An der juristischen Qualifikation des vor ein paar Monaten zum Präsidenten des Bundesverfassungsgerichts gewählten vorherigen CDU-Bundestagsabgeordneten Stephan Harbarth gab es auch bei Oppositionspolitikern keinerlei Zweifel. Bei Harbarth war und ist es weiterhin die Frage, warum er in seiner Zeit als Abgeordneter so viel Geld von seiner Anwaltskanzlei erhielt.
Bei ihm überwog mit jährlich gut einer Million Euro die Tätigkeit für die Kanzlei SZA Schilling Zutt & Anschütz, wie Kritiker monieren. Normalerweise spricht man bei Abgeordneten von “Nebeneinkünften”, die sie aus ihrer Tätigkeit neben dem Mandat erhalten. Angesichts der Abgeordneten-Diäten in Höhe von monatlich 10.012,89 Euro erscheint diese Formulierung in diesem Fall unpassend.
Die Kanzlei zählte VW und Daimler zu ihren Klienten und war auch mit den juristischen Folgen des Diesel-Betrugs befasst. Ein Thema, welches sicherlich mehrfach das Bundesverfassungsgericht beschäftigen wird. Grund genug sich mit der Frage zu befassen, wofür der heutige Präsident des BVerfG so viel Geld erhielt. Wohl gemerkt als junger Anwalt, allerdings als einer, der über ein Bundestagsmandat der Regierungspartei CDU verfügte. Also ein Anwalt mit direktem Kontakt zur Bundesregierung.
Das war Anlass für den zwischenzeitlich verstorbenen Kölner Anwalt und Insolvenzverwalter Klaus Siemon, eine Verfassungsbeschwerde einzulegen, die abgelehnt wurde. Darüber hinaus stellte er eigene Berechnungen an, um das Ergebnis dem Bundestagspräsidenten Wolfgang Schäuble schriftlich mitzuteilen. Denn Siemon sah in den jährlichen Zahlungen an Harbarth einen klaren Verstoß gegen das Abgeordnetengesetz. Dort heißt es im § 44 a Abs 1 unmissverständlich:
“Die Ausübung des Mandats steht im Mittelpunkt der Tätigkeit eines Mitglieds des Bundestages.”
Damit nicht genug, Siemon zufolge wurde Harbarth keineswegs für seine geleistete Arbeit als Anwalt bezahlt, dafür habe die ihm neben dem Mandat zur Verfügung stehende Zeit einfach nicht gereicht. Siemon – und nicht nur er – stellte sich die Frage, wofür der aufstrebende Politiker die jährliche Million erhielt?
In dem Schreiben, das Siemon an den Bundestagspräsidenten Schäuble sandte und das Telepolis vorliegt, heißt es: “Herr Harbarth war rein rechtlich mithin gar nicht in der Lage, eine hauptberufliche Tätigkeit bei der SZA-AG zu erfüllen. Dennoch erhielt der nicht nur die durchschnittliche, normale, sondern sogar eine weit überdurchschnittliche Vergütung als Vorstand…”
Gemeint ist die Tätigkeit Harbarths in der Anwaltsfirma SZA-AG. Für Siemon kann es “als ausgeschlosssen gelten, dass eine Kanzlei mit dieser Tradition einem 37-jährigen Junganwalt ein aufsteigendes Einkommen bis hin zu 1Mio €/jährlich allein für die reine Anwaltstätigkeit zahlt, die faktisch aufgrund der Arbeitsbelastung als MdB absehbar gar nicht erbracht werden kann”.