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Ich gebe Dir weitgehend Recht, jedoch stellt sich genau in diesem Zusammenhang eben die Frage: wie kam man denn überhaupt zu dieser falschen Einschätzung der Lage? Und da liegt dar Hase im Pfeffer. Und Du stellst die exakt richtige: (Zitat gekürzt)
"So eine Auffassung kann sich ein Gefreiter leisten, oder ein kleiner Leutnant, der abseits seiner 2.500 Meter Front kaum einen Überblick hat, aber wie kann es sein, dass der Generalstab wider besseres Wissen zu dieser Einschätzung kam? Hatte dort keiner eine einzige Zeile über Napoleons Russland-Feldzug gelesen? Unwahrscheinlich, oder?"
Und es gibt selbstverständlich deutliche Hinweise darauf, dass der Generalstab durchaus im Bilde war, dass aber absichtlich falsche Informationen, die "ganz oben" zu katastrophalen Fehleinschätzungen führen mussten, weitergegeben wurden. Gehlen nahm doch einen Großangriff auf die Heeresgruppe Mitte an, wenn ich mich recht erinnere, und stellten die Situation am südlichen Frontabschnitt als weniger bedrohlich dar? Wie dem auch sei, wenn man aus der späteren Position des besseren Wissens heraus weiß, wer alles in den Widerstand verwickelt war, und an wen zumindest durch v. Tresckow und andere vermutlich "herangetreten wurde" (und ich vermute stark, dass auch von Manstein unter diesen war, an die man "herantrat", wenn wohl auch nur mit mäßigem Erfolg) Die fehlende Vertsärkung für die Don-Front, von Mansteins Schwnazeinkneifen 30 km vor dem Kessel, als nur noch zwei zusammengeschossene russische Panzerdivisionen und desorganisierte Infanterie zwischen Hoths Leuten und der 6. Armee standen, das ergibt erst unter diesem Aspekt alles Sinn.
Natürlich war auch A. H. nicht vollkommen "unfehlbar" und ob der Entsatz am Ende geglückt wäre, wer weiß das schon. Ich maße mir hier kein Urteil über ein "was wäre gewesen wenn" an, dazu reichen meine Kenntnisse auf militärischem Gebiet sicherlich nicht. Da müssen echte Militärhistoriker ran. Ich kann nur versuchen zu rekonstruieren, was tatsächlich war. Aber das klassische Narrativ funktioniert nicht. Ja, natürlich wollte er Stalingrad auch halten. Das war der Beginn der Politik des "Haltens um jeden Preis". Trotzdem sehe ich nicht was er anderes hätte tun sollen, nachdem das Kind schon in den Brunnen gefallen war
Geändert von Suppenkasper (05.06.2019 um 15:30 Uhr)
Man darf keinesfalls die Sabotage und den Verrat in den Kreisen der Generalität vergessen. Das war schon krass. Da sieht man die Auswirkungen, dass das Deutsche Reich nicht die Zeit gehabt hat, vor dem Kriegsbeginn erst einmal verräterische Elemente im Offizierskorps zu entfernen.
Friedrich Georg - Verrat an der Ostfront
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"Mit den Weltvergiftern kann es daher auch keinen Frieden geben. Es werden auf Dauer nur wir oder sie weiterexistieren können. Und ich bin entschlossen, meinen Weg niemals zu verlassen. Ich habe den Propheten des Zerfalls einen kompromisslosen Kampf angesagt, der erst mit meinem Tod enden wird." (Aus: Beutewelt, Friedensdämmerung)
Die Idee gab es ja vorher schon, und um Fall Demjansk hatte man das sogar leidlich erfolgreich umgesetzt. Aber da ging es um eine Hand voll Divisionen, die deutsche Hauptfront stand dicht genug, um dem Kessel Artillerieunterstützung zu liefern, und bei der Versorgung verschliss die Luftwaffe große Teile ihrer Transportkapazitäten, um die es ohnehin nie üppig bestellt war. In dem Fall hielt die Wehrmacht ihre Stellungen um Demjansk fast ein Jahr, musste sie aber schließlich doch aufgeben und Demjansk räumen.
