Zwei Männer stehen auf einem Friedhof. Der eine schaut ratlos, der andere bitter auf einen geköpften Grabstein. Das Kreuz, einst obenauf, liegt jetzt im dünnen Gras in der Sonne. Es brauchte viel Kraft, es vom Sockel zu schmettern - einen Vorschlaghammer, vielleicht. "Das war kein Vandalismus", sagt der evangelische Propst von Jerusalem, Wolfgang Schmidt. "Das war ein symbolischer Akt."

Schmidt vertritt die Evangelische Kirche Deutschlands im Heiligen Land, den protestantischen Zionsfriedhof verwaltet er gemeinsam mit den Anglikanern. Im November vergangenen Jahres schändeten Unbekannte hier mehr als 20 Gräber.
Eigentlich ist der Friedhof ein idyllischer Ort: Es duftet nach Zypressen, der Blick auf die Heilige Stadt ist atemberaubend. In der Luft tragen die Religionen ihren akustischen Hoheitskampf aus: Muezzine rufen zum Gebet, Kirchenglocken läuten um die Wette.

Doch die Stimmung ist seit den Schändungen gedrückt. Die Polizei nahm vier junge Israelis vorübergehend in Gewahrsam. Zwei von ihnen gehörten der berüchtigten Hügeljugend an - einer Gruppe radikaler Siedler, die seit Jahren gewaltsam gegen Palästinenser, aber auch die israelische Armee vorgehen. Doch die Tatverdächtigen wurden freigelassen.

"Verreck, du Christ!"

"Wir haben unseren Unmut geäußert", sagt Propst Schmidt, der ein großes silbernes Kreuz wie einen stummen Kommentar um den Hals trägt. Er habe mit einem Berater von Präsident Schimon Peres gesprochen, auch mit dem Oberbürgermeister von Jerusalem, Nir Barkat. "Man hat mir versichert, dass solche Übergriffe streng verfolgt würden", so der Propst. "Aber das sind Lippenbekenntnisse."

"Machen wir uns nichts vor - selbst die Polizei gibt offen zu, dass kein einziger Angreifer je ein Gefängnis von innen gesehen hat", sagt Pater Nikodemus Schnabel, Benediktiner aus der benachbarten Dormitio-Abtei. Der Priester im einfachen schwarzen Mönchshabit hat jede Menge Erfahrungen mit antichristlichen Übergriffen: "Ich werde auf der Straße angespuckt, mit Steinen oder Flaschen beworfen", sagt er. Erst kürzlich sei ein junger Mann zu ihm gekommen und habe geschrien "Verreck, du Christ!", erzählt Schnabel. Er habe den Pöbler fotografiert, um einen Beweis zu haben, doch der habe sich nur lachend in Pose geworfen.

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