Supermacht des 21. Jahrhunderts?
Rußlands Wirtschaft wächst und wächst
Von Falk Hornuß
Die Ära Putin hat der russischen Föderation nach Jahren des Darbens ein starkes Wirtschaftswachstum geschenkt. Der Aufschwung der russischen Wirtschaft basiert allerdings hauptsächlich auf dem beträchtlichen Rohstoffvorkommen des Landes. In den neunziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts konnte noch nicht vermutet werden, daß das wankende Riesenreich in der sich nach dem 11. September 2001 neu formierenden Weltordnung eine so starke Rolle spielen würde.
Zu diesem Schluß kommt Alexander Rahr, Programmdirektor des Körber-Zentrums Rußland/GUS im Forschungsinstitut der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP) in Berlin. Jetzt hat Rußland sogar für ein Jahr den Vorsitz im Club der führenden Industriestaaten der Welt (G8) übernommen und kann sich dank der günstigen Konjunktur und Preisentwicklung auf dem Energieweltmarkt zumindest als die neue Energie-Supermacht des beginnenden 21. Jahrhunderts präsentieren, so Rahr.
Als die Russische Föderation vor knapp 16 Jahren aus der Sowjetunion ausschied, konnte noch kein ausländischer Investor voraussehen, welche wirtschaftliche Bedeutung das Land bekommen sollte. Nach Schätzungen der Weltbank wird rund ein Viertel der gesamtwirtschaftlichen Produktion in Rußland vom Rohstoffsektor gestellt. Daher ist es von Vorteil für die dortige Wirtschaft, daß die Preise für Öl und Gas stetig ansteigen. „Der Osten lockt", sagt auch Günter Schärtl, Director Capital Markets bei Dresdner Kleinwort Wasserstein in Frankfurt am Main. Deutsche Privatinvestoren könnten sich den Zugang zum Aktienmarkt mit Hilfe von Zertifikaten erschließen, schreibt Schärtl in einem Beitrag für die Beilage „Derivate" der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ). Der direkte Erwerb russischer Aktien sei hingegen aufwendig, kostspielig und aus rechtlichen Gründen oft unmöglich.
Der russische Aktienmarkt habe 2005 - gemessen am RTX-Index - etwa 60 Prozent gewonnen, trotz eines empfindlichen Rückschlags von 15 Prozent im Oktober 2005. Rückschläge gibt es immer wieder. Dies ist nicht nur eine Standardausrede von Jürgen Klinsmann, wenn seine Nationalelf mal wieder schlecht gespielt hat. Auch an der Börse ist das normal. So werden viele Anleger noch die Rußland-Krise im Jahr 1998 vor Augen haben, als der Rubel nach Freigabe des Wechselkurses um 60 Prozent an Wert verlor. Doch Schärtl resümiert: „Nach Abwägung der Risiken stellen verbriefte Derivate weiterhin ein attraktives Instrument dar, schnell und kostengünstig als Depotbeimischung in den russischen Markt zu investieren."
Jörg Peisert, Geschäftsführer der Jörg Peisert und Partner Vermögensmanagement GmbH, favorisiert bei den so genannten Emerging Markets ebenfalls Rußland. Der Düsseldorfer Vermögensberater, der zuletzt für seinen zweimonatlich erscheinenden Finanzbrief über den russischen Markt intensive Recherchen vor Ort unternommen hatte, setzt dabei auf die Ölindustrie, die Versorgungsunternehmen und die Telekommunikationsbranche.
Peisert rät aber auch zur Vorsicht und empfiehlt, sich bei einem Engagement in russische Aktien auf Unternehmen mit hoher Börsenkapitalisierung und starker Marktposition zu konzentrieren. Einige Negativa trüben für Anleger jedoch das Bild des aufstrebenden russischen Marktes: Der wachsende Einfluß des Staates auf die Privatwirtschaft macht dem professionellen Beobachter zusehends Sorgen. Die russische Regierung will auch in Zukunft weite Teile ihrer Wirtschaft vor Übernahmen aus dem Ausland schützen. Wirtschaftsminister German Gref sagte in Moskau, in insgesamt 39 Wirtschaftsbereichen sollten ausländische Investitionen nur noch eingeschränkt möglich sein. Als Beispiele nannte der Minister die Rüstungsindustrie oder die Atomwirtschaft.
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Wirtschaftsminister Gref befürchtete allerdings, daß die russische Konjunktur überhitzen könnte: „Wir sind sehr besorgt, daß sich eine Blase bildet". Trotzdem, 1998 wird sich so nicht wiederholen. Den Rest wird man sehen.