Die rechtsextreme Szene in der Lausitz ist besonders gefährlich: Ein Milieu aus Kampfsportlern, Fußballfans und Geschäftsleuten ist dabei, die Kontrolle der Stadt zu übernehmen.
Martin Miethke ist beim Abendspaziergang mit seiner Dogge Maja, als er auf seine Mörder trifft. Es ist Sonntag, der 1. März 2020, gegen 20.30 Uhr, mitten in der Cottbuser Innenstadt. Auf dem Platz hinter der Klosterkirche versucht Miethke noch, den Männern zu entkommen. Aber die beiden Mörder wissen, was sie tun: Der Schütze legt den Revolver an, langer Lauf, um besser zielen zu können, kleines Kaliber, um nicht so viel Lärm zu machen. Dann drückt er ab, sechsmal. Jeder der Schüsse trifft das Opfer von hinten. Miethke, zwei Meter groß, Bodybuilder und Kampfsportler, schleppt sich nach Erkenntnissen der Ermittler noch hundert Meter weiter, dann bricht er am Rand einer kleinen Parkanlage zusammen und stirbt. Er wurde 31 Jahre alt.
Der Hüne mit den Tattoos an Hals und Armen war bekannt in Cottbus. Und gefürchtet. Er war Türsteher in mehreren Clubs, Stammgast in den Fitnessstudios. Vor allem aber wusste man, dass er Teil ist einer Szene, die das Brandenburger Landesamt für Verfassungsschutz als "toxisches Gebilde" bezeichnet. Es ist ein Milieu, das aus Rechtsextremen besteht, aus Hooligans, Kampfsportlern und Rockern, rund 200 Leute gehören dazu. Ermittler befürchten, dass diese kriminelle Bande bald die Macht in der Lausitzer Stadt übernehmen wird.
Es ist eine deutschlandweit einzigartige Parallelwelt am östlichen Rand der Republik: Die Mitglieder nennen sich selbst "Kampfgemeinschaft Cottbus". Laut Ermittlern ist die Gruppierung verschwiegen, gewalttätig – und gefährlich für alle, die sich ihr in den Weg stellen. Die Polizei geht davon aus, dass diese Leute für "rund 80 Prozent" der milieutypischen Straftaten verantwortlich sind – Waffenhandel, Drogenhandel, Menschenhandel, Körperverletzung. Außergewöhnlich ist, dass Mitglieder dieser Kampfgemeinschaft auch legale Geschäftsbereiche aufgebaut haben. Sie betreiben in mehreren Städten Bekleidungsgeschäfte, Sicherheitsdienste, Abenteuercamps, eine Bowlingbahn und sind in der Immobilienbranche tätig. Sie fallen auf mit ihrer teuren Kleidung, mit ihren teuren Autos – und sie zahlen Steuern. Es sind Strukturen, wie man sie sonst von arabischen Clans kennt. Oder der italienischen Mafia. Aber nicht von Rechtsextremen. "Eine rechtsextreme Szene mit so viel Geld gibt es in Deutschland kaum ein zweites Mal", sagt Jörg Müller, der Chef des Brandenburger Verfassungsschutzes. Gegen den harten Kern der Gruppe ermittelt das LKA Brandenburg seit fast zwei Jahren wegen Bildung einer kriminellen Vereinigung. 20 Männer wurden in dem Verfahren als Beschuldigte geführt. Seit dem Tod von Martin Miethke sind es nur noch 19.
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