Sueddeutsche Zeitung / 10. Mai 2018 / von Lars Langenau
Iran und USA
Staatsstreiche, Geiselnahmen, Sanktionen
Das Verhältnis von USA und Iran ist seit Jahrzehnten vor allem von Misstrauen geprägt. Die Geschichte einer innigen Feindschaft. Anfang des 20. Jahrhunderts waren sich die USA und Persien noch herzlich egal. Und kaum einer hätte damals vermutet, dass die beiden Länder einmal eine der innigsten Feindschaften der Weltpolitik entwickeln würden. Die Geschichte dieser Feindschaft dreht sich um Geld, Öl, Macht und Verrat. Sie beginnt ganz unspektakulär.
Machtwechsel in der Weltpolitik - London geht, Washington kommt
Vor dem Zweiten Weltkrieg pflegen Iran, Erbe des längst vergangenen persischen Großreiches, und die Vereinigten Staaten, aufstrebende Weltmacht, ganz normale diplomatische Beziehungen. Ein paar amerikanische Missionare besuchen das Land mit der großen Geschichte, sind aber nicht besonders erfolgreich dabei, die schiitische Mehrheit vom Christentum zu überzeugen. Dass Iran auch in der modernen Welt eine große strategische Bedeutung haben wird, ist zwar spätestens klar, seit dort
1903 Öl entdeckt wurde. Aber das Land liegt damals außerhalb der amerikanischen Einflusssphäre - noch hat das britische Empire das Sagen, das sich auch umfangreiche Schürfrechte für die Erdölvorkommen sichert.
Im Verlauf des Zweiten Weltkriegs allerdings ändert sich das internationale Kräfteverhältnis. Und das zeigt sich auch im Nahen Osten. 30 000 US-Soldaten sichern während des Krieges in Iran für die Alliierten den strategisch wichtigen Versorgungsweg in die Sowjetunion.
Nach dem Krieg sehen viele Iraner die Schwäche des britischen Empires als Chance. 1951 kommt in Teheran der bis heute populäre Mohammad Mossadegh als Premier an die Macht.
Der national-liberale Politiker steht einer "Nationalen Front" vieler verschiedener Parteien vor, die auch die kommunistische Tudeh-Partei einschließt. Seine Regierung sorgt für bis dato nicht wieder erreichte Meinungsfreiheit, Pressefreiheit und Pluralismus in Iran. Neben der Demokratisierung des politischen Systems verstaatlicht die "Nationale Front" aber auch das iranische Öl, das bis dahin über die Anglo-Iranian Oil Company faktisch im Besitz der Briten war. London will sich das nicht bieten lassen und erwägt, Truppen zu entsenden, um seine Interessen durchzusetzen.
Die USA als neue Weltmacht und enger Verbündeter Großbritanniens müssen in dem postkolonialen Streit Stellung beziehen.
Präsidenten Harry Truman drängt zunächst bei den Briten auf Mäßigung. Die Zurückhaltung wird unter dem neuen US-Präsidenten Dwight D. Eisenhower allerdings aufgegeben. Zu Mossadeghs "Nationaler Front" gehört unter anderen auch eine kommunistische Partei und gemäß der neuen Domino-Theorie der US-Regierung läuft Iran somit Gefahr, in die Einflusssphäre der Sowjetunion zu rutschen. Am 19. August 1953 läuft die
"Operation Ajax" an, bei der CIA und MI6 einen
Putsch gegen Mossadeqh anzetteln. Sie wollen statt seiner eine
westliche Marionette an die Macht bringen. Gerechtfertigt wird der Putsch der amerikanischen und britischen Geheimdienste mit einer angeblich bevorstehenden
kommunistischen Machtübernahme, was allerdings völlig erfunden war.
Es ist das erste Mal, dass die USA in dieser Region eine Regierung stürzen. Aber der von Washington und London aus organisierte Staatstreich hat sich bis heute ins kollektive Gedächtnis Irans eingebrannt, obwohl viele junge Iraner amerikanischen Lebensstil und Werte bewundern. Die Verantwortung für diese Erbsünde im amerikanisch-iranischen Verhältnis übernahm erst im Jahr 2000 die damalige Außenministerin Madeleine Albright, als sie erstmals von offizieller Seite die amerikanische Beteiligung an dem Staatsstreich eingestand.
Ein Freund in Teheran - der Westen und der Schah
Mit dem Coup gewinnen die Vereinigten Staaten die politische Vorherrschaft im Nahen Osten, die zuvor das britische Empire ausgeübt hatte. Das britische Monopol auf iranisches Öl geht auf ein Konsortium internationaler (meist amerikanischer) Firmen über.
Unter Schah Reza Pahlavi wird Iran de facto ein amerikanischer Satellitenstaat.
