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Thema: Klassische Musik

  1. #2741
    Mitglied Benutzerbild von Chinon
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    Standard AW: Klassische Musik

    Diese Wiederholung hat einen Grund. Wenn man mich fragt, welches die bedeutendste Klaviersonate des 19. Jahrhunderts ist, wäre meine Antwort "Beethovens op. 106", wie ich Beethovens und Brahms' Violinkonzert oder dessen zweites Klavierkonzert nennen würde, ginge es um andere Gattungen.

    Deutschland zu verstehen, seine leider vergangene Größe, ohne diese vier Werke zu kennen, und noch ein paar mehr, geht nicht.

    Das Adagio ist ein langsamer Satz von Schubert'scher, fast schon Bruckner'scher Ausdehnung und erheblicher Tiefe, um es sehr vorsichtig zu formulieren.




    Vor das Adagio setzt Beethoven ein vitales und zündendes Scherzo mit einem Taktwechsel im Trio.



    Alfred Brendel: „Nach Umfang und Anlage geht die Hammerklaviersonate weit über alles hinaus, was auf dem Gebiet der Sonatenkomposition jemals gewagt und bewältigt wurde.“

    Die Große Sonate für das Hammerklavier galt lange Zeit als unspielbar. Zudem ist sie die einzige der 32 Klaviersonaten Beethovens, welche authentisch mit dessen originalen Metronomzahlen versehen ist – und die sind so enorm schnell, dass bis heute die Abweichungen in der allgemein-gängigen Aufführungspraxis (selbst bei dem im Originaltempo durchaus spielbaren langsamen 3. Satz!) charakterlich ein gänzlich anderes Musikstück entstehen lassen, als vom Komponisten wahrscheinlich beabsichtigt war. [Links nur für registrierte Nutzer]
    Mit Ausnahme des ersten Satzes, den er in dieser Einspielung etwas langsamer nimmt als in der hier [Links nur für registrierte Nutzer], hält sich Brautigam an Beethovens Metronomangaben, die er nicht ohne Grund und sonst bei keinem Klavierwerk mitgegeben hat.

    Ich nehme an, Beethoven wollte vermeiden, daß sein Opus Magnum von Interpreten sentimentalisiert und dadurch entstellt wird.

    Der Kontrast zwischen spritzigem Scherzo und dem folgenden tiefgründigen Adagio könnte nicht größer sein. Mit circa 20 Minuten Spieldauer ist der dritte Satz einer der längsten Sätze, den Beethoven je komponiert hat, und in seiner Ausdrucksintensität einer der stärksten. Im großen Adagio sostenuto, den der Musikschriftsteller Wilhelm von Lenz treffend ein "Mausoleum des Kollektivleids" nannte, erreicht die Sonate ihren Schwerpunkt. Wut, Klage und Trost – die Gefühlspalette ist im Adagio sehr reich. [Links nur für registrierte Nutzer]
    Jeder ist frei, die Hammerklaviersonate auszulegen, wie es ihm subjektiv gesehen richtig scheint. Mir geht Lenz' Bemerkung viel zu weit. Sie riecht auch so eigenartig nach dem Parfum des Schuldkults, denn kollektives Leid gilt, wie wir wissen und uns jeden Tag eingebimst wird, nur und in sehr exklusiver Weise für ein ganz bestimmtes Kollektiv.

    Ich verbinde das Adagio sostenuto mit Beethovens durch die Ertaubung verursachter Vereinsamung und als Vorbereitung seines Abschieds vom Leben.

    Das reicht an Inhalt. Mehr muß nicht sein. Die Werke schwerpunktmäßig aus der emotionalen Perspektive zu betrachten, führt leicht dazu, daß man etwas in sie hineinlegt, was gar nicht enthalten ist und darüber vernachlässigt, was viel wichtiger wäre, die Struktur.
    "Die Demokratie bildet die spanische Wand, hinter der sie ihre Ausbeutungsmethode verbergen, und in ihr finden sie das beste Verteidigungsmittel gegen eine etwaige Empörung des Volkes", (Francis Delaisi, Gewerkschafter, Sozialist und Mitarbeiter Aristide Briands beim Völkerbund).

