Zitat von
Alevi_Playa
Rückkehr zum Dialog
Von Cem Özdemir und Hakan Altinay
Seit dem 1. Juli hat Finnland die Ratspräsidentschaft der EU übernommen. Die Nordeuropäer erbten damit ein Riesen-Problem: den Zypern-Konflikt. Das Problem der geteilten Insel lässt sich lösen, wenn man es vom Thema des EU-Beitritts der Türkei trennt.
Vor zwei Jahren war man kurz davor, diese harte Nuss zu knacken. Aber die griechischen Zyprioten verweigerten sich, als sie, auf Geheiß ihres Präsidenten Tassos Papadopoulos, gegen die von der Uno vermittelte Einigung ("Annan-Plan") stimmten. Die türkisch-zyprische Seite hingegen, die bis vor kurzem von allen außer Ankara gemieden wird, sprach sich in einem eigenen Referendum mit großer Mehrheit für den Uno-Plan aus. Die Ablehnung durch die griechischen Zyprioten war ein harter Schlag für die internationale Gemeinschaft, denn die Uno, die EU und die Türkei hatten große Anstrengungen auf sich genommen, um Unterstützung für den Plan zu gewinnen.
Eine türkische Flagge zwischen zwei türkisch-zypriotischen: Entkoppelung ist nötig
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AP
Eine türkische Flagge zwischen zwei türkisch-zypriotischen: Entkoppelung ist nötig
Im Vergleich zu anderen Problemen in der Welt ist der Zypern-Konflikt eigentlich relativ einfach gestrickt. Die Konturen einer Lösung sind schon seit Jahrzehnten klar umrissen. Beide Seiten zögerten aber immer wieder vor einem endgültigen Konsens, weil sie für die Zukunft eine geringfügig bessere Übereinkunft erwarteten. Der langjährige und bis 2005 amtierende Führer der türkischen Zyprioten, Rauf Denktash, war dafür besonders berüchtigt. Aber auch die seit 2003 amtierende griechisch-zyprische Regierung unter Tassos Papadopoulos steht dem in nichts nach. Vor dem Referendum von 2004 ging sie sogar soweit, Auftritte des EU Kommissars für Erweiterung, Günter Verheugen, im zyprischen Fernsehen zu verhindern.
Verheugen berichtete dem Europäischen Parlament, dass er sich von der griechisch-zyprischen Regierung betrogen fühlte. Anfang 2006 sagte der damalige Außenminister Jack Straw vor dem britischen Parlament, dass der EU-Beitritt Zyperns nur deshalb gelingen konnte, weil die vergangenen Regierungen des griechischen Zypern sehr gut mit der internationalen Gemeinschaft zusammengearbeitet hatten - und dass es die jetzige Regierung nie in die EU geschafft hätte.
Da jeder Mitgliedstaat bei einer EU-Erweiterung sein Veto einlegen kann, entscheidet die griechisch-zyprische Regierung nicht nur über den EU-Beitritt der Türkei, sondern auch über die Annahme jedes einzelnen der 35 Verhandlungskapitel. Beim Treffen der EU-Außenminister im Juni machte Zypern dann in Luxemburg auch sogleich allen klar, was das bedeuten kann. Sie bestanden zunächst darauf, die durch die Türkei verweigerte Öffnung seiner Häfen für zyprische Schiffe mit dem Abschluss des ersten Verhandlungskapitels zu Wissenschaft und Forschung zu verknüpfen. Es stehen noch weitere 34 vergleichbare Kapitel im Rahmen der Beitrittsverhandlungen an und man kann sich leicht vorstellen, welche Rolle Zypern dabei jeweils spielen wird.
Finnland sollte alte Versprechen beherzigen
Zwei Tage nach den Referenden auf Zypern belohnte der Europäische Rat das Verhalten der türkischen Zyprioten mit der einstimmigen Entscheidung, die wirtschaftliche Isolation des türkischen Teils der Insel zu beenden. Seitdem ist jedoch nicht viel passiert. Die EU muss dieser Entscheidung endlich Taten folgen lassen. Die International Crisis Group, ein Think-Tank aus Brüssel, sagt sogar, die EU-Entscheidung sei "weniger wert als das Papier, auf dem sie steht." In einer Zeit, in der nationalistische Strömungen selbst in EU-Staaten wieder salonfähig sind, stimmten die türkischen Zyprioten für Europa. Sie werden jedoch draußen gehalten, während ihre nationalistischen und maximalistischen griechischen Landsleute mit List hineinkamen. Im Kosovo ist die EU drauf und dran, den Kosovaren beim Ausstieg zu helfen. Wenn aber die türkischen Zyprioten, den Einstieg wollen, werden sie ignoriert.
