Es liegt in der Natur der Sache – "ita natura rerum fert", wie der Lateiner sagt: "So bringt es die Natur der Dinge mit sich" –, dass in Großstädten die Umgebung von Bahnhöfen, besonders von großen Fernbahnhöfen, nicht selten Kopfbahnhöfen – oder wie? "Sackbahnhöfen"? leicht verkommt. In Brasilien, wo Bahnhöfe selten sind, würde man sich über diesen Ausdruck erheitern. Einen Einkaufssack, den Ihr im abgehalfterten Reich gern "Tüte" nennt, bezeichnet man dort als "sacola". Wenn aber ein Brasilianer, auch einer von der Reichshälfte, die so etwas gar nicht hat, herzhaft "saco" ruft, etwa so wie jemand in unseren Längen und Breiten "Sch....", meint er etwas anderes.
Macht nichts, wenn du immer nur Bahnhof verstehst! Das wäre nicht mal off-topic.
Es kann sich um einen Platz davor oder um ein paar Straßen in der Umgebung oder auch um ein ganzes Viertel. Namen wie Schwanthaler, Goethe und Schiller stören da nicht sonderlich. Das sind halt deutsche Namen, die dort vorkommen – noch.
Eine solche Umwidmung kommt aber nicht von ungefähr sondern lässt auf politische Umwälzungen (lat.: Revolutionen) schließen, die nicht immer so schnell ablaufen, dass man sie mitbekommt.
Aber wie sagte schon Karl Kraus? "Wenn die Sonne der Kultur niedrig steht, werfen selbst Zwerge lange Schatten." Hach, bin ich heute literarisch drauf! Vegetarisch nicht, und wie sehr arisch ich insgesamt bin, weiß ich nicht. Wie auch immer – die Mischung ist gut ausgefallen.
Du hast auf die Siebzigerjahre des vorigen Jhdts. angespielt. Da hatten sich Deutschland und Österreich im "Wirtschaftswunder" so weit gefangen. Es gab Gastarbeiter, besonders aus dem Süden und Südosten Europas, die die Lohnkosten drücken sollten, um die Konkurrenzfähigkeit der Exportwirtschaft zu verbessern. Nicht wenige blieben hier und integrierten sich gut, andere verbesserten ihre wirtschaftliche Lage, lernten Deutsch und kehrten in ihre Heimat zurück, wo sie daraus z. B. Betriebe für den Tourismus aufbauten.
Das ging ja noch! Aber im Verlauf der Siebzigerjahre übernahmen nach und nach die Linken, also die, die sich nicht durch Ausbeutung an der Bevölkerung bereichert haben, sondern sie ihnen wegnehmen, was ihnen übrigbleibt. Und als sie dann die dringend benötigten Fachkräfte massenhaft einreisen ließen, kamen die in der Regel auf deutschen Bahnhöfen an, bis man ihnen die Einreise mittels Flugzeuge erleichterte. Da lag es doch nahe, dass sie ihre speziellen Fähig- und Fertigkeiten des Bahnhofs entfalteten. Sollen etwa die Drogenlieferanten die einzelnen Dealer in deren jeweiligem Domizil beliefern, auf dass diese dann ihre Kunden aufsuchen?
Auch Vergnügungsviertel neigen leicht zum Verkommen, oft schon von Anfang an. So schaffte man es in Wien schließlich, alles miteinander zu verbinden. In mehreren Schritten fädelte man Westbahn, Südbahn und Ostbahn auf, leitete sie zu einem neuerrichteten Zentralbahnhof und verband diesen über die Schnellbahn mit der ehemaligen Nordbahnstrecke, deren hübscher Kopfbahnhof den Krieg nicht überstanden hatte. An einen wichtigen Verbindungspunkt, den Praterstern, schließt sich Wiens größtes Vergnügungsviertel, der Prater an, und zur bereits bestehenden U-Bahn-Linie U1 fügte man die Verlängerung der U2 dazu, auf dass man dort jetzt praktisch eine U1½ hat. Und ein Stück weiter ist schon der Hafen. Der 2. Wiener Gemeindebezirk, aus dem ich selbst stamme, hat also Gelegenheit, wieder zum verruchtesten Bezirk Wiens zu werden.
Also Bildet euch nicht so viel auf eure verkommenen Bahnhöfe in Deutschland ein. Wien schafft das auch. Vielleicht sollte ich dort mal wieder nach dem Rechten sehen.