"Mit den Weltvergiftern kann es daher auch keinen Frieden geben. Es werden auf Dauer nur wir oder sie weiterexistieren können. Und ich bin entschlossen, meinen Weg niemals zu verlassen. Ich habe den Propheten des Zerfalls einen kompromisslosen Kampf angesagt, der erst mit meinem Tod enden wird." (Aus: Beutewelt, Friedensdämmerung)
Ich habe es nicht gelesen und wäre um weitere Aufklärung bemüht, da Du es ja zu kennen scheinst. Ich habe damit geliebäugelt es mir zu kaufen, aber da gibt es ja zwei Bände die schlappe 50 Euro kosten zusammen, daher keine Fangfrage : verlässt er sich zu sehr auf Augenzeugenberichte, führt er keine vernünftigen Quellen an oder interpretiert er zu viel rum?
Au weia, ich DEPP sehe gerade, Lykurg hat ja einen link eingestellt zumindest zum ersten Band, dann kann ich mir selbst ein Bild machen. Habe ich heute abend was zum lesen.
Wenn man sich die nackten Zahlen betrachtet, und hier meine ich namentlich die russischen Verluste bis März 1942, dann kommt man schon zu der Auffassung, dass der Russe "fertig" ist - wenn man den Maßstab anlegt, der bei jeder westlichen Armee uneingeschränkt gültig wäre. So einen Aderlass an Material und vor allem an Menschen hätte keine westliche Nation überstanden. Und - ganz im Gegensatz zu 1941 - der Russe nahm jetzt den Kampf nicht mehr an, er wich aus, zog sich zurück, focht maximal noch hinhaltend, auch das kann man als ein Zeichen werten, dass die militärische Kraft eines Gegners weitestgehend verbraucht ist. Das passt natürlich auch gut zum ursprünglichen Narrativ vom morschen Bolschewikenstaat, dessen Tür man wuchtig eintreten muss, damit er dann schnell in sich zusammenfällt. Sicher, Moskau hatte man nicht genommen, aber man hatte die Rote Armee - wenn auch nach einer ernsten Krise - zu Frühjahrsbeginn letztlich überall abgeschmiert, das konnte man auch so verstehen, dass Stalin seine letzten Kräfte in die Schlacht geworfen und verzockt hatte.
Niemand von uns war im FHQ, OKW, OKH, einem Heeresgruppen-Generalstab oder irgendwo sonst, wo er vielleicht mit eigenen Augen hätte sehen können, wie es zu der massiven Fehleinschätzung vom Frühjahr 1942 kam. Wir wissen, das sagst du ganz richtig, was wir heute wissen. Dazu gehört eben auch, dass es Anfang 1941 durchaus solide Informationen darüber im OKW gab, dass der Russe eben nicht fertig war, sondern noch immer ganz erhebliche Reserven besaß, es aber vorzog, sich nicht mehr einfach totschlagen - oder, um genau zu sein, von der überlegenen deutschen Strategie und Taktik ausmanövrieren, einkesseln und zusammenhauen - zu lassen. Haben diese Informationen Hitler erreicht? Ich weiß es nicht mit Bestimmtheit. Seine Abneigung gegen Fremde Heere Ost ist bekannt, vielleicht kannte er deren Berichte, glaubte sie aber schlicht nicht.
Wahrnehmung ist eine komplizierte Geschichte, sie wird immer durch unsere Haltung zu irgend einem Thema bestimmt, da machte Hitler keine Ausnahme. Wenn er glaubte, dass Stalin militärisch am Ende war, und wenn alle Indikatoren darauf hindeuteten, dass das der Fall war, dann mag es gut sein, dass er Informationen, die das glatte Gegenteil behaupteten, einfach für "erfunden" hielt. Je weiter der Krieg fortschreitet, desto häufiger möchte zumindest ich die Perspektive des Beobachters abstreifen, Hitler bei den Schultern nehmen, schütteln und rufen "Adolf, Adolf, was machst du nur?" Manches ist im Rückblick so unverständlich, dass man schier daran verzweifeln möchte...
- Angeblich gab es vor dem D-Day keinerlei Luftaufklärung mehr über England (nachweislich eine Falschbehauptung)
- die Verlegung eines Flugzeugprototypen (Arado V9/V10) von der Kanalküste zur Ostfront wurde als eindeutigen Hinweis zum Verrat deklariert (reine Verschwörungstheorie)
- Angeblich nicht oder nur unzureichend durchgeführte Verlegung von Luftwaffenverbänden nach Frankreich aus Sabotage und Verratsgründen
Usw.
Betrifft jetzt nur die Luftwaffe. Bei dem Thema Kriegsmarine glänzt der Autor allerdings auch nicht wirklich. Wurde bereits im Marinearchiv-Forum abgehandelt. Die mangelhafte Qualität zieht sich dementsprechend durch das gesamte Buch.
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