So könnte es mal kommen:

"Oma! Bitte erzähl' uns doch noch mal von früher! Als es noch Elektrizität gab!"

"Aber nicht, dass ihr nachher wieder traurig seid und mit Opa schimpft, weil er Klimaaktivist war!"

"Versprochen, Oma!" Die Enkel kreuzen die Finger hinter dem Rücken. "Wir binden ihn auch nicht mehr über Nacht im Garten an..."

"Also gut..."

Familie Mayer-Blümel saß wie an jedem Winterabend dicht gedrängt um den kleinen Holzofen im Wohnzimmer, den einzigen, den es im Haus gab. Mehr erlaubte die links-grüne Regierung nicht, schließlich gab es wärmende Schafwollpullover. Nun gut, die rochen spätestens nach vier Wochen ein bisschen streng - ebenso wie ihre Träger - aber wo jeder stank, fiel das gar nicht mehr so stark auf.

Im Hintergrund drehte die Mutter das Handspinnrad und produzierte die nächste kratzige Wolle. In der Ecke reifte der zugehörige Schafskäse in einer Tonne mit Salzlake heran.

"Puh", meinte die Oma, "früher konnte man im Winter noch lüften. Ist das ein Mief hier drin! Wenn ich gewusst hätte, wie wir mal leben müssen, hätte ich Opa persönlich zuhause angebunden. Aber wir haben das alles gar nicht ernst genommen. Jugendliche demonstrieren nun mal gern..."

"Mama sagt, es war furchtbar damals. Es stank in den Straßen, und die Menschen beschäftigten sich nur mit ihren Smartphones. Außerdem gab es überall Plastikmüll..."

"Na, stinkt es jetzt etwa nicht, seitdem wir keine Kanalisation mehr haben? Und 'ne heiße Dusche wäre auch nicht schlecht." Sie dachte wehmütig an fließendes heißes Wasser zurück, an duftendes Duschgel statt fader Kernseife. Und die netten Nachrichten, die sie mit Opa per WhatsApp ausgetauscht hatte. Zudem hatte man damit rasch einen Arzt rufen können, anstatt wie heute erst zwei Stunden in die Stadt radeln zu müssen. Frau Höntrop aus der Nachbarschaft wäre deshalb fast an einer Gräte erstickt.

Als vor zwanzig Jahren die Stromausfälle immer häufiger wurden und die ersten Jugendlichen merkten, dass man sein Handy nicht mehr jederzeit laden konnte, war die Begeisterung für die Fridays for Future-Bewegung langsam abgeebbt.

Stattdessen versuchten die jungen Leute, die letzten Powerbanks zu horten, samt passender Batterien dazu. Die Preise stiegen ins Astronomische. Anstatt Geld nahmen die Händler lieber Tauschware an: Automatikuhren, Taschenlampen mit Handkurbel und Kanister mit Diesel.

Auch Oma hatte Schlange gestanden. Über das Smartphone bekam man wenigstens noch ein paar Nachrichten mit, nachdem auch die meisten Fernsehsender ihren Betrieb eingestellt hatten. Die Regierung war nicht böse darum, munkelte man. So hatte sich die Bevölkerung die grüne Revolution nicht vorgestellt. Und es war besser, wenn sie möglichst wenig von den täglich neuen Einschränkungen erfuhr.

"Wir hatten es richtig schön, Kinder", schwärmte Oma. "Es gab weiche, bunte Kleidung, schlechte Fernsehsendungen und Schnellrestaurants. Sogar in den Urlaub fliegen konnte man!" Als sie das erste Mal von Flugzeugen erzählt hatte, waren die Kinder vor Lachen fast von ihren Holzhockern gefallen.

"Ach, Mutter! Setz ihnen doch nicht immer einen solchen Unsinn in den Kopf! Eines Tages wirst du noch wegen Anti-Öko-Hetze verurteilt! Wie unsere Nachbarin - die schuftet jetzt schon zwei Jahre in der Mülldeponie!"

"Die können mich mit ihrer dämlichen Anti-Öko-Hetze! Ich hatte es gern Anti-Öko! Grillhähnchen und Samstagabend-Quiz! Knutschen im Auto! Und vor allem konnte ich meinen Schafskäse im Supermarkt kaufen und musste kein stinkendes Fass in der Ecke ertragen..."

Natürlich hatte sich auch nichts am Klima geändert - die Regierung sagte, das läge daran, dass die anderen europäischen Länder dem Beispiel Deutschlands nicht gefolgt waren. Claudia Roth hatte gedonnert, das wäre nun doch ein Grund, den nicht mehr zeitgemäßen Pazifismus der Grünen über Bord zu werfen und in Holland und Frankreich einzumarschieren.

Vielleicht hätten ihre Parteigenossen den Plänen sogar zugestimmt - doch zum Glück gab es längst keine funktionierende Bundeswehr mehr. Oma war erleichtert gewesen - am Ende wären noch Atomwaffen gegen den Klimawandel eingesetzt worden.

Aber das Ende vom Lied war, dass sie jetzt in den heißen Sommern das Wasser per Hand auf die Felder schleppen mussten. Wie in Nordkorea.

"Oma, stimmt es, dass es früher in jedem Haus elektrisches Licht gab? Sogar auf dem Klo?"

"Aber natürlich! Das befand sich ja auch noch im Haus."

"Iiiieeeehhhh!", schrieen alle entsetzt auf. "Dann stank es doch noch mehr!"

"Damals stank es nicht! Das erzählen sie euch bloß, damit ihr nicht gegen den Mist hier protestiert!"

Drei Tage später wurde Oma von den grünen Garden verhaftet. Eins der Enkelkinder war in der Grundschule in einen Streit verwickelt worden und hatte gesagt, dass es keine Lust auf die "ganze Öko-Sch..." hätte. Jeder im Dorf kannte Omas Einstellung.

Das Gericht verurteilte sie zu der härtesten Strafe, welche das neue Gesetz zuließ: Sie sollte auf Lebzeiten aus dem wunderschönen Ökoparadies Deutschland verbannt werden. Man schob sie über die Grenze nach Holland ab.

Da wohnt sie jetzt in einem Mini-Home für Senioren. Mit Dusche und TV. Ab und zu schreibt sie eine Postkarte. Zwar ist der Text darauf zur Hälfte zensiert, aber sie scheint sehr glücklich zu sein...