„Wissenschaftliche Sensation: Der Fernseher, der Energie erzeugt“
„Tagesschau“ fällt auf Betrüger herein
Die „Tagesschau“ vermeldete auf ihrer Internetseite eine vermeintliche Weltsensation
Foto: ARD
Von: Philip Fabian
17.09.2022 - 05:52 Uhr
Diese Erfindung hätte wohl die Welt verändert...
Auf ihrer Website präsentierte die „Tagesschau“ am Freitag eine vermeintliche Technik-Sensation: einen „Fernseher, der Energie generiert statt sie zu verbrauchen“.
Angetrieben werde der Fernseher mit Funkwellen, brauche also kein Stromkabel. Und nicht nur das: „Selbst wenn der Fernseher aus ist, können durch ihn andere Dinge mit Strom versorgt werden“. Dann verwandele sich der Fernseher in ein „Mikroschallgerät, das Energie generiert“.
Auf Twitter bewarb die Reporterin des ARD-Studios Johannesburg ihren Beitrag mit den Worten: „Kein Kabel, keine extra Strahlung, keine Emissionen, kein Rohstoff-Verbrauch. Klingt wie ein Teil der Lösung für die Energiekrise.“
Das Problem: Es klingt zu schön, um wahr zu sein – und ist es auch.
Maxwell Chikumbutso, der vermeintliche Erfinder, der im Tagesschau-Beitrag ausführlich zu Wort kommt, ist kein Unbekannter: Schon vor Jahren präsentierte er ein Elektro-Auto, das angeblich nicht geladen werden muss, weil es mit Magnetwellen und Radiofrequenzen angetrieben wird, bot es auf einer Website sogar für 499 US-Dollar zum Verkauf an. Die Nachrichtenagentur AP und andere Faktenchecker entlarvten die „Sensation“ als Falschnachricht.
Wusste die Tagesschau-Autorin das nicht? Und hat sonst niemanden in der Tagesschau-Redaktion die „wissenschaftliche Sensation“ aufhorchen lassen, bevor sie online ging? BILD fragte den NDR an, bekam aber kurzfristig keine Stellungnahme.
In dem Beitrag erklärt Maxwell Chikumbutso: „Der Fernseher nutzt gewissermaßen kostenlose, erneuerbare und grüne Energie. Keine Emissionen, kein Verbrauch, keine Rohstoffe. Er nutzt die Funkwellen und wandelt sie um.“
Doch die „Tagesschau“-Autorin klingt nicht nur von der Erfindung überzeugt – sie übernimmt sogar die Erzählung, wonach sie sich nur deshalb nicht durchgesetzt habe, weil sie aus Afrika stamme. Dabei könnte der Wunder-Fernseher so viele Probleme auf der ganzen Welt lösen, wenn sich der Erfinder nur Gehör verschaffen würde, will die Tagesschau glauben machen.
Die „Deutsche Welle“ (ebenfalls öffentlich-rechtlich, aber nicht durch die Rundfunkgebühren, sondern über Steuern finanziert) übernahm den Beitrag ebenfalls und moderierte ihn an mit den Worten: „Das ist eine tolle Idee, die auch schon umgesetzt wird. Doch durchgesetzt hat sie sich noch nicht. Das habe, klagt der Erfinder, auch mit einer großen Portion Rassismus zu tun.“
Die Autorin bedauert in ihrem Beitrag: „Die Erfindung könnte Schule machen, aber für Innovationen aus dem südlichen Afrika gibt es wenig Aufmerksamkeit“. Chikumbutsos „Ideen könnten ein ganz großer Wurf sein. Und doch werde ihm in weiten Teilen Europas nicht einmal zugehört“, schreibt die Autorin.
Chikumbutso wolle in Afrika „seinen schnurlosen Fernseher (…) der ländlichen Bevölkerung zugänglich machen“. Und weiter: „Wissenschaftler aus Europa haben seine Erfindung noch nicht überprüft. Maxwell glaubt aber, sie wäre durchaus auch attraktiv für die westliche Welt, zum Beispiel auch für Deutschland.“
Und noch etwas habe Chikumbutso erfunden: „Straßenbeleuchtung, die nicht mehr solar gespeist wird, sondern mit Funkwellen – auch eine Erfindung von Chikumbutso. Sie leuchten schon in Mexiko und Nordamerika.“
Forscher aus den USA hätten bestätigt, dass die Erfindung tatsächlich funktioniert, lässt die „Tagesschau“ den vermeintlichen Erfinder im Beitrag noch sagen. „Er habe lange getüftelt, Materialien kombiniert, die es vor Ort in Simbabwe gibt, und das alles von Forschern aus den USA testen lassen. Sie hätten bestätigt, dass es tatsächlich funktioniert.“
Stunden, nachdem ihr Beitrag online ging und es bereits viel Spott und Kritik gab, räumt die Tagesschau-Autorin auf Twitter ein: „Ich habe trotz all meiner Nachfragen keinen Kontakt zu Wissenschaftlern aus den USA bekommen, die laut Maxwell Chikumbutso dessen mutmaßliche Erfindung geprüft und verifiziert haben sollen. Er will das entwickelt haben, behauptet er. So hätte ich es im Tweet formulieren müssen.“
Am späten Freitagabend war der Text auf der Tagesschau-Website nicht mehr abrufbar. Dazu erklärte der NDR: „Nach der Veröffentlichung hat uns Kritik am Text erreicht, die wir der Autorin weitergegeben haben. Die Autorin prüft die Hinweise und hat uns gebeten, den Artikel offline zu stellen. Dieser Bitte haben wir entsprochen.“ Der Text stamme „aus einem Standardangebot der ARD-Hörfunkkorrespondenten“.
Aber: Der [Links nur für registrierte Nutzer] war auch am Samstagmorgen noch auf der Tagesschau-Website zu finden.
Die Autorin des Artikels kommt vom SWR, ausgerechnet jener Anstalt, [Links nur für registrierte Nutzer]