Finnland würde gut daran tun, die früheren Versprechen der EU im Zypern-Konflikt aufrecht zu erhalten. Die Präsidentschaft sollte die Regierung der zyprischen Griechen ermutigen, zum Dialog zurückzukehren, damit dieser nicht letztendlich völlig entgleist. Doch so oder so muss die EU deutlich machen, dass ihre Entscheidungen tatsächlich mehr wert sind, als das bloße Papier, auf dem sie stehen. Ansonsten wird sie selbst ihre stärksten Befürworter in der Türkei verlieren und damit eine bemerkenswerte Chance verpassen, ihre so genannte soft power in der Welt und in ihrer Nachbarschaft zu vermehren, gerade wenn dieser Einfluss dort am dringendsten nötig ist. Es scheint fast, dass die weit verbreitete Ansicht, die Türkei und die regierende AKP seien auf den EU-Beitritt unbedingt angewiesen, die diskriminierende und allzu selbstsichere Haltung der EU anheizt.
Dabei sieht die Wahrheit ganz anders aus. Die AKP würde in den Umfragen hochschießen, sollte sie weniger EU-freundlich sein und den Anschein erwecken, sich damit gegen die machtbewusste Haltung der EU zu wehren. Die Türkei und die AKP wollen den EU-Beitritt, aber nicht um jeden Preis. Die AKP kann sich in der Zypern-Frage kaum mehr bewegen - wie es auch keine andere demokratisch verpflichtete Regierung könnte -, bis die EU endlich ihr Versprechen einlöst, die Isolation der türkischen Zyprioten zu beenden. Wenn die Regierung der griechischen Zyprioten die Bemühungen der Uno ehrlich unterstützen würde, könnte die EU die Türkei auch zu einem Truppenrückzug von der Insel ermutigen. Es wäre jedenfalls ein Armutszeugnis für die Union, würde sie sich dem Maximalismus der griechisch-zyprischen Regierung beugen, um damit das EU-Beitrittsgesuch der Türkei auf billige Art zu beenden.
Nachsicht ist fehl am Platze
Die finnische Ratspräsidentschaft würde schon einiges erreichen, wenn sie Zypern daran erinnerte, dass die Mitgliedschaft im Club nicht nur nationale, sondern auch europäische Verantwortung mit sich bringt. Die beständige Unnachgiebigkeit der griechisch-zyprischen Regierung darf die EU-Beitrittsverhandlungen mit der Türkei nicht blockieren. Die Türkei steht vor einer großen Herausforderung und die Zeit der Verhandlungen sollte dafür genutzt werden, Reformen anzugehen und Probleme beizulegen - das erfordert aber auch einen entsprechenden Willen und Einsatz der EU; Nachsicht gegenüber den Maximalforderungen der griechischen Zyprioten ist da fehl am Platze.
Das erste Treffen des zyperngriechischen Präsidenten und seines zyperntürkischen Kollegen seit zwei Jahren, das kürzlich in Nikosia stattfand, macht Hoffnung, auch weil Finnland erste Zeichen einer Entspannung für Vermittlungsversuche nutzen könnte. Eine abschließende Lösung des Zypern-Konflikts bedarf jedoch wahrscheinlich eines neuen Uno-Generalsekretärs. Solange allerdings die Türkei und die türkischen Zyprioten weiterhin mit der Uno kooperieren, müssen die EU-Beitrittsverhandlungen mit der Türkei von der Zypern-Frage entkoppelt werden.
Cem Özdemir ist Mitglied des Europäischen Parlaments. Hakan Altinay ist der Geschäftsführer des Open Society Institute in der Türkei.
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Genauso sieht es aus. Deshalb ist auch die blosse oberflächliche Bewertung dass die Türkei der Agressor und die Blockade für eine Lösung dieses Konfliktes ist nicht haltbar. Ich hoffe dass es bald wirklich zu einer Einigung kommt. Denn sonst würde nicht nur den türkischen Zyprioten, sondern auch der Türkei übel mitgespielt werden