Die Callas stirbt 1977 mit 53 Jahren, und zwar, so schluchzt das Publikum, an gebrochenem Herzen.
Die Callas hätte es wissen müssen: Wer zu sehr liebt, das lehrt doch die Oper von Anbeginn, hat schon verloren.
Eines aber ist sicher: Mit zeitgenössischem Repertoire wäre diese Tragödin des Gesangs nie zum Mythos geworden. Sie lebte ohnehin im falschen Jahrhundert. Als Komponisten und Publikum noch aufeinander hörten, waren die Opern meist schon bei der Uraufführung ein Hit. Doch nach Mozart, Haydn, Verdi, schließlich Wagner, verlangsamte sich die Akzeptanz-Geschwindigkeit für aktuelle Kompositionen rapide.
So konnte es in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts für Regisseure und Intendanten nur eines geben: eine immer aktiver betriebene Archäologie. Fürchterlich? Reaktionär? Überhaupt nicht: Es kann nichts zukunftsträchtiger sein als die Rettungsarbeit am kulturellen Gedächtnis.
Der österreichische Dirigent Nikolaus Harnoncourt war bereits Anfang der fünfziger Jahre einer dieser rückwärtsgewandten Rebellen. Er buddelte nach frühem Repertoire und stieß, wie Howard Carter auf das Grab von Tutanchamun, auf Monteverdi. Mit seinem Concentus musicus schuf Harnoncourt ein hochspezialisiertes Ensemble, das auf historischen Instrumenten und möglichst nah an der damaligen Aufführungspraxis die Werke des 17. und 18. Jahrhunderts wiederbelebte.
Der feierliche, hochgestimmte Barock mit seinen jubelnden Arien und auftrumpfenden Chören kam zu neuen Ehren: Händel, Vivaldi und deren Zeitgenossen. Aber auch im Fin de Siècle wurden die Ausgräber in den achtziger Jahren des vorigen Jahrhunderts fündig: Die melancholisch-elegischen Werke von Alexander von Zemlinsky, Franz Schreker und anderer Komponisten aus der Jugendstilzeit galten als kostbare Trouvaillen.
Bisweilen versuchte man, mit zeitgenössischen Auftragsarbeiten gegenzuhalten. Am spektakulärsten gelang das noch Rolf Liebermann, selbst Komponist, an der Hamburgischen Staatsoper, der 23 Werke uraufführte. Heroische Akte, doch letztlich verlorene Gefechte.
Es konnte gar nicht anders sein, denn Du, Oper, bist zwar eine vergleichsweise junge, aber dennoch von Natur aus konservative Kunst. Der Adel, für den Monteverdi arbeitete, erkannte sofort Dein Potential für Prachtentfaltung und Prestige. Und selbst als nach Aufklärung und Französischer Revolution die Bourgeoisie die Hofkultur eroberte - der feudale Glanz blieb. Er blieb bis heute.
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