Lieber Klopperhorst!
Ich mutmaße, daß Du Schopenhauers Schriften gelesen, aber nicht verstanden hast. Denn dieser Geistesriese maß dem weiblichen Wesen die Intelligenz, nicht jedoch den Willen zu. – Weshalb ich diesen Philosophen liebe? Seiner Widersprüche wegen, welche mich zum Nachdenken veranlaßten.
An einer Stelle schrieb er: „Weiber können bedeutendes Talent, aber kein Genie haben: denn sie bleiben stets subjektiv.“ – Dies ist sein größter Irrtum! Denn als Mutter achtete ich – wie wohl alle Mütter auf Erden – (objektiv) stets aufs Gedeihen meiner Kinder. Meine Mittelmäßigkeit verhinderte die Entwicklung zur Genialität.
Des weiteren schrieb der Philosoph:
„Für die wirkliche Erblichkeit des Intellekts von der Mutter würde die Zahl der Belege viel größer seyn, als sie vorliegt, wenn nicht der Charakter und die Bestimmung des weiblichen Geschlechts es mit sich brächte, daß die Frauen von ihren Geistesfähigkeiten selten öffentliche Proben ablegen, daher solche nicht geschichtlich werden und zur Kunde der Nachwelt gelangen. Ueberdies können, wegen der durchweg schwächeren Beschaffenheit des weiblichen Geschlechts, diese Fähigkeiten selbst nie bei ihnen den Grad erreichen, bis zu welchem sie, unter günstigen Umständen, nachmals im Sohne gehn: in Hinsicht auf sie selbst aber haben wir ihre Leistungen in eben diesem Verhältniß höher anzuschlagen. Demgemäß nun bieten sich mir vor der Hand nur folgende Beispiele als Belege unserer Wahrheit dar.“
Aus diesem Zitat kannst Du mühelos die Wörter „dürfen“ und „können“ herauslesen.
„Obwohl Schopenhauer sich mehrmals in seinem Leben mit Heiratsabsichten trug, ließ er die Welt gern glauben, daß er ein verstockter Weiberfeind sei. ‚Alle großen Philosophen, so pflegte er zu sagen, sind unverheiratet geblieben, so Demokrit, Piaton, Spinoza, Leibniz und Kant. Nur Sokrates machte eine Ausnahme — und das bekam ihm sehr schlecht, denn seine Frau war Xanthippe.‘“ – [Links nur für registrierte Nutzer]
Verehrenswert ist er seiner Aufrichtigkeit wegen. Denn er schrieb dies:
„Endlich kommt die Rücksicht auf schöne Augen und Stirn: sie hängt mit den psychischen Eigenschaften zusammen, zumal mit den intellektuellen, welche von der Mutter erben.“
Und das:
„Daß hingegen die intellektuellen Eigenschaften des Vaters nicht auf den Sohn übergehn, beweisen sowohl die Väter als die Söhne der durch die eminentesten Fähigkeiten ausgezeichneten Männer, indem sie, in der Regel, ganz gewöhnliche Köpfe und ohne eine Spur der väterlichen Geistesgaben sind.“ – [Links nur für registrierte Nutzer]
Dir und jedem Leser meiner Zeilen empfehle ich
Schopenhauers Lesestoff.
Gruß von Leila