Kleinreaktoren
Seit einiger Zeit werden vorwiegend in den USA Konzepte zur Entwicklung von Kleinreaktoren verfolgt. Die unscharfe Trennlinie der Definition eines Kleinreaktors liegt bei einer elektrischen Nominalleistung von ungefähr 300 MW. Es gibt verschiedene Motivationen für diese Bestrebungen.
- Senkung der politischen Kosten für den Kraftwerksbau. Beim Bau eines Kernkraftwerks werden die Komponenten des Reaktors und des Turbinenteils vor Ort zusammengesetzt und in dem Stahlbetonbau des Kontainments integriert. Die Anlage wird von der Aufsichtsbehörde kontrolliert und erhält eine Zulassung. Diese Anlagenzulassung wird für jedes neu gebaute Kraftwerk einzeln erteilt, auch wenn es ein bereits mehrfach gebauter Typ ist, und ist sehr kostenaufwendig. Diese Art politischer Kosten wurde immer weiter in die Höhe getrieben. Um dem zu begegnen kann man fast vollständige Kraftwerksmodule mit genügend kleinen Reaktoren komplett in der Fabrik bauen. Für diese Module ist dann nur noch eine Bauartzulassung erforderlich, die einmal erteilt für alle diese Typs gilt und bei Auslieferung an einen Kraftwerksstandort nicht erneut eingeholt werden muss. Am Standort des Kraftwerks wird dann bloß noch eine Turbine an die Kühlungsanschlüsse des Reaktormoduls angebaut und ein Gebäude drumherum, welches keinen Kontakt mehr mit Radioaktivität hat.
- Verhinderung von Proliferation. Ein gekapseltes Reaktormodul bräuchte von Außen nicht zugänglich zu sein. Kleinreaktoren erfordern sowieso einen höheren Spaltstoffanteil. Vergrößert man ihn noch etwas mehr, kann der Reaktor je nach Bauart 5-30 Jahre ohne Spaltstofferneuerung betrieben werden. Danach wird er als ganzes in die ursprüngliche Herstellungsfabrik zurück geschafft und entsorgt oder der Reaktorkern erneuert und wieder ausgeliefert. Der Betreiber hat also keinen Zugriff auf den Reaktorkern und damit keine Möglichkeit, Spaltstoff abzuzweigen. Damit soll es möglich werden diese Kleinreaktoren in Ländern einzusetzen, die als nicht vertrauenswürdig (von den USA) angesehen werden.
- Aspekt der Betriebssicherheit. Gekapselte Reaktormodule können gleich im Boden vergraben werden und sind so gegenüber Gewaltaktionen in vernünftigem Maße abgesichert. Ihre Leistung und Leistungsdichte ist so reduziert, dass das Risiko eines Restzerfallswärmeunfalls deutlich vermindert oder ganz ausgeschlossen ist.
- Insellösung zur Elektrizitätserzeugung. Kleinreaktoren sollen in Gebieten die keinen Netzanschluss haben oder in Ländern, die über kein für den Einsatz von Großkraftwerken hinreichend ausgebautes Netz verfügen, günstiger als andere Alternativen wie Dieselaggregate und erst recht "Erneuerbare" elektrische Energie erzeugen.
Es sind sehr unterschiedliche Implementierungen für die Kleinreaktoren vorgesehen. Einige nehmen Techniken der Generation IV vorweg, andere sind nur wieder verkleinerte Durckwasserreaktoren. Oft wird die Entwicklung von Start-Ups betrieben, die zeitnah damit Geld verdienen wollen, wodurch alternative Techniken rascher umgesetzt würden als durch das GIF.
Die Verkleinerung von Druckwasserreaktoren wird von NuScale Power und Babcock & Wilcox Co betrieben. Durch die Verkleinerung verspricht man sich das Risiko der Kernschmelze zu vermeiden; eben wie bei den Schiffsreaktoren. So sollen etwa bei NuScale Power kleine Druckwasserreaktormodule mit 45 MW
el in einem jeweils eigenen Wasserpool hängen, der die Notkühlung passiv besorgt. Mehrere Reaktormodule sollen in einer großen Halle vereinigt ein Großkraftwerk bilden, welches nun kein Kernschmelzerisiko mehr hätte. Der Preis dafür ist allerdings aufgrund der geringen Leistungsdichte der Gesamtanlage sehr hoch.
