NORDKOREA
In den Städten herrscht der Hunger
Von Andreas Lorenz
Während Nordkoreas "Großen Führer" Kim-Jong-Il der Welt mit der Atombombe droht, kämpft sein Volk gegen den Hunger. Nahrungsmittel sind knapp, die Ernährung ist zu einseitig. Vier von zehn kleinen Kindern sind chronisch unterernährt. Ohne ausländische Hilfe ist die nächste Hungerkatastrophe unabwendbar.
Peking - Obwohl Nordkoreas Bauern in diesem Jahr mehr Getreide als in den Vorjahren in die Scheuern gefahren haben, bleibt die Ernährungslage prekär. Besonders gefährdet sind kleine Kinder, schwangere und stillende Frauen sowie alte Menschen, warnten heute das "Welternährungsprogramm" der Uno sowie die Uno- Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation (FAO). Der Grad der Unterernährung sei nach wie vor "alarmierend hoch", hieß es.
Die Bevölkerung leide dabei nicht nur an fehlenden Nahrungsmitteln, sondern auch an einseitiger Ernährung, erklärte der WFP-Chefrepräsentant in Nordkorea, Rick Corsino, am Donnerstag vor Journalisten in Peking. Da Fleisch oder Fisch, wenn überhaupt, nur an Feiertagen zu haben ist, bekommen die Menschen zu wenig lebenswichtige Proteine. Vier von zehn kleinen Kindern litten unter chronischer Unterernährung und Wachstumsstörungen. Corsino: "Die Ernährungslücke ist enorm"
Wachsende Ungleichheit beim Zugang zu Nahrung
Nordkorea hat in den letzten Monaten die Welt mit seiner Drohung in Atem gehalten, Atombomben zu entwickeln. Derzeit bemühen sich unter anderem die USA und China, die Politiker in Pjöngjang erneut an den Verhandlungstisch zu bekommen.
Die Uno-Helfer machten in den letzten Monaten eine "wachsende Ungleichheit beim Zugang zu Nahrung" aus. Während es Bauern seit einigen Jahren erlaubt ist, knapp 100 Quadratmeter Land privat anzubauen und in dem Küchengarten auch Tiere zu halten, sind Arbeiter in den Städten auf die knappen staatlichen Rationen angewiesen.
"Die städtische Bevölkerung bleibt am verletzlichsten", heißt es in dem gemeinsamen Bericht von WFP und FAO, da die staatlichen Rationen meist nicht den täglichen Kalorienbedarf decken. Rund 70 Prozent der 23 Millionen Nordkoreaner leben in städtischen Gebieten.
Erschwerend kommt laut Corsino hinzu, dass etliche Fabriken Kurzarbeit fahren und nicht selten nur noch die Hälfte des Lohnes auszahlen. Folge: Viele Arbeiter und ihre Familien kämpfen ums Überleben.
Sie sind gezwungen, rund 80 Prozent ihres Einkommens für Esswaren auszugeben. Eine vierköpfige Familie mit einem Monatslohn von 1000 Won kann sich auf einem freien Markt derzeit gerade mal 23 Kilo Reis kaufen.
Nach langen Jahren wirtschaftlicher Krise und Hungersnot ist Nordkorea ohne ausländische Hilfe nicht in der Lage, seine Menschen zu ernähren. Wenn Uno, Südkorea und China nicht jedes Jahr Hunderttausende von Tonnen Getreide und Düngemittel gratis an das abgeschottete Reich des "Großen Führers" Kim-Jong-Il lieferten, würden die Menschen verhungern. Während der Hungerkatastrophe 1997 starben nach Schätzungen von Experten rund zwei Millionen Nordkoreaner.
Seit 1995 sind nach Schätzungen von Corsino Güter im Wert von zwei Milliarden Dollar nach Nordkorea transportiert worden. Das Land benötigt nach Uno-Berechnungen im nächsten Jahr über 940 000 Tonnen Getreide, bleibt es bei den bisherigen Hilfszusagen, werden rund 440.000 Tonnen fehlen.
Dabei haben sich die Arbeitsbedingungen für die internationalen Helfer in der letzten Zeit nicht entscheidend verbessert. Nach wie vor dürfen sie nicht in alle Regionen reisen, der Zugang zu Daten ist beschränkt. Inspektionen müssen Tage vorher angemeldet werden. "Wir bekommen immer noch nicht die vollständige Listen von Institutionen, die unsere Nahrungsmittel erhalten", erklärte Corsino.