Zitat von
Heifüsch
Eine Kolumne von Harald Martenstein zu 100 Jahren Bauhaus..:
"Heute ist Dessau, wo das formbewusste Bauen wohnt, eine erstaunlich formlose Stadt. Dessau war Residenz, mit Schloss und allem, was dazugehört. Von den alliierten Bombern und von der DDR ist das historische Erbe gleich zwei Mal unter den Pflug genommen worden. Geblieben sind weite Flächen, aus denen hin und wieder eine alte Fabrik oder ein verlassener Plattenbau ragt. In Dessau könnte man, wenn es nur genug Publikum gäbe, locker 20 Kulturfabriken eröffnen. Aber die Stadt schrumpft. Statt die Außenbezirke abzureißen und sich in seinen Kern zurückzuziehen, geht Dessau, weil es keinen wirklichen Kern mehr hat, einen anderen Weg. Die Natur darf sich Teile der Stadt zurückerobern, große Schneisen zwischen den Ruinen, wo städtische Urwälder entstehen, für Parks fehlt das Geld. Jeder Dessauer, der eine Idee hat, bekommt von der Stadt kostenlos 400 Quadratmeter zur Nutzung, Innenstadtlage, es gibt Steingärten, Apothekengärten, nichts wirklich Zukunftsweisendes. In den USA würde man vielleicht Siedler aus aller Welt rufen, Land nicht verpachten, sondern verschenken, der große Treck nach Dessau, hey, kommt alle, baut auf, wir wollen Zukunft. Aber dies ist eben Sachsen-Anhalt .
Ich habe einen Termin beim neuen Direktor des Bauhauses, Philipp Oswalt, Mitte vierzig, Pendler. Das wichtigste und bedeutendste Meisterhaus, das Haus von Walter Gropius, ist durch Bomben zerstört worden. Nun lautet die Frage: Wird es wieder aufgebaut?
Oswalt sagt, das geht sowieso nicht. So etwas wird heutzutage nicht mehr genehmigt. Diese niedrige Brüstung, die engen Türen, alles viel zu gefährlich und nicht behindertengerecht. Der neue Mensch ist offenbar doch nicht entstanden, der mit extrem engen Türen zurechtkäme. Der Direktor des Bauhauses wohnt in Berlin-Schöneberg in einer Altbauwohnung mit Stuck und Flügeltüren. Er sagt, das sei Zufall. Zufällig war ich auch mal bei seinem Vorgänger zu Gast, Omar Akbar. Auch er hat in einem Berliner Altbau gewohnt, Jahrhundertwende. Es ist, genau wie beim Realen Sozialismus, deutlich leichter, in der Theorie für das Bauhaus zu sein, als ganz konkret in einem Bauhaus-Gebäude zu leben."