Mit dem Elektroauto bis zum Gletscher
24. Oktober 2019 Johannes 7 Kommentare Unsere Mobilität
Wie alltagstauglich ist Elektromobilität? Kann man mit einem E-Auto problemlos ins Hochgebirge fahren? Das wollten die ADAC Mitarbeiter Matthias und Johannes mit einer Tour von Landsberg am Lech bis zum Rettenbachferner-Gletscher herausfinden. Die Herausforderung: fast 400 Kilometer mit Elektroauto – ohne Zwischenladung.
Als mich mein Kollege Matthias Vogt, ADAC Experte für Elektromobilität, anrief und von seiner Idee erzählte, war ich (Johannes) zunächst skeptisch, jetzt kann ich es ja zugeben: Wir beide fahren bei Deutschlands größter E-Rallye mit, der eRUDA. Er als Fahrer, ich als mediale Begleitung.
Und obwohl es bei der eRUDA keine Zeitwertung gibt, erschien mir die Herausforderung doch gewaltig: Wir fahren vom Startpunkt Landsberg bis auf 2830 Meter, zum Gletscher Rettenbachferner bei Sölden – und wieder zurück. 374 Kilometer! Ohne Zwischenladung! Ohne Zwischenladung? Mit einem Elektroauto bis zum Gletscher?
Matthias wollte auch keine Versprechungen zu unseren Erfolgsaussichten machen. Im Gegenteil: “Das wird voraussichtlich eine ganz enge Kiste”. Denn 400 Kilometer Reichweite ist für viele Elektroautos eine Schallmauer. Natürlich könnten wir im Notfall nachladen, für diesen Fall hatten wir uns über die mobility+ App der EnBW mögliche Ladepunkte vorab rausgesucht. Aber unser Ziel lautete dennoch: OHNE Zwischenladung! Hier lesen: Mehr Infos zum Ladesystem ADAC e-Charge und zur App.
Etwas widerwillig, doch auch mit einer Portion Neugier sagte ich zu. Der Start war für Samstag um 7.30 Uhr geplant (was meine Grundstimmung nicht wirklich besserte). Wir nahmen zunächst unsere “Konkurrenz” bei der E-Rallye unter die Lupe. Viele Teslas, einige Hyundais und Renaults, auffallend wenig deutsche Hersteller.
Aber es gab ja noch uns, denn wir gingen mit einem Opel Ampera-e an den Start. Deutscher Hersteller? Matthias erläuterte mir, dass das Innenleben unseres Modells in den USA entwickelt wurde. Und obwohl der Ampera-e im Zuge der Trennung von GM und Opel kein Kassenschlager wurde, war er doch das erste E-Auto, das mit den Reichweiten von Tesla mithalten konnte. Hier lesen: Mehr zum Opel Ampera und anderen Elektroautos im Dauertest.
Genug der Theorie, wir starten! Der Ampera-e gleitet leise durch die Landschaft, nach anfänglichem Nebel bricht sich plötzlich die Sonne Bahn. Die Alpen erstrecken sich vor uns, mit teils herrlichen Ausblicken, unter anderem auf die Zugspitze. Die langsame Entladung der Batterie geht mit der Aufhellung meiner Stimmung Hand in Hand.
Die Zugspitze im Blick
Wir machen bewusst keine Sparfahrt, sondern sind ganz “normal” unterwegs, also so, wie wir mit einem Fahrzeug mit Verbrennungsmotor fahren würden – natürlich unter Berücksichtigung der gültigen Tempolimits. So schalten wir zu Beginn der Fahrt die Heizung an, was natürlich Batteriepower kostet. Unser Anspruch an das E-Auto ist, nicht auf den üblichen Fahrkomfort verzichten zu müssen. Stichwort Alltagstauglichkeit, Stichwort Realbedingungen. Hier lesen: Der ADAC Ecotest bewertet das Umweltverhalten von Autos und gibt eine realistische Auskunft über die Reichweite von Elektroautos.
Die Fahrt verläuft ohne Zwischenfälle, bei schönstem Wetter erreichen wir gegen Mittag den Gletscher auf 2830 Metern Höhe. Die Luft wird nicht nur für uns dünner. Der Batterieladestand zeigt jetzt weniger als 50 Prozent an. Aber:
Wir sind ja quasi dauerhaft bergauf gefahren, haben also den energieintensiveren Teil bereits hinter uns. Dabei zeigt sich ein wesentlicher Vorteil des Elektroautos: Die Beschleunigung, insbesondere aus Serpentinen heraus, ist enorm und macht richtig Spaß. Selbst steilere Anstiege erklimmt der Ampera-e scheinbar mühelos.
Und es kommt
noch besser: Auf dem Weg bergab rekuperieren wir, was das Zeug hält. Reku was? Rekuperieren bezeichnet ein technisches Verfahren der Energierückführung. Auf Deutsch ausgedrückt: Statt in Wärme, die beim Bremsvorgang mit einem Verbrenner entsteht, wandelt das Elektroauto die Bremsenergie effektiv in Strom um und lädt damit den Akku wieder auf – der Motor wird in diesem Fall zum Stromgenerator, wie früher beim Fahrraddynamo. Hier lesen: Aktuelle Elektroautos im Test – so hoch ist der Stromverbrauch.
Das läuft so gut, dass wir uns bald nicht mehr die Frage stellen, ob wir das Ziel erreichen, sondern nur noch, wie. Doch während wir schon von unserer triumphalen Rückkehr nach Landsberg träumen, heißt es auf dem Fernpass plötzlich: Stau! Wir waren scheinbar nicht die Einzigen, die das schöne Wetter für einen Ausflug in die Berge genutzt haben. Diese Verzögerung wirbelt unseren Zeitplan durcheinander, dem Akku macht der Stau aber nichts aus – im Stand und bei langsamer Fahrt verbraucht ein Elektroauto sehr wenig Energie.
Oben auf der Passhöhe wird dann immer klarer, dass wir unser Ziel erreichen werden. Und zwar locker. Am Ende verbleiben uns nach 384 gefahrenen Kilometern sogar noch mehr als 100 Kilometer Restreichweite – Wahnsinn!
Nach Matthias’ Einschätzung liegt das vor allem daran, dass wir an diesem Tag ideale Bedingungen für eine Elektroautofahrt hatten. Das Wetter war traumhaft, es war nicht zu kalt und nicht zu heiß, und die Route führte fast komplett im Kolonnenverkehr über Landstraßen. Fertig ist eine Reichweite, die locker für einen ausgedehnten Ausflug in die Berge reicht. Bemerkenswert auch die im Vergleich zum Verbrenner günstigen Antriebskosten (siehe das Bild mit der Berechnung von Matthias’ “Fahrkosten im Vergleich”).
Mir als Beifahrer hat unsere Tour jedenfalls viel Spaß gemacht. Und eines kann ich ehrlich sagen: Mir hat sie geholfen, einige meiner Vorbehalte gegenüber Elektroautos nicht nur abzuschwächen, sondern aufzulösen.