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* Abschiebungen von Flüchtlingen *
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.*** Schnellere Abschiebungen: Ein Gesetz, das noch für Streit sorgen wird ***
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... Das Kabinett hat einen Gesetzentwurf für schnellere Abschiebungen beschlossen. Doch die Ampel ist nur nach außen einig. In den Fraktionen rumort es.
Das Bundeskabinett hat am Mittwoch wie erwartet den Gesetzentwurf zur Verschärfung von Abschiebeverfahren beschlossen. Die politische Debatte darüber ist aber immer noch in vollem Gange. Der Union gehen die Regelungen nicht weit genug und in der Ampel ist man sich über die verschärfte Gangart keineswegs so einig, wie es nach außen den Anschein hat. ...
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Das lässt sich auch an dem Statement ablesen, das Bundesinnenministerin [Links nur für registrierte Nutzer] (SPD) im Anschluss an die Kabinettssitzung vor der Presse abgab. Sie betonte, dass alle Koalitionsparteien zugestimmt hätten. „Das ist ja kein Faeser-Beschluss heute, sondern ein Beschluss des Bundeskabinetts“, sagte die [Links nur für registrierte Nutzer]-Politikerin am Mittwoch in Berlin auf eine Frage nach Vorbehalten gegen die Pläne beim grünen Koalitionspartner. „Und da sitzen die [Links nur für registrierte Nutzer] ja auch mit am Tisch.“ Außenministerin Annalena Baerbock, Wirtschaftsminister Robert Habeck, Agrarminister Cem Özdemir und Umweltministerin Steffi Lemke hätten alle zugestimmt, so Faeser.
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Abschiebungsgesetz: „Rückbesinnung auf die Idee des Respekts“ wird gewünscht.
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Was soll sich alles ändern?
Die Bundesregierung will, dass mehr Menschen, die kein Bleiberecht haben, Deutschland verlassen. Folgendes ist geplant:
Ausreisegewahrsam: Künftig soll ein 28-tägiger Ausreisegewahrsam möglich sein, um eine Abschiebung zu vollstrecken. Die Maximaldauer liegt derzeit bei zehn Tagen, reicht laut Bundesinnenministerium aber oft nicht aus, um alle Vorbereitungen für eine Abschiebung zu treffen. Im Ausreisegewahrsam können Menschen festgehalten werden, bei denen die Voraussetzungen für eine Abschiebehaft nicht erfüllt sind, aber dennoch angenommen wird, dass sie einer Abschiebung entgehen könnten. Das ist schon dann der Fall, wenn sie die Frist zur Ausreise um mehr als 30 Tage haben verstreichen lassen.
Mehr Befugnisse bei Durchsuchungen: In Erstaufnahme- und Gemeinschaftsunterkünften soll der Polizei bei einer geplanten Abschiebung künftig auch andere Wohnräume als die der Abzuschiebenden durchsuchen dürfen. Damit soll verhindert werden, dass sich Betroffene bei Zimmernachbarn verstecken können. Zudem soll wes künftig erlaubt sein, die Wohnräume einer abzuschiebenden Person nach Unterlagen oder Daten zu durchsuchen, die über die Identität Auskunft geben. Das Gesetz soll zudem klarstellen, dass die Behörden Bilder und Nachrichten von Smartphones auslesen dürfen, wenn Pass oder andere Identitätspapiere fehlen.
Mehr unangekündigte Abschiebungen: Die bisherige Pflicht, Menschen, die seit mindestens einem Jahr in Deutschland geduldet waren, eine Abschiebung mindestens einen Monat zuvor anzukündigen, soll gestrichen werden. Eine Vorwarnung sollen nur noch Familien mit Kindern unter zwölf Jahren erhalten. Auch in der Abschiebehaft soll die Ankündigungspflicht entfallen.
Abschiebungen auch in der Nacht: Wenn bei einer Abschiebung durch eine Vorgabe des Ziellandes oder einen späten Flug ein „Ergreifen zur Nachtzeit“ erforderlich ist, soll es künftig zulässig sein, die Menschen nachts etwa auch aus Gemeinschaftsunterkünften herauszuholen.
Abschiebung mutmaßlicher Krimineller: Menschen sollen ausgewiesen werden können, die mutmaßlich einer kriminellen Vereinigung angehören. Unabhängig von einer strafrechtlichen Verurteilung sollen die Behörden davon ausgehen, wenn „Tatsachen die Schlussfolgerung rechtfertigen“. Ein bloßer Verdacht durch ein Verwandtschaftsverhältnis soll aber nicht ausreichen.
Weitere Verschärfungen: Unter anderem soll ein „besonders schwerwiegendes Ausweisungsinteresse“ angenommen werden, wenn jemand wegen Schleusungskriminalität zu mindestens einem Jahr Freiheitsstrafe verurteilt wurde. Bislang sind es zwei Jahre. Zudem sollen Verstöße gegen Einreise- und Aufenthaltsverbote ein eigenständiger Grund für Abschiebehaft werden. Falschangaben gegenüber dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge sollen ein eigener Straftatbestand werden. Ferner soll künftig schon mit bis zu einem Jahr Freiheitsstrafe bestraft werden können, wer einmal gegen Meldepflichten oder eine räumliche Aufenthaltsbeschränkung etwa auf einen Landkreis verstößt.