  2. #2742
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    Standard AW: Klassische Musik

    In der Übersetzung von G. Fr. Reiss die Pazifisten im 7. Kapitel der Seligkeiten und es fällt doch wohl schwer dabei nicht an Robert F. und dessen Empfehlung zu denken, Aggressivität um jeden Preis zu vermeiden?

    Hartet aus mit dem Recht im Bunde
    Es schwindet das Leid
    Umsonst macht der Dämon die Runde
    Denn nie die böse Tat gedeiht
    Doch die gute Saat, gestreut beim Himmelslichte
    Blühend, gottgeweiht
    Gesegnet vom Herrn, bringt sie Himmelsfrüchte
    Für die Ewigkeit!
    Ohne Gewalt, doch mit heilg'em Streben,
    Soll das Werk geschehen,
    Segensreich die Brüder zu heben
    Auf der Menschheit Höh'n

    Friedenswerk des Herrn, Friedenswerk der Liebe
    Das, so heiß ersehnt
    Bricht der Menschheit Sündentriebe
    Und mit Gott versöhnt

    Um den Brudermord zu bannen
    Knüpfet fest den Bruderbund
    Und zu beugen die Tyrannen
    Seid einig zu jeder Stund'!

    Erhebet die Völker zum Tage ;
    Verstummt für immer Fluch und Klage,
    Aus der Welt für ewig verbannt!
    « La haine impie accroîtrait vos misères »
    ("Der gottlose Hass erhöht euer Elend")


  3. #2743
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    Standard AW: Klassische Musik

    "Aria
    Ihr weichgeschaffnen Seelen,
    ihr könnt nicht lange fehlen;
    bald höret euer Ohr
    das strafende Gewissen,
    bald weint aus euch der Schmerz.
    Ihr thränenlosen Sünder bebet!
    Einst mitten unter Rosen hebet
    die Reu den Schlangenkamm empor,
    und fällt mit unheilbaren Bissen
    dem Frevler an das Herz."

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  4. #2744
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    Standard AW: Klassische Musik

    Damit aus diesem schönen Strang keine Mülldeponie wird, wo jemand seine Ahnungslosigkeit auskippt, etwas zur Sache.

    Bei dem Scherzo der Hammerklaviersonate macht Beethoven, was er so oft tut. Er kippt das Dreiermetrum, und man weiß nicht, geht der Satz wie in einem Menuett und Scherzo üblich auf Zwei oder Drei.

    Erst in Takt 17 wird der Dreierpuls klar, aber sofort wieder in einen Zweierpuls verwandelt, bis man kurz später endlich sicher sein kann, einen Dreiertakt vor sich zu haben und man durch den Taktwechsel des Trios (2/4) wieder aus dem Konzept gebracht wird.

    Dieses mitreißende Scherzo lebt von permanenten Taktwechseln, suggerierten wie am Anfang und einem notierten im Trio.

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  5. #2745
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    Standard AW: Klassische Musik

    „Als alles sagende, tönende Seele der christlichen Religion, hinterließ uns die christliche Kirche als edelstes Erbe die Musik, die der erlösungsbedürftigen Menschheit eine neue Sprache lehrte, in der das Schrankenloseste sich nun mit unmissverständlichster Bestimmtheit aussprechen konnte.“ - Richard Wagner, "Religion und Kunst"

    „Die Musiker hatten entsprechend gekleidet zu kommen. Das Publikum kam entsprechend gekleidet. Man verhielt sich so wie in der Kirche, in einer frommen Andacht, stillen Andacht. Man kann das ganz handfest greifen: Das erste Gewandhaus hier in Leipzig hatte ein Gestühl wie eine protestantische Kirche.“ - Helmut Loos

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  6. #2746
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    Szene aus einem weltlichen Oratorium:

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  7. #2747
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    Der dritte Satz von Beethovens Streichquartett Nr. 15, überschrieben mit dem Titel „Heiliger Dankgesang eines Genesenen an die Gottheit, in der lidischen Tonart“:

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  8. #2748
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    Standard AW: Klassische Musik

    Lidische, das heißt Kirchentonart, bei Anton Bruckner:

    "Os justi meditabitur sapientiam:
    et lingua ejus loquetur judicium.
    Lex Dei ejus in corde ipsius:
    et non supplantabuntur gressus ejus.
    Alleluia.
    Inveni David servum meum,
    oleo sancto meo unxi eum.
    Alleluia."