Das Hyperion Power Module ist ein Blei-Wismuth gekühlter schneller Reaktor mit 20% Uran-235 Brennelementen. Die Lebensdauer des Moduls wird mit 7-10 Jahren angegeben bei einer Leistung von 25 MW
el. Ursprünglich war geplant einen selbstregulierenden Reaktor mit Wasserstoffgas als Kühlmittel und Moderator mit porösem Uran als Brennstoff zu konstruieren. Der Entwicklungsaufwand erschien dem Start-Up allerdings als zu hoch, weshalb man sich mit dem einfacheren Blei-Reaktor begnügte.
General Atomics entwickelt das Konzept eines Helium-gekühlten schnellen Reaktors mit 240 MW
el Leistung. Es entspricht also dem GFR. Der Brennstoff soll aus abgebranntem LWR-Brennelementen bezogen werden. Allerdings wird ein Anteil starken Spaltstoffs von 12% erforderlich. Der Modulaustausch soll nach 30 Jahren erfolgen.
GE Hitachi entwickelt mit Subventionierung der US-Regierung den PRISM Reaktor (
Power Reactor Innovative Small Module). Er ist ein Nachfolger des IFR-Projekts (
Integral Fast Reactor) welches wiederum auf dem EBR 1 & 2 basiert. Es handelt sich also um einen SFR mit einer Leistung von 311 MW
el. Die Reaktormodule sind zugänglich, um die Brennelemente alle 1-2 Jahre zu tauschen. Wirklich innovativ hieran ist, dass metallischer Spaltstoff verwendet wird und die Wiederaufarbeitung mit der für den IFR entwickelten pyrochemischen Methode erfolgt, allerdings zentral, wobei durch Elektroraffination die Aktiniden von den Spaltprodukten getrennt werden. Dies wäre die erste Wiederaufarbeitungsanlage ohne das PUREX-Verfahren.
Am weitesten in der Entwicklung vorangeschritten ist der Toshiba 4S. Hierbei handelt es sich ebenfalls um einen Natrium-gekühlten schnellen Reaktor, der allerdings mit 20% Uran-235 Brennstoff betrieben wird. Der Reaktorkern ist zylinderförmig und die Spaltzone wird durch einen beweglichen Reflektor im Kern geführt. Damit soll eine Lebensdauer von 30 Jahren erreicht werden. Die Leistung beträgt 10 MW
el und ist damit prädestiniert für Inselanwendungen. Nur zu diesem Kleinreaktortyp liegen bereits Schätzungen für die Elektrizitäterzeugungskosten vor, die allerdings breit streuen mit 5-13 US¢/kWh.
Eine interessante Entwicklung, die auf Edward Teller zurückgeht ist der Solitonenreaktor. Hierbei handelt es sich um einen schnellen Reaktor, wo sich eine Spaltzone (das Soliton) langsam (~ 100 Jahre) durch einen Uran-238-Zylinder frisst. Dieser Vorgang wird durch eine dünne Plutonium oder Uran-235 Schicht an einem Ende des Zylinders gestartet. In Laufrichtung wird durch die Spaltneutronen neues Plutonium aus dem Uran-238 erbrütet. Auf der anderen Seite bleiben die hochkonzentrierten Spaltprodukte zurück. Man hat also quasi eine nukleare Kerze, die langsam abbrennt. Dieses Konzept wird durch TerraPower als
Traveling Wave Reactor entwickelt, wo flüssiges Natrium die Wärme zu einem im Modul integrierten Dampfgenerator abführt. So interessant dieses Konzept auch ist, hat es den gravierenden Nachteil, das die Leistungsdichte aufgrund der sehr dünnen Spaltzone auch entsprechend klein ist. Das Konzept erfuhr daher schon mehrere Modifikationen, die letztendlich wieder auf Brennelemente hinauslaufen. Die Gemeinsamkeiten mit dem Toshiba 4S sind recht groß.
