Ich bin Mitglied in einer community, die sich regelmässig in Diskussionen austauscht. Ferner haben wir alle unsere Bücher in diversen Sprachen sowie Bild- und Tonträger in einer Datei vereinigt, so dass alle darauf zugreifen (ausleihen) können, ohne es sich selbst ggf. kaufen zu müssen.
Da ich mit 60+ zu den Jüngsten gehöre, haben wir alle viel Zeit.
Einer unserer PC-Spezialisten hat vor kurzem die digital überarbeiteten Filmaufnahmen von den Nürnberger Prozessen in unsere interne cloud gestellt. Im Rahmen von Vorbereitungen zur Diskussion über aktuell
„Lügenpresse“ habe ich mir mit wenigen Mausklicks die Aussagen des wohl übelsten Nazihetzers Julius Streicher angesehen. Er relativierte sein Handeln unter Hinweis auf Martin Luther, denn dieser habe letztlich nichts anderes geschrieben als er im „Der Stürmer“. Das blieb dann im Prozess wohl auch so stehen, was in mir förmlich forderte: Da muss es doch massiven Widerspruch gegeben haben.
Ich stellte es sofort in unseren Chat und kurz darauf kam die Bestätigung, dass dies im Prinzip ein alter Hut sei. Natürlich sei Luther ein Judenhasser par excellence gewesen; es würde nur unter den Teppich gekehrt. Das hier vorliegende Buch würde mich schon aufklären; er könne mir auch ggf. eine Ausgabe aus dem 18.Jahrhundert vorbeibringen. Dieses Buch hier stellt die Originalaussagen Luthers den Übertragungen in eine heutige Sprache gegenüber, was den Inhalt nicht leichter verdaulich macht. Luther fordert ganz unverblümt eine Ghettoisierung, Separierung und letztlich brandschatzende Ermordung aller Juden!! Praktisch jeder Satz trieft förmlich vor gänzlich unchristlichem Hass. Der einzige Unterschied zum Nationalsozialismus ist, dass die Nazis es umgesetzt haben. Im Vergleich mit Luther liest sich „Mein Kampf“ ja fast wie entspannte Literatur!!
Im Nachgang sind mir dann etliche Fragen gekommen, welche mich die Deutschen und vor allem ihr derzeitiges Handeln in noch weit weniger verständlichem Licht erscheinen lassen. Eklatante Verfassungsbrüche sowie Missachtung von BRD- sowie Völkerrecht werden scheinbar desinteressiert zur Kenntnis genommen, aber bei zum Beispiel „unbedingt erforderlichen“ Strassenumbenennungen legen manche einen geradezu missionarischen Eifer an den Tag. In einer mir räumlich nahen Landeshauptstadt wurde vor kurzem mit recht viel öffentlichem Getöse eine unbedeutende Strasse umbenannt, weil der Namensgeber im sog. 3.Reich Entscheidungsträger in einer Firma gewesen war, die auch KZ-Häftlinge ausbeutete. Soweit – so richtig. Aber
in der Innenstadt an zentraler, exponierter Lage gibt es einen „Martin-Luther-Platz“!! Das regt niemanden auf; nicht einmal die Jüdische Gemeinde. Stattdessen stürzen sich die Stadtverantwortlichen mit grossem Elan auf die Umbenennung aller Strassen, die nach Leuten benannt sind, welche in der deutschen Kolonialzeit in Afrika eine wohl eher fragwürdige Bedeutung hatten. Und die Evangelische Amtskirche? Im mit viel Getöse begangenen „Lutherjahr 2017“ lobt man den grossen Meister über den grünen Klee und blendet die Wahrheit völlig aus. Ein Blick auf die Seite der EKD zeigt dann auch „Die zehn Gebote als Grundlage der christlichen Ethik“. Leider stört da einiges so wie „Du sollst nicht töten“ oder „Du sollst nicht falsch Zeugnis reden wider Deinen Nächsten“. Und die aktuell an der Macht befindlichen Politiker? Sie tönen auf Luther-Gedenkveranstaltungen über dessen Bedeutung für die deutsche Kultur bla bla bla.
Gleichzeitig erwecken sie den Eindruck, dass islamische „Hassprediger“ böse Leute seien, die man bekämpfen müsse. Egal, was diese Prediger sagen mögen, an Luther kommen sie wohl kaum heran.