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  9. #2749
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    Ich versuche in dem hier seit einiger Zeit wahllos ausgekippten und nicht einmal sortierten Müll wieder etwas Brauchbares und zum Strangthema Passendes zu bringen.

    Das Adagio sostenuto der Hammerklavier-Sonate enthält einige greifbare Reminiszenzen an den Mittelsatz aus Mozarts Klavierkonzert KV 488.

    Sie betreffen die Satzbezeichnung (Adagio), Taktart (6/8), Tonart (fis-Moll) und den Siciliano-Charakter.

    Gräbt man etwas tiefer, entdeckt man eine weitere und interessanterweise italienische Gemeinsamkeit, den beidemale mit großer Wirkung eingesetzten Neapolitanischen Sextakkord (G-Dur), bei Mozart etwas früher, Beethoven ein wenig später.

    Der Akkord wurde überwiegend in Molltonarten verwendet, und diente durch seine strukturelle Nähe zum phrygischen Modus der Darstellung von Affekten wie Leid, Trauer und Schmerz. Eine frühe Verwendung findet sich im wehklagenden Schluss des Oratoriums Jephte von Carissimi (1645). Aber auch Carlo Gesualdo verwendete ihn schon 1595 in der Schlusskadenz seines Madrigale Languisco e moro. [Links nur für registrierte Nutzer]
    Die Verwendung dieses Klangs an prominenter Stelle, zu Anfang des Satzes, könnte ein Hinweis sein, daß in den jeweiligen Stücken Affekte von Trauer, Leid und Schmerz dargestellt werden.
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  10. #2750
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    Über das Andante aus Mozarts Streichquintett Es-Dur, KV 614:

    "Das Andante ist eine Romanze, eine Form, die sich von Paris ausgehend auch in der Wiener Musik der Epoche ihren festen Platz erobert hatte. Das bekannteste Beispiel bei Mozart ist der langsame Satz seiner “Kleinen Nachtmusik”. Ganz ähnlich wie dort handelt es sich auch beim Andante des Quintetts um einen schlichten Gesang im Alla-Breve-Takt und im Rhythmus einer langsamen Gavotte. Die leicht sentimental angehauchte Melodie, die mit zwei kontrastierenden Episoden abwechselt, wird Opernfreunden bekannt vorkommen. Mozart entlieh sie seinem Singspiel “Die Entführung aus dem Serail”, und zwar Belmontes Arie “Wenn der Freude Thränen fließen”. Solche Zitate aus seinen eigenen Vokalwerken häufen sich in seinen späten Werken. Man denke nur an das Rondo des letzten Klavierkonzerts mit seinem Liedzitat aus “Komm, lieber Mai, und mache” oder an das Andante des 1. Preußischen Quartetts, in dem Mozart sein Goethelied “Das Veilchen” zitierte. Diese melodischen Zitate verleihen den betreffenden Sätzen besondere Innigkeit, einen liedhaft intimen Ausdruck, wie er sich auch im Andante des Quintetts findet. Klanglich ist der Satz von besonderem Reiz, da die Romanzenmelodie bei ihren beiden Wiederholungen auf zarteste Weise variiert wird. Zunächst wird sie von einer Art Seufzermotiv der zweiten Geige grundiert, dann mit Doppelschlägen der Bratsche kombiniert. Auch die beiden Episoden und die kurze Coda sind klanglich von höchster Delikatesse. Die Streicher müssen die unterschiedlichsten Nuancen von Legato und Staccato, kurze Vorschläge, Schleifer und andere Verzierungen mit spielerischer Leichtigkeit bewältigen."

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