Das Problem liegt nicht darin, dass die BRD ein Bundesstaat ist, in dem der Bund zunächst einmal nur die Kompetenzen hat, die ihm in den Katalogen der Artt. 70 GG zugestanden sind, während alles andere, was nicht in diesen Katalogen steht, Ländersache ist. Auf dieser ebene wäre es ein Leichtes, Fehlentwicklungen im Gesamtsystem zu korrigieren, wenn man die Zuständigkeitskataloge für den Bund entweder erweitert oder verkleinert.
Das Problem liegt vielmehr darin, dass es sich in der BRD längst nicht mehr um einen typischen Föderalismus mit einfachen Zuständigkeitskatalogen wie beschrieben handelt, sondern um den so genannten "unitarischen Bundesstaat", der sich schon ab den Fünfziger Jahren entwickelt hat und an dem sich auch durch die "Föderalismusreformen" nach der Wiedervereinigung nichts Nennenswertes geändert hat: Die Länder stimmten oft einer Zuständigkeitsübertragung auf den Bund zu, aber nur unter der Bedingung, dass sie im Gegenzug über den Bundesrat einen Zustimmungsvorbehalt erhielten. Heute ist das Grundgesetz von solchen Zustimmungsvorbehalt regelrecht durchseucht; es heißt dann jeweils, ein Bundesgesetz bedürfe der Zustimmung des Bundesrats, und damit ist die Gesetzgebung insoweit der unterschiedlichen Parteipolitik in den Ländern ausgeliefert, zumal der Bundesrat als Vertretung der Länder ja nicht durch die Landesparlamente eingesetzt wird, sondern durch die LandesREGIERUNGEN. Das ist ein auf Dauer tödlicher Konstruktionsfehler, denn dadurch wird die Gewaltenteilung ausgehebelt; während vom Grundgedanken her der (gewählte) Gesetzgeber (Erste Gewalt) allein für den Inhalt von Gesetzen zuständig ist und sowohl Regierung und Verwaltung (Zweite Gewalt) als auch die Rechtsprechung (Dritte Gewalt) an die vom Gesetzgeber erlassenen Gesetze gebunden sind, bestimmen bei uns die Spitzen der Zweiten Gewalt der Länder darüber mit, welchen Inhalt die von der Ersten Gewalt erlassenen Gesetze haben, an die sie, die Zweite Gewalt, sich dann halten sollen. Das ist genau so unglaublich und irrsinnig wie leider wahr.
Dieses System des unitarischen Bundesstaates haben aber nicht die Alliierten vorgegeben; es hat sich auf Grund deutscher Politik über Jahrzehnte entwickelt. Wir bräuchten also hier einen radikalen Schritt, der diesen ganzen Wildwuchs beschneidet und zu einer Rückkehr zum ursprünglich vorgesehenen System führt, in dem es nur um die Zuständigkeitskataloge geht und darum, wie diese am Besten ausgewogen werden, ob man sie also je nach Bedarf erweitert oder verkürzt. Dann gäbe es zwar auch noch Verfassungsstreitigkeiten vor dem Bundesverfassungsgericht, die von diesem aber mit Leichtigkeit bewältigt werden könnten. Wir hätten dann aber nicht mehr diese quälenden und unendlichen Vermittlungsverfahren mit diesen unseligen Mehrstufenkompromissen, weil sich jede Partei irgendwo wiederfinden will und diese Eigensüchtigkeiten über den Bundesrat auch bis zum Gehtnichtmehr durchsetzen kann. Nicht umsonst klagt man allerorten darüber, dass in Deutschland alles immer komplizierter und umfangreicher wird.
Der zweite ganz dringende Reformbedarf findet sich beim Finanzausgleich. Hier kommt es mittlerweile zu einer solch starken Belastung der so genannten Geberländer, von denen wir ja auch nicht mehr viele haben, dass es vorkommen kann, dass einige Nehmerländer unter dem Strich über größere Finanzmittel verfügen als die Geberländer.
Hier muss man allerdings darauf hinweisen, dass der heutige Finanzausgleich sich vorwiegend aus dem so genannten einfachen Gesetzesrecht ergibt, während auf der Ebene des Grundgesetzes nichts gegen die dortige Regelung einzuwenden ist und sich die heutigen Missstände auch nicht aus ihr ergeben, sondern eben wieder aus der einfachen, von den Landesregierungen über den Bundesrat maßgeblich beeinflussten Gesetzgebung.
Ein drittes Gebiet schwerster Mängel im Verhältnis zwischen Bund und Ländern bildet der Artikel 23 GG, der nach der so genannten Wiedervereinigung an die Stelle des alten trat. Im neuen geht es um die Beteiligung von Bund und Ländern am Aufbau der Europäischen Union. auch hier entscheidet wieder vorrangig die Bundesregierung, also die Spitze der Zweiten Gewalt, darüber welche Europapolitik betrieben wird, obwohl es doch um die Existenzgrundlagen der Bundesrepublik Deutschland geht. Auch hier ist ständig von Zustimmungsvorbehalten des durch die Landesregierungen besetzten Bundesrats die Rede, auch davon, dass die Bundesregierung - wie gnädig - den Bundestag und den Bundesrat unterrichten oder seine Stellungnahme einholen müsse, und so weiter.