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Gab es in der Vergangenheit schon Verschärfungen beim Thema Abschiebungen? Ja, viele: Etwa 2015, 2016, 2017 und 2019. Unter anderem wurden damals die Gründe für Abschiebehaft erweitert und zusätzliche Beschränkungen für Geduldete eingeführt.
Hat das zu mehr Abschiebungen geführt? Die Anzahl der Abschiebungen lag zwischen 2015 und 2019 zwischen 20 900 und 25 400 pro Jahr. Nach niedrigeren Zahlen in der Pandemie (2020: 10 800) stieg die Anzahl der Abschiebungen bis 2022 auf rund 12 900 an. Laut einem Bericht der „taz“ wurden in diesem Jahr bis Ende September bereits rund 12 000 Menschen abgeschoben – Hauptzielländer waren demnach Georgien, Nordmazedonien und Moldau.
Wie viele Menschen sind ausreisepflichtig? Ende August 2023 waren laut einer Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der Linken 261 925 Menschen in Deutschland ausreisepflichtig. Theoretisch, denn 210 528 davon hatten eine Duldung, was heißt, dass sie in vielen Fällen nicht abgeschoben werden können. Hauptherkunftsländer waren der Irak, Afghanistan und Russland.
Sind das alles Menschen mit abgelehntem Asylantrag? Nein, darunter sind zum Beispiel auch Menschen mit abgelaufenem Visum. Abgelehnte ausreisepflichtige Asylsuchende gab es Ende August 155 448 – nur 19 464 davon hatten keine Duldung. epd/FR
Der stellvertretende Grünen-Fraktionschef Andreas Audretsch kündigte an, dass der Kabinettsbeschluss lediglich ein erster Baustein sei, dem man im Parlament prüfen werde. Außerdem müssten wichtige Maßnahmen folgen, „die tatsächlich spürbare Verbesserungen vor Ort bringen“.
In diesem Satz ist angedeutet, was einige Fraktionärinnen und Fraktionäre von SPD und Grünen nur hinter vorgehaltener Hand sagen: Das Gesetz für schnellere Abschiebungen ist vor allem dazu gedacht, die Regierung wieder als handlungsfähig darzustellen. Wichtig ist demnach, einen Erfolg bei den Abschiebungen vermelden zu können, auch wenn die absoluten Zahlen, die dabei zu erreichen sind, die Städte und Kommunen nicht entlasten werden.
CDU fordert noch härtere Maßnahmen: Linnemann will Kontrollzentren an deutschen Grenzen
Audretsch fordert, dass in absehbarer Zeit die Arbeitsverbote für geflüchtete Menschen fallen. Dazu habe Minister Habeck gute Ideen in die Verhandlungen eingebracht, sagte er der dpa. Er erwarte, dass die Bundesregierung die entsprechenden gesetzlichen Regelungen zügig vorlege. „Es ist absurd, dass viele Menschen in Sammelunterkünften sitzen und ihnen verboten ist zu arbeiten, während Unternehmen überall in Deutschland händeringend nach Arbeitskräften suchen. Die Union ist herzlich eingeladen, ihre ideologischen Scheuklappen abzulegen und sich konstruktiv in den Prozess einzubringen.“ Das hat die Union auch vor, allerdings in ganz anderer Hinsicht. [Links nur für registrierte Nutzer]. Sie will weitere Verschärfungen.
Der CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann forderte am Mittwoch dazu sogar Kontrollzentren an deutschen Grenzen. „Wer ein Bleiberecht hat, der kann gerne kommen“, sagte er. „Aber alle anderen müssen von dort wieder zurückgeführt werden.“
Erneut warf Linnemann dem Bundeskanzler vor, dass dieser nicht auf die Vorschläge der Unionsfraktion eingehe. Die Union will, dass die Liste der „sicheren Herkunftsländer“ um Algerien, Marokko, Tunesien und Indien erweitert wird. Außerdem sollen die Leistungen für Asylbewerber:innen auf ein Kartenbezahlsystem umgestellt werden. „Wir brauchen einen großen Migrationspakt“, sagte Linnemann.
Die Vorgeschichte dazu ist, dass Olaf Scholz in einer Regierungserklärung einen „Deutschlandpakt“ angekündigt und die Opposition ausdrücklich zur Mitarbeit aufgefordert hatte. Es sollte darin um die Modernisierung Deutschlands gehen. Die Union hat den „Deutschlandpakt“ aber in einen Pakt für Forderungen in Sachen Migrationspolitik umgedeutet, weil sie darin das größte politische Problem sieht. Der Kanzler spricht daher nicht mehr von „Deutschlandpakt“, während die Union immer wieder auf ihre Interpretation des Themas zurückkommt.
Die Linke im Bundestag lehnt das neue Gesetz komplett ab. „Es hilft den Kommunen null“, sagte der Erste Parlamentarische Geschäftsführer der Fraktion, Jan Korte, der Frankfurter Rundschau am Mittwoch. „Wir brauchen endlich Investitionen in die Infrastruktur, den sozialen Wohnungsbau und ein Ende des AfD-Ähnlichkeitswettbewerbs.“ Die Verantwortlichen sollten die Ursachen der Probleme angehen. Die lägen „im Kaputtsparen der öffentlichen Infrastruktur“, so Korte. Stattdessen mache die Ampel offenbar „Politik nach der Pfeife der AfD. Ganz toll.“
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