Wie dem auch sei:
Mitte September 89 verlegten wir routinemäßig ins Kieler Arsenal, um einige Antennenanlagen - geschützt vor neugierigen Blicken - zu ergänzen, die in der Werft noch nicht fertig waren. Dazu kamen Zivilisten von Krupp-Atlas an Bord. Als Frischling (genannt "Kiste") hatte ich ne Weile Wochenendwachen. Nicht sehr nett aber so ist es halt an Bord. Die "Altgefahrenen" sagen, wo`s lang geht. Ich werde es nie vergessen - Freitag spätnachmittag. Nur noch wir 5 an Bord. Plötzlich kommt der WO angerannt (war ausgerechnet unser Steuermann - der einzige Nicht-Offizier WO als Hauptbootsmann), im Schlepptau den UvD, unser "Gas-Wasser-Scheiße" Obermaat aus Cuxhaven. Also die geballte Kompetenz. Wo ich denn (ich war der Schiffstelefonist) die Telefonliste hätte. Ich gab sie ihnen und sie verschwanden wieder. Wortlos.
2 Stunden später - ich stand mittlerweile draußen als Pierwache mit der Uzi unterm Arm - kam ein silberner Passat Kombi mit Flensburger Nummer angerollt. Ich dachte: "Ach Du Scheiße - der Kommandant!". Griff zum Telefonhörer und den WO gewahrschaut. Ich durfte ja meinen Posten nicht verlassen - also keine "Seite", kein Kommandantenwimpel - all das Brimborium, wenn der "Alte" an Bord kommt fiel flach. Ich ging ihm entgegen, wollte Meldung machen und der lief mit versteinertem Gesicht an mir vorbei und ließ mich stehen. Ich stand da wie verdattert. Keine halbe Stunde später kamen immer mehr zurück. Der 1WO, der 2WO der FMO, der SSM, der Decksmeister. Alle, die so in der Nähe wohnten. Auch einige ältere Lords kamen eingetrudelt. Ich wurde dann abgelöst und mein Vorgesetzter der FMO, ein netter OLt z.S. beorderte mich zu sich. "Alle anrufen" meinte er. "Zuerst alle nördlich Hamburg. Dann, wenn Sie mindestens 50% erreicht haben, die südlich Hamburg." "Sollen sich bis morgen Mittag 12:00 an Bord melden!". Sprachs und ging zum Alten in die Unterkunft. Bis etwa 21:00 hatten ich und ein anderer Funker etwa 60% der Besatzung erreicht. 70% war nötig, um volle Einsatzbereitschaft festzustellen. War halt noch nicht die Zeit von Handys und WhatsApp. Das dauerte eben.
Die ersten trudelten bald ein. Bis etwa am kommenden Morgen waren von ca. 70 Mann 30 da. Um halb 12 etwa 50. Viele habe ich dann noch erreicht - die sind dann am späten Nachmittag eingetroffen. Um 15:00 war Kommandantenmusterung auf dem Helikopterdeck. Dort wurden wir informiert, daß um 21:00 Seeklarmusterung stattfinden würde. Weiter nichts. Ich hatte meinen Bereich bereits seeklar und - am Flaggenkasten stehend, damit niemand denkt, ich täte nichts und wäre für andere Arbeiten verfügbar - konnte ich auf dem anderen Ufer der Förde den Tanker "Eifel" beobachten, wie er der "Rommel" und der "Lütjens" die Treibölbunker vollmachte. Als der weg war, ging "Z" an den Flaggenmasten hoch. Signal für Munitionsübernahme. Zig LKW auf der Pier. Mehr konnte ich nicht erkennen. Und: Die U-Boote und ihr Tender waren weg. Wohl in der vorherigen Nacht. Und zwar alle. DAS war allerdings seltsam.
Um 20:55 bekam ich vom IWO den Befehl "Durchsage zum Klarmachen zur Seeklarmusterung". Ich machte die Durchsage und alles trat aufs Helideck. Der Kommandant teilte uns mit knappen Worten mit, daß für Mitternacht Auslaufen befohlen sei. Um 22:00 wären die Schlepper da und würden uns rüber in den Stützpunkt verholen. 23:00 Treibstoffübernahme. 02:00 auslaufen aus der Förde. Grund sei eine veränderte Sicherheitslage in der "Mittleren Ostsee". Wir wären beordert, unser Schwesterschiff "Alster" zu unterstützen und würden unterwegs auch das dritte Schiff der Klasse, die "Oste" treffen. Dann nur ein kurzes: "Besatzung sich klarmachen zum Auslaufen. Seeklarzustand!"
Wir übernahmen unsere Rolle für Revierfahrt. Ich war Läufer und Befehlsübermittler auf der Brücke. Um 22:00 waren die Schlepper da und unsere Lords schossen die Leinen rüber. Auf der anderen Seite wartete ein Tanker, von dem wir Treiböl übernahmen. Wir legten nach der Übernahme an der Pier wieder an und von allen Seiten rollten LKW herbei. Übernahme von Munition für die Handfeuerwaffen, Stinger. Übernahme von Proviant und Ersatzteilen. Die ganze Schufterei dauerte fast bis 03:00. Ausgelaufen sind wir dann gegen 05:00 morgens. Vor der Förde wartete schon die "Oste" auf uns. Begleitet von den U-Jagd Korvetten "Triton" und "Theseus". Ich saß derweil im Funkraum und sortierte die Funklisten. In der Region war viel Prominenz. Der holländische Kreuzer "Tromp". Der britische Zerstörer "Bristol" und die Fregatten "Augsburg" und "Nürnberg". Im Anmarsch: "Rommel" und Lütjens". Die "Mölders" stand vor der Kieler Förde.
Ich dachte: Hmm - ein Manöver??
Bald mehr.