Wie die Angaben zu den Erzeugungskosten für den Toshiba 4S schon indizieren, liegen die Erzeugungskosten für vergleichbare Kleinreaktoren oberhalb von fossilen Kraftwerken und insbesondere auch Gasturbinenkraftwerken, die mit Schiefergas befeuert werden. Dies ist dadurch bedingt, dass durch die Runterskalierung die Gesamtleistungsdichte der Anlage ebenfalls schrumpft. Sie sind daher nur für Insellösungen anwendbar und können effizientere Großkernkraftwerke ebenso wenig ersetzen, wie Blockheizkraftwerke fossile Großkraftwerke ersetzen können. Das Argument der Reduzierung der Genehmigungskosten zieht also nur sehr bedingt und hängt eben sehr von der jeweiligen politischen Großwetterlage ab, die eben wetterwendig ist. Die gerade in der US-Politik so übersteigerte Angst vor Proliferation, wenn Plutonium beteiligt ist, ist irrational. Man ignoriert dort die Erkenntnisse des US-Militärs zur Untauglichkeit von Leistungsreaktorplutonium. Aber wer könnte es den US-Politikern verdenken, wo doch unsere Politiker die Konsequenzen des Entropiesatzes für die grundsätzliche Untauglichkeit der "Erneuerbaren" konsequent ignorieren. Kraftwerksreaktoren mit hoher Leistungsdichte sind auch für Großkraftwerke prinzipiell unterirdisch baubar, so dass es auch hierbei keine unbedingte Notwendigkeit für Kleinreaktoren gibt. Das Potential der Kernenergie wird also auch durch diese neuen Entwicklungen durchaus nicht besser ausgeschöpft als bei den Groß-LWR's.
Die weitere Entwicklung
Der derzeitige Neubau von Kernkraftwerken und ihre weitere Entwicklung in Form der Generation IV ist im Zusammenhang der gesamtwirtschaftlichen Situation zu sehen. Hierbei kommt entscheidend die Nutzbarmachung nicht-konventioneller Gasvorkommen zum Tragen. Die Schiefergasausbeutung hat zu einem starken Preisverfall bei Gas in den USA geführt, obwohl der Energieaufwand zur Nutzbarmachung von Schiefergas deutlich größer ist als zum Anbohren konventioneller Gasblasen. Der Haupteffekt besteht darin, das Schiefergas so breit gestreut vorhanden ist, dass die durch Absprachen überhöhten Preise der wenigen Versorger mit konventionellem Gas zusammengebrochen sind. Die Preisreduktion kam also nicht durch billigere Förderung zustande sondern durch Zerschlagung der Kartellstruktur. Insofern sind der Preisreduktion Grenzen gesetzt. Dennoch ist der Erzeugungspreis durch Gaskraftwerke mit Schiefergasbefeuerung so gering, dass die Generation III(+) Kernkraftwerke im Vergleich unwirtschaftlich werden. Dies betrifft auch viele aus der Generation IV und die Kleinreaktorprojekte. Die Hypothek der unwirtschaftlichen Militärtechnik wiegt hier schwer. Es wird daher oft die Ansicht vertreten, dass die Kernenergie erst dann weiter ausgebaut würde, wenn die fossilen Energieträger tatsächlich wieder knapp würden. Verkannt wird dabei allerdings die sehr schlechte Ausschöpfung des Potentials der Kernenergie. Es ist daher angebracht aus dem Wissen der Kernphysik heraus, die eingefahrenen Gleise zu verlassen und die Konstruktion von Kernreaktoren grundsätzliche neu zu überdenken, um das Potential der Kernenergie voll zur Entfaltung zu bringen. Auf diese Weise würde sich die Kernenergie von selbst durchsetzten, da sie eine echte Verbesserung der Energieerzeugung inklusive synthetische Kraftstoffe bieten könnte und nicht nur das Gleiche zum fast gleichen Preis erzeugt.