Aus Spiegel-Online:
Steinbrück lehnt Sonderregelung für Frankreich ab
Frankreichs Präsident Sarkozy will sich nicht an die EU-Defizitsgrenzen halten, was Finanzminister Steinbrück in Rage bringt. Unmissverständlich warnt er vor Sonderregeln - und findet damit erstmals klare Worte gegenüber den immer neuen Vorschlägen des umtriebigen Präsidenten.
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Berlin - Er hat keinerlei Verständnis für Frankreichs Ausscheren - und das macht er auch deutlich: "Das werde ich dem deutschen Publikum nur sehr schwer erklären können, dass wir uns dem Verfahren gebeugt haben, und der andere große Player der EU das offenbar anders bewertet", sagte Bundesfinanzminister Peer Steinbrück (SPD) heute in Berlin. Deutschland sei damals von vielen anderen Euro-Ländern gebeten worden, den Pakt einzuhalten. Dabei sei argumentiert worden, wenn Deutschland die Glaubwürdigkeit der Vereinbarung nicht stütze, "dann kannst du - salopp gesagt - den Stabilitäts- und Wachstumspakt in die Tonne treten".
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Finanzminister Steinbrück: "Stabilitätspakt in die Tonne treten"
Deutschland habe sich vor zwei Jahren dem Defizitverfahren des europäischen Stabilitäts- und Wachstumspaktes gebeugt, sagte Steinbrück weiter. Wenn mit Frankreich jetzt die zweitgrößte europäische Volkswirtschaft Ausnahmen in Anspruch nehmen würde, hätte das negative Auswirkungen auf andere Länder. Der SPD-Politiker erinnerte daran, dass sich auch Frankreich verpflichtet habe, bis spätestens 2010 einen strukturell ausgeglichenen Haushalt vorzulegen.
Frankreich war nach dem Amtsantritt des neuen Präsidenten Nicolas Sarkozy im Mai aus der Verabredung aller 13 Euro-Staaten ausgeschert, die gute Konjunktur zu nutzen und bis zum Jahr 2010 ihren Staatshaushalt auszugleichen, so dass keine neuen Schulden mehr gemacht werden. Sarkozy selbst hatte bei einem Finanzministertreffen im Juli erklärt, an dem Schuldenziel der Euro-Partner nur dann festzuhalten, wenn das Wachstum gut genug sei. Bei negativer Entwicklung brauche Frankreich zwei Jahre länger für einen ausgeglichenen Haushalt.
Die deutlichen Worte sind ein Signal an Frankreichs Regierungschef. Denn seit seiner Wahl stößt Sarkozy die Deutschen immer wieder vor den Kopf - zuletzt mit dem Vorschlag, die EU solle zusätzliche Sanktionen gegen Iran verhängen (mehr...). Davor hatte er schon für Kopfschütteln gesorgt, als er am Montag vergangener Woche Außenminister Frank Steinmeier (SPD) und Kanzlerin Angela Merkel (CDU) unverblümt anbot, die Deutschen könnten an französischen Atomwaffen teilhaben. Nur mit viel höflichem Geschick konnte Steinmeier den Vorschlag abmoderieren. Denn der neue Mann im Elysée-Palast mag es gar nicht, wenn ihm ein einfacher Minister aus Allemagne krumm kommt.
Das hatte Kollege Steinbrück ein paar Wochen zuvor erlebt, als er dem Präsidenten der Fünften Republik in einer Debatte über die Unabhängigkeit der Europäischen Zentralbank zu widersprechen wagte. Während der Finanzminister redete, winkte Sarkozy den deutschen Staatssekretär Thomas Mirow herbei und herrschte ihn auf Französisch an, er solle seinen Chef stoppen: "So spricht man nicht mit einem Präsidenten." Mirow setzte sich wieder, schwieg und wunderte sich.
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Sarkozy - der richtige Mann für Frankreich?
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1249 Beiträge
Neuester: Heute 13:12 Uhr
von a.cohen
Da Kanzlerin Merkel nicht auf die Aufforderung Sarkozys reagierte, Steinbrück müsse öffentlich gerügt werden, machte sich dieser beim scheidenden bayerischen Ministerpräsidenten Stoiber Luft. Merkel gehe ihm "zunehmend auf die Nerven" wurden Teile des Gesprächs daraufhin in einer deutschen Tageszeitung kolportiert.
Aber es sind nicht nur Stil-, sondern immer häufiger auch Substanzfragen, in denen Deutsche und Franzosen aneinander geraten. Das Auswärtige Amt wurde kalt erwischt, als Frankreichs Außenminister Bernard Kouchner kürzlich zu einem Blitzbesuch nach Bagdad flog und den Schulterschluss mit den Amerikanern demonstrierte. In Konkurrenz zu den Deutschen reklamierte Sarkozy außerdem die Befreiung der fünf bulgarischen Krankenschwestern in Libyen für sich und nutzte den Coup nebenbei für einen französisch-libyschen Nukleardeal - natürlich ohne Absprachen.
Trotzdem wollen die Regierungszentralen eine weitere Eskalation verhindern. "Das Verhältnis der beiden ist wirklich gut", beteuert ein Vertrauter Merkels. Sanftere Töne muss Sarkozy aber noch üben. Merkel sei halt "eine Frau aus dem Osten", sagte er vor seinem Kabinett am vergangenen Mittwoch. Eilig schob der Elysée-Palast zur Erläuterung nach: Als Ostdeutsche habe sie eben "nicht die affektive Nähe zu Frankreich - anders als Rheinländer".
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Was meint ihr dazu? Ist Sarkozy auf dem richtigen Weg oder bestätigt das alles nur seinen Grundcharakter und könnte zum Debakel werden?