, bei dem in Wahrheit nicht mehr als eine Person getötet wurde? Auch nach einem israelischen Luftangriff auf das Dorf Kana war am 30. Juli zunächst von fünfzig Toten die Rede, darunter 38 Kinder. Später stellte sich heraus, daß es bei dem Angriff „nur“ 28 Opfer gab. Eine absichtliche Irreführung der Weltöffentlichkeit? Oder einfach nur Unkenntnis darüber, wie viele Menschen in den Kellern der bombardierten Gebäude Zuflucht gesucht hatten? Nur zur Erinnerung: Nach den Anschlägen vom 11. September war zunächst ebenfalls von überhöhten Opferzahlen die Rede.
Die gestellten Bilder sind besser
Al-Manar-Reporter im Einsatz
Ein anderes Fragezeichen wirft das Verhalten der Medien während der Bergungsarbeiten in Kana auf. So haben verschiedene mehr oder weniger ideologisch motivierte Blogger die Vermutung geäußert, die grausamen Fotos seien zum Teil gestellt worden. Jeder Journalist, der einmal in einem nahöstlichen Krisengebiet tätig war, kann diese Frage eindeutig beantworten: Zweifellos haben Helfer in Kana tote Kinder in die Kameras gehalten, um sich des Mitleids der Weltöffentlichkeit zu versichern. Einige Aufnahmen zeigen deutlich, wie die wilden Gefühlsausbrüche der Helfer einem glasig-leeren Gesichtsausdruck weichen, sobald die Kameras sich außer Reichweite befinden. Daß sich ausgerechnet diese Fotos am nächsten Morgen auf den Titelseiten der Zeitungen fanden, hat einen einleuchtenden Grund: Die gestellten, sorgfältig komponierten Fotos sind meist die besseren Bilder.
Da brennt zum Beispiel auf den ansonsten schon ausgequalmten Ruinen eines von Israel bombardierten Hauses einsam ein Koran - sonst ist nichts im Bild. Ein wunderbares Polit-Stilleben, gegen dessen Authentizität zunächst nichts vorlag als die Tatsache, daß es einfach etwas zu perfekt schien. Jetzt hat die Nachrichtenagentur Reuters es zusammen mit 920 anderen Bildern des Fotografen Adnan Hajj aus ihrem Angebot genommen. Hajj hatte auf eine Aufnahme des qualmenden Beirut etwas Rauch hinzugemalt - der Betrug flog auf. Auf einem weiteren Foto genügte dem Fotografen die eine Bombe nicht, die unter einem israelischen Kampfflugzeug zu sehen war. Mit Hilfe einer Bildbearbeitungssoftware machte er aus einer Bombe gleich drei.
Daß derlei Betrug inakzeptabel ist und dem Ansehen der Medien schadet, ist klar. Dennoch sind diese Bilder wahrscheinlich gar nicht antiisraelischer Bösartigkeit entsprungen, sondern verdanken ihre Entstehung den Gesetzen der Marktwirtschaft: Adnan Hajj ist ein Freelance-Fotograf, der nur für Fotos Geld bekommt, die gedruckt werden. Gedruckt aber werden nur die dramatischsten Bilder. Es ist sehr wahrscheinlich, daß Hajj mit dem Betrug nur seine Wettbewerbsfähigkeit verbessern wollte. Neu ist dieses Vorgehen nicht: Vor einem Jahr feuerte die „Los Angeles Times“ einen Fotografen, weil er ein Foto aus dem Irak am Computer etwas „verbessert“ hatte. Das Bild hatte es auf die Titelseite der Zeitung geschafft.
Text: F.A.Z., 18.08.2006, Nr. 191 / Seite 36
Ein seltenehrlicher Artikel mit einige Schönheitsfehler! Solche wie z.B. „Daß derlei Betrug inakzeptabel ist und dem Ansehen der Medien schadet, ist klar. Dennoch sind diese Bilder wahrscheinlich gar nicht antiisraelischer Bösartigkeit entsprungen, sondern verdanken ihre Entstehung den Gesetzen der Marktwirtschaft:…“ Niemand hat die Weltmedien dazu vergewaltigt die Bilder zu verwenden und mit Texte die wohl so weit Antijüdisch und Antiisraelisch sind, dass diese in d. Gehirn der Betrachter sich Manifestiert hat, und keinen Korrektur mehr zulassen…. Natürlich hat es sehr viel mit der Gesinnung der Betrachter auch zu tun…. Doch solche Bilder verhelfen dazu, sich in das was man sowieso gerne hätte, sich festkrallen zu können….
Tiqvah Bat Shalom
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