Schleicher - letztes Aufgebot für das Reich?
In der Zeit der NS-Herrschaft trafen sich zwei Männer die in der Vergangenheit daran arbeiteten das System der Weimarer Republik zu vernichten und im Zuge der Konservativen Revolution durch ein Neues Reich zu ersetzen. Es handelte sich dabei um Hans Zehrer und Ernst von Salomon. In v. Salomons "Der Fragebogen" ist ein interessantes Gespräch zwischen Zehrer und v. Salomon verzeichnet, das davon kündet was selbst im Jahre 1932 alles noch "machbar war" und die NS-Diktatur keinesfalls zwingend war. Eine Schlüsselfunktion in dieser Zeit, einer Zeit in der schnell und effizient gehandelt werden musste, besetze der frühere Reichskanzler Kurt von Schleicher.
Zehrer sagte: "Diese beiden letzten Jahre der Weimarer Republik stellten eine der geistreichsten Zeiten unserer Geschichte dar. Noch nie wurde in Deutschland so viel gedacht und geplant. Die Kruste war plötzlich durchbrochen, als die alten Mächte, die des Weimarer Systems, endlich abzutreten begann. Über die Nebelwolken des Jargons reckten sich auf einmal allerorten Köpfe und begannen in einer Sprache zu reden, die ihnen einem neuen Sinne gemeinsam war. Plötzlich gab es die alten, sturen Einteilungen nicht mehr, diese blödsinnigen Reservate von links und rechts, der parlamentarischen Sitzgelegenheit entnommen, plötzlich konnte nach der ideologischen Überschwemmung wieder sachlich diskutiert werden. Es war wie ein Rausch.
Alles schien möglich, wenn es nur recht angepackt wurde, und überall waren schon die Kräfte dabei, es anzupacken. (...) Schon Ende der zwanziger Jahre fanden sich Leute aus allen Lagern zusammn, von <rechts bis links> - ja, sogar die kommunisischen Intellektuellen waren durchaus gesellschaftsfähig und brillierten zum Ergötzen und angenehmen Kitzel der anderen in der Unterhaltung - aber Nationalsozialisten waren niemals dabei! (...)
Alle die vielen Kräuter, die allerorten so munter sproßten, sie waren gegen das Aufkommen des Nationalsozialismus nicht gewachsen! Bis Schleicher kam. Er hatte das Konzept! (...) Er hatte das Konzept, (...) es war möglich, noch war es 1932 möglich, den gordischen Knoten des unendlichen Gesprächs zu zerhauen und den stummen Gast hinauszusetzen. (...) Schleicher wollre den Nationalsozialisen überhaupt keine Macht geben, er wollte den Kampf, die ultima ratio. Darüber ließ er mir gegenüber überhaupt keinen Zweifel. (...) Worauf sollte er denn noch warten? Auf wieder eine neue <Weltanschauung>, mit der er seinerseits die Massen fangen konnte? Den Teufel mit Beelzebub austreiben? (...) Vor der Reichswehr damals hätte die nationalsozialistische Bewegung schließlich doch einmal kapitulieren müssen. Das war eine harte Sache. Aber Schleicher scheute sich nicht, die letzte Härte anzuwenden. (...)
Er stütze sicha auf Mächte, die in ihrer eigentlichen Tendenz noch nicht zum Ziele gekommen waren. Außenpolitisch war die enge Anlehnung an Rußland sozusagen Tradition der Reichswehr, es war die alte Bismarcksche Tradition. (...) Die Parteien waren am Ende, aber die Gewerkschaften nicht. Schleicher wollte den Sozialismus! Er wollte ihn ernsthaft und rigoros, er wollte, wie er sagte, die deutsche Wirtschaft auf der Basis der Armut organisieren, welche die echte, wirtschaftliche Basis in Deutschland war. Er war viel ernsthafter in seinem sozialistischen Konzeot als die Gewerkschaften selber. Leipart, der Vorsitzende der Gewerkschaften, bekam geradezu Angst vor der eigenen Courage. (...)
Schleicher wollte das Alphabet neu beginnen. Er wollte das Recht neu setzen, seine neue Verfassung konstituieren, eine die wirklich der Verfassung des Reiches entsprach, was von dem Weimarer Dokument schon lange nicht mehr behauptet werden konnte. (...) 1932 schien es Schleicher der einzige Ausweg, den Bestand des Reiches zu wahren. Schleicher scheiterte nicht an der Existenz des Nationalsozialismus, er scheiterte an den einzigen Dingen, die er nicht zu berechnen vermochte, die gar nicht zu berechnen waren, an persönlichen Dingen. Er verkörperte einen schon damals sehr selten gewordenen Typus, den des musischen Militärs. Er war ungewöhnlich gebildet, interessiert und gescheit, protestantisch nüchtern, energisch und ein schneller Denker. (...) Sein Konzeot beruhte ja auf einem einzigen und wie es schien sehr glücklichen Umstand, - auf seinem Verhältnis zum Alten Herren, zu Hindenburg. (...) Schleicher selbst sah es mit der Zeit ungefähr so: was dem Alten Herren nach und nach immer weniger schmeckte, das war der Sozialismus Schleichers. (...)
Aber da kam dieser Schleicher und machte Ernst! Ein Mann aus des Alten Regiment! Ein Überläufer sozusagen! Une ein gefährlicher dazu! Energisch, fleißig, geschickt und offensichtlich ohne die rechtlichen Skrupel, wenn es hart auf hart ging, eben ein Soldat! (...) Daß der Alte schließlich, was Schleicher ihm auch schicken mochte, zuerst zögernd und dann überhaupt nicht mehr unterschrieb. (...) Die Intelligenz schwenkte um, das anfang willfährige Bürgertum schwenkte um, lauter Wendringers in der unteren Schicht, lauter Gestalten, wie dieser jüdische Geschäftsmann, den Kurt Tucholsky erfand, der bereit war, sich auch mit den Nationalsozialisten abzugeben, denn <da weiß man doch, die gehen einem wenigstens nicht an den Safe>... (...) Schleicher scheiterte an diesen persönlichen Dingen, aber es war nicht zwangsläufig, daß es so geschah."
Was ist dran an der Geschichte und wie hätte das Projekt doch noch verwirklicht werden können. Natürlich ist es eine "Was wäre wenn..." Situation, aber lassen wir doch einmal unserer Fantasie freien lauf....