Gemeinsam mit dem israelischen Geheimdienst Mossad baut der CIA anschließend den berühmt-berüchtigten Geheimdienst Savak auf. Er wird zum mächtigsten Kontrollinstrument des Schahs. Zunächst unterdrückte der Schah jede Liberalisierung im Keim. Doch unter dem Druck nationaler Revolutionen in Irans arabischen Nachbarstaaten und der neuen US-Regierung von John F. Kennedy beschließt Reza Pahlavi später eine Vielzahl liberaler Reformen.
Von Konservativen und schiitischen Mullahs werden diese Reformen jedoch als imperialistischer Anschlag der USA auf die nationale Souveränität des Landes verstanden und bekämpft. Der Sicherheitsapparat des Schahs unterdrückt 1963 einen Aufstand konservativer Schichten unbarmherzig. 1964 erkennt das Schah-Regime die politische Immunität aller in Iran stationierten US-Soldaten an, fortan gilt Pahlavi im eigenen Land als "amerikanischer Schah". Spätestens damit ist auch der Samen für die Revolution von 1979 gesät.
Wirtschaftlich nimmt der Ölstaat unter dem Schah Fahrt auf, eine neue Mittelschicht entsteht. Aber die politischen Partizipationsmöglichkeiten bleiben unterentwickelt. Trotzdem setzen die USA voll auf ihren neuen Verbündeten und machen Iran zum Polizisten der Region.
Der Schah kauft immer neue Waffen von den USA und erschafft (neben Saudi-Arabien) eine regionale Supermacht: Iranische Soldaten kämpfen in Oman und mit den rebellierenden Kurden im Irak. Im Jom-Kippur-Krieg von 1973 versorgt Teheran Israel mit Öl, obwohl das Land offiziell als aussätzig gilt.
"Tod über Amerika" - die Revolution von 1979
Unter der Herrschaft des Schahs herrschen
Despotismus, Korruption, Misswirtschaft und Unterdrückung, wie Bahman Nirumand in seinem 1967 erschienenen Buch "Persien, Modell eines Entwicklungslandes oder Die Diktatur der Freien Welt" auch den rebellierenden Studenten in Westdeutschland deutlich macht. Der Schah selbst versinkt in Größenwahn und lässt zehntausende politische Gegner einsperren und foltern. Die Regierung des demokratischen Präsidenten Jimmy Carter rückt langsam von Reza Pahlavi ab.
Die Unzufriedenheit in Iran führt schließlich zum Ende des Regimes. 1979 flieht der Schah vor Unruhen und es folgt eine Revolution, die zunächst auch von liberalen und linken Kräften getragen wird. Nach und nach verdrängen die Mullahs um Ajatollah Khomeni aber die bürgerlichen Revolutionäre, die schließlich selbst verfolgt werden. Etwa eine Million gebildeter Iraner geht ins Exil. Als äußerer Feind der neuen Machthaber müssen die USA herhalten: "Tod über Amerika" schallt es aus den Kehlen der islamistischen Revolutionäre.
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Trotz der Geheimkontakte zum Weißen Haus verdammen Irans Revolutionäre die US-Botschaft noch heute propagandistisch als "Nest der Vipern" und deuten die Geiselnahme als Akt der Notwehr gegen "den großen Satan", die USA. Irans ehemaliger Präsident Mahmud Ahmadenischad, der selbst als Student an der Besetzung teilgenommen hatte, lobte, dass man die USA damit "erniedrigt" habe.
Iran und Irak - Nachbarn im Krieg
Im September 1980 greift der Irak unter Diktator Saddam Hussein nach der ölreichen südiranischen Provinz Khusistan. Die USA beliefert beide Seiten mit Waffen (Irak offiziell, Iran inoffiziell) und trägt so dazu bei, dass der Krieg acht Jahre dauert und zwei Millionen Menschen sterben. In Iran nie vergessen ist auch, dass die Reagan-Regierung den Einsatz von Chemiewaffen gegen iranische Soldaten durch Truppen von Saddam Hussein billigte.
Im Oktober 1981 wird Ayatollah Ali Khamene'i zum Präsidenten gewählt. In dieser Zeit kommt es auch zu Attentaten, die von Teheran aus gesteuert werden: Im Frühjahr 1983 sprengen von Iran unterstützte Selbstmordattentäter die US-Botschaft in Beirut in die Luft, im Herbst sterben 241 amerikanische Soldaten bei Anschlägen auf die Hauptquartiere der Amerikaner (und der Franzosen) im Libanon. Die Beziehungen zwischen den beiden Ländern werden immer schlechter. Reagan erklärt Iran zum "Sponsor des internationalen Terrorismus" und verschärft die Sanktionen. 1988 schießt ein US-Kriegsschiff einen iranischen Airbus ab, alle 290 Passagiere sterben. 1989 ruft Chomeini in einer Fatwa zur Tötung des britisch-indischen Schrifststellers Salman Rushdie auf, was zu weltweiten Protesten führt - Großbritannien bricht die diplomatischen Beziehungen ab. Mitte des Jahres stirbt Chomeini an Krebs. Ali Chamenei nimmt seinen Platz als Revolutionsführer ein.
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