Merkel will es nicht selbst werden, aber wohl die Wahl einer pro-russischen Kandidatin verhindern.

Kanzlerin macht bei Geschacher mit

In der Tat ist Irina Bokowa alles andere als gesetzt. Ihr ursprünglicher Ruf als USA-freundliche Diplomatin kehrte sich 2011 ins Gegenteil, als sie die palästinensische Autonomiebehörde zum UNESCO-Mitglied ernannte. Seither verweigert Washington die Zahlung der UNESCO-Beiträge – immerhin 22 Prozent des gesamten Budgets. Inzwischen gilt sie als bevorzugte Kandidatin der Russen, was ihr allerdings auch nichts nützt, da letztlich der Westen, sprich die USA, ihre Kandidatur unterstützen muß.


Nach Einschätzung der Russen macht auch die deutsche Bundeskanzlerin bei dem Geschacher mit. Die Moskauer Außenamtssprecherin Maria Sacharowa sprach am Wochenende davon, Angela Merkel habe beim G20-Gipfel in China um russische Unterstützung bei dem Versuch geworben, Sofia zur Rücknahme von Bokowas Nominierung zu bewegen und auf Kristalina Georgiewa festzulegen. Der Kanzlerin, so mutmaßt man in Moskau, sei Bokowa schlicht zu rußlandfreundlich. Zur russischen Reaktion auf solche Avancen sagte Sacharowa, Merkel sei „klar und eindeutig“ dargelegt worden, daß es sich dabei um eine souveräne Entscheidung der bulgarischen Regierung handele.
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Der bisherige Amtsinhaber hat auch eine Favoritin.

Bislang keine Korruptionsvorwürfe

Versuche, direkt oder indirekt Einfluß auf solche Entscheidungen zu nehmen, seien nicht akzeptabel. Von Georgiewa heißt es, sie sei die vom gegenwärtigen Amtsinhaber Ban Ki-moon präferierte Nachfolgerin. Erst kürzlich hat Ban sie an die Spitze einer Kommission zur Finanzierung humanitärer Hilfe gesetzt. Zu Georgiewas Trümpfen dürfte auch zählen, daß sie in ihrer Karriere bislang nie mit Korruptionsvorwürfen zu tun hatte. Anfang des Jahres berichtete ein investigatives bulgarisches Internet-Portal, Irina Bokowa und ihr Ehemann besäßen ausländische Immobilien im Wert von 4 Millionen US-Dollar.


Allein anhand der Einkünfte des Paares sei eine derartige Anschaffung nicht zu erklären. Noch ist also völlig offen, auf wen die Sicherheitsrats-Mitglieder sich letztlich einigen. Gut möglich ist, daß es am Ende weder ein Osteuropäer noch eine Kandidatin sein wird.
Amerika mischt natürlich auch mit.

Amerikas Favoritin

Der Uno-Kenner Richard Gowan, Professor an der Columbia University in New York, sieht Bokowas Stern jedenfalls im Sinken – wegen des durchzogenen Hearings, aber auch weil die USA der Bulgarin nicht wohlgesinnt seien. Vor allem Antonio Guterres, der ehemalige portugiesische Staatschef und Uno-Flüchtlingskommissar, sowie die Neuseeländerin Helen Clark, die früher Premierministerin und Leiterin des Uno-Entwicklungsprogramms war, haben laut seiner Einschätzung in den Hearings überzeugt. Gegen Guterres sprechen jedoch sowohl das Rotationsprinzip als auch sein Geschlecht.

Die übrigen Bewerber aus Osteuropa konnten sich bisher erst vereinzelt profilieren (siehe Text unten links). Allein die hohe Zahl der Kandidaten deutet darauf hin, dass Osteuropa an denselben Problemen wie vor zehn Jahren scheitern könnte. Eigentlich wäre die Ländergruppe bereits damals am Zug gewesen, konnte sich aber nicht auf eine engere Auswahl einigen. Schliesslich setzten die USA mit Ban Ki Moon ihren Kandidaten durch.


Ähnliches könnte sich im Juli wiederholen, wenn sich der Sicherheitsrat auf den neuen Generalsekretär einigt. Die Favoritin der USA sei diesmal die argentinische Aussenministerin Susana Malcorra, die Ban Ki Moons Bürochefin war, sagt Gowan im Gespräch. Die Hearings üben zwar einen gewissen öffentlichen Druck auf die fünf Veto-Mächte im Sicherheitsrat aus, aber sie sind nicht bindend. Letztlich dürfte der Kandidat, den die Uno-Generalversammlung im Herbst wählt, ein Kompromiss zwischen den USA, Russland und